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Mannheim – IHK MRN Wirtschaftsforum – Welche Zukunft hat die Industrie in der Region?

Mannheim / Metropolregion Rhein-Neckar.
Welche Zukunft hat die Industrie in der Region?

Metropolregion Rhein-Neckar, 12. Juni 2023. Die Industrie steht unter Druck. Eine bessere Regulatorik auf allen politischen Ebenen, effektive Antworten auf den akuten Fachkräftemangel sowie ein politisches und gesellschaftliches Klima, dass Unternehmertum und industrielle Wertschöpfung wieder wertschätzt: Das sind aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) zentrale Stellschrauben, um den Industriestandort langfristig zu sichern. „Es geht um viel“, sagte Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar auf einem Pressegespräch im Vorfeld des IHK MRN Wirtschaftsforums. Er rief in Erinnerung, dass in Deutschland mehr als ein Fünftel (20,8 %), in der MRN sogar fast ein Viertel (24,1 %) der Wertschöpfung auf die Industrieunternehmen entfällt. „Die Industrie ist zentraler Bestandteil des ,Geschäftsmodells‘ unseres Landes. Sie ist wichtiger Pfeiler unseres Wohlstands, wichtige Quelle von Steuern und Sozialabgaben, Beschäftigungsmotor und Innovationstreiber Nummer 1.“

Die Besonderheit der Industrie in der MRN sei die einzigartige Mischung aus kleinen, mittleren und großen Unternehmen sowie die große Spannweite an vertretenen Industriebranchen, von Chemie über Pharma bis hin zu Maschinenbau und Automotive. „Diese Vielfalt ist eine Riesenstärke, da sie uns resilienter macht gegen Einbrüche oder Strukturwandel in einzelnen Branchen“, sagte Schnabel. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass Industrieunternehmen auf Dienstleistungen, Handel und Handwerk angewiesen seien. „Unsere Wirtschaft funktioniert wie ein Ökosystem. Die Verflechtungen sind sehr intensiv“. Daher sei auch das Bild von „Systemrelevanz“ so seltsam, das mit Corona in die politische Diskussion Einzug gefunden hat. „Unsere Stärke gibt es nur im Zusammenspiel der Branchen. Industrie gibt es nur als Gesamtpaket“, mahnte Schnabel.

Besorgniserregend sei der starke Rückgang an Wettbewerbsfähigkeit, zuletzt ablesbar am ZEW-Länderindex Familienunternehmen, auf dem Deutschland von Rang 14 auf Rang 18 abgerutscht ist. Gründe seien die hohe Steuerlast ohne adäquate Gegenleistung, die hohen Arbeitskosten in der Industrie und die sehr hohen Energiepreise. „Beim Industriestrompreis lagen wir schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine an der Spitze, seither ist er nochmals deutlich angestiegen und liegt auch nach einem Rückgang weiter deutlich über dem Niveau von 2021“, sagte Schnabel. Hinzu kämen die Anstiege bei anderen Energieträgern, vor allem beim Gas. Als weiterer Standortnachteil erweise sich zudem eine immer ausuferndere Regulatorik, die zudem oft schlecht gemacht sei. „Die Regulatorik ist oftmals widersprüchlich im Zusammenspiel der verschiedenen politischen Ebenen“, sagte der IHK-Präsident. Als Beispiel nannte er den Klimaschutz. So gebe es neben dem European Green Deal mit klaren und abgestimmten Zielvorgaben lokale und regionale Aktionspläne mit wesentlich ambitionierteren Zielen, ohne dass im Ansatz erkennbar sei, wie das ohne riesige Wohlstandsverluste zu erreichen wäre.

Schnabel forderte mit Blick auf die Herausforderungen:

Um den Industrie- und Wirtschaftsstandort zu sichern, muss der Staat zuvorderst seinen ureigensten Aufgaben in Bereichen wie Infrastruktur, digitale Verwaltung und Bildung gerecht werden. Eine solide Haushaltspolitik ist zentrale Voraussetzung dafür, die Stabilität unserer Währung gewährleisten zu können.
Wirtschaft als Ganzes ist ein komplexes Ökosystem und die Industrie ist ein besonders wichtiger Teil davon. Die Politik sollte daher vor Eingriffen in die Entscheidungen der Unternehmen absehen, sondern vielmehr für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen. Dabei gilt: Politik für die Industrie ist besser als eine Industriepolitik, die sich anmaßt, Marktergebnisse vorwegnehmen zu können.
Die Regulatorik muss schlank, konsistent und international abgestimmt sein. Solch eine sinnvolle Regulatorik muss unnötige Belastungen vermeiden und für ein „level playing field“ auch im internationalen Kontext sorgen.
Um die Herausforderungen am Arbeitsmarkt zu lösen, muss die Politik eine Vielzahl von Stellschrauben bedienen. Die vorherrschende öffentliche Diagnose („Demographie“) und die vorherrschende Therapieempfehlung („Einwanderung“) greifen viel zu kurz.
Politik und Gesellschaft müssen den Wert von Wirtschaft im Allgemeinen und Industrie im Besonderen respektieren und anerkennen. Das Unternehmertum ist Basis unseres Wohlstands und damit auch die zentrale Säule unserer politischen Stabilität.

Michael Kundel, Vizepräsident der IHK Rheinhessen und Vorstandsvorsitzender des Folienherstellers RENOLIT SE mit Hauptsitz in Worms, betonte in seinem Statement die Bedeutung von Flächen. „Die Region benötigt Flächen, damit sich neue Unternehmen ansiedeln können, vor allem aber auch zur Weiterentwicklung im Bestand“, mahnte er. Kundel verwies dabei auf die Gewerbeflächenstudie MRN aus dem Jahr 2019, die ein Defizit von 500 Hektar bis 2035 ermittelt hat und hob dabei auch die Bedeutung der Gewerbesteuer für die Kommunen hervor. Mit Blick auf Energie führte er Mehrkosten allein für Abgaben auf Strom in Form von EEG-Umlage, Netzentgelte etc. in Höhe von 62 Millionen Euro innerhalb der letzten Dekade an. „Diese Abgaben fehlten uns für zukunftsgerichtete Investitionen und schränkten die Wettbewerbsfähigkeit an unseren deutschen Standorten im internationalen Vergleich ein.“ Kundel forderte daher einen europäisch einheitlichen Strommarkt mit einer marktgerechten Steuerungsgröße, die sich am C02-Ausstoß orientiert und damit berechenbare Rahmenbedingungen. „Solch ein ,level playing field‘ würde zumindest in der EU für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen“, sagt er. Zudem kritisierte der Unternehmer überbordende gesetzliche Regeln und Bürokratie. Namentlich nannte er die CSRD-Richtlinie und die Überarbeitung der EU-Chemikalienrichtlinie Reach, die für viele Mittelständler erheblichen Zusatzaufwand bedeuten. Auch vor Ort könne vieles schneller gehen. „Alleine die Vorbereitung und emissionsrechtliche Genehmigung der Erweiterung eines Gefahrgutlagers hat in Worms ein Jahr gedauert. In Asien steht innerhalb eines Jahres der komplette Rohbau eines neuen Produktionswerks“, kritisierte Kundel.

Martina Nighswonger, Vizepräsidentin der IHK Pfalz und geschäftsführende Gesellschafterin der Gechem GmbH und Co KG aus dem pfälzischen Kleinkarlbach verwies in ihrem Statement auf den hohen Wettbewerbsdruck, unter dem ihr Unternehmen stehe, das ausschließlich am Standort produziert. „Die überbordende Bürokratie auf allen politischen Ebenen nimmt uns im Mittelstand die Luft zum Atmen“, sagte sie. Als Beispiele nannte sie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, von dem Gechem mit 185 Mitarbeitern eigentlich gar nicht betroffen ist. „Die Großunternehmen delegieren ihre Verantwortung in Form unterschiedlichster zu zeichnender ,Code of Conducts‘ an uns weiter, sodass wir natürlich doch den bürokratischen Aufwand haben“, erklärte sie. In den vergangenen fünf Monaten habe ein vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter nichts anderes getan, als die Anforderungen zu prüfen, zu reagieren bzw. zu antworten und selbstredend zu dokumentieren. Auch die Umsetzung des neuen europäische Chemikalienrechts führe mittelständische Unternehmen wie Gechem an die Belastungsgrenze. „Für rund 12.000 chemische Stoffe ändern sich die Bestimmungen. Im Wettbewerb mit Unternehmen aus dem außereuropäischen Ausland geraten wir hierdurch weiter ins Hintertreffen“, kritisierte Nighswonger. Verordnungen und Gesetze würden zudem unter Zeitdruck gestrickt, sind teilweise handwerklich schlecht gemacht und oft nicht fertiggedacht. „Die Politik verordnet uns Compliance, liefert aber gleichzeitig kein gutes Vorbild“, so die Unternehmerin. Bürokratie und ständige neue oder geänderte Gesetze bedeuteten aber nicht nur einen hohen Aufwand, sie erschwerten auch Übergaben an die nachfolgende Generation: „Mit Blick auf meinen Sohn frage ich mich, soll ich ihm das überhaupt antun oder ist verkaufen an ein Großunternehmen nicht die bessere Lösung.“ Solche Überlegungen seien im familiengeführten Mittelstand leider weit verbreitet.

Ralf Rohmann, Mitglied der Vollversammlung der IHK Rhein-Neckar und Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Industrie und Innovation sowie geschäftsführender Gesellschafter der Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co KG aus Hardheim im Neckar-Odenwald ging in seinen Ausführungen vor allem auf den Fachkräftemangel ein. „Fehlende Mitarbeiter im gewerblich-technischen Bereich sind unsere größte Wachstumsbremse“, sagte der Unternehmer. Der Mangel an Menschen mit dualer Ausbildung, Meister und Techniker sei im Neckar-Odenwald-Kreis besonders ausgeprägt: „Die Städte haben strukturelle Vorteile und sind für viele junge Menschen leider attraktiver.“ Was überall ein Problem sei: die mangelnde Wertschätzung der dualen Ausbildung und die Akzeptanz von Unternehmen in Industrie und Handwerk. „Noch immer gilt vielen Eltern ein Studium als das Non-plus-ultra. Dabei verkennen sie, dass mit einer gewerblich-technischen Ausbildung ihre Kinder die besten Startchancen ins Berufsleben haben. Es warten sichere, anspruchsvolle und gute bezahlte Jobs in der Industrie“, sagte Rohmann. Die Folgen des Fachkräftemangels am Stammsitz in Deutschland entwickelten sich zunehmend problematisch. Es bestehe die Gefahr, dass Wachstum deshalb zukünftig an anderen Standorten im Ausland stattfinde. „Dieser Befund gilt leider auch für andere mittelständische Unternehmen. Damit droht Deutschland einer seiner Stärken zu verlieren“, mahnte er. Er forderte tiefgreifende Reformen in der Bildungspolitik, um die Berufsorientierung an allen Schulformen und die Kompetenz der Schülerinnen und Schüler in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu stärken. Zudem müsse die Ausstattung der Schulen inklusive der Berufsschulen verbessert werden. „Die Politik macht es sich zu einfach, wenn sie alles auf die Karte Zuwanderung setzt. Es gibt noch viele inländischen Potenziale zu heben. Das zeigen die vielen Jugendlichen ohne Schul- und Berufsabschluss. Das dürfen wir uns nicht länger leisten.“

IHK Metropolregion Rhein-Neckar

Die IHK MRN ist die gemeinsame Kooperationsmarke der IHKs Rhein-Neckar, Pfalz, Darmstadt Rhein Main Neckar und Rheinhessen. Sie vertreten in der MRN gemeinsam die Interessen von rund 160.000 Mitgliedsunternehmen. Die MRN ist einer der stärksten Wirtschaftsräume mit mehr als 978.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, einer Bruttowertschöpfung von 90 Milliarden Euro (2020) und einer Exportquote von 63 Prozent (2021).

Quelle Foto MRN-News
IHK Metropolregion Rhein-Neckar (IHK MRN)

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