Der neue Rastplatz liegt südöstlich von Mutterstadt am Übergang von der L 524 auf die B 9. Hier wurde nun endlich ein Projekt verwirklicht, das schon im Jahr 2009 von den Vertretern des Arbeitskreises Vor- und Frühgeschichte des Historischen Vereins Mutterstadt Harry Ledig und Volker Schläfer angestoßen wurde: Ein Platz, der Spaziergänger und Radfahrer zum Verweilen einlädt und gleichzeitig über die römische Vergangenheit Mutterstadts informiert. So wurden hier ein Tisch und Bänke aufgestellt, Edelkastanien, Walnussbäume und Weinreben gepflanzt. Diese Pflanzen kannten schon die Römer und kultivierten sie auch hier. Antike römische Rebensorten gibt es heute nicht mehr, daher wurden gut zu pflegende Tafeltrauben ausgewählt und gepflanzt, die von den Besuchern verzehrt werden können. Die in Zusammenarbeit mit Bettina Hünerfauth, stellvertretende Leiterin der Landesarchäologie Speyer, entstandene Informationstafel erklärt, was es mit der römischen Straße an diesem Rastplatz auf sich hat.
Nach der Begrüßung von Bürgermeister Hans-Dieter Schneider, der bemerkte, das schon zu Zeiten der Römer an diesem Ort viel Verkehr herrschte, erläuterte Michael Ceranski, Vorsitzender der Ortsgruppe Mutterstadt im Historischen Verein der Pfalz, das Zustandekommen dieses Projekts. Herr Schneider und Herr Ceranski bedankten sich herzlich bei allen Beteiligten.
Gemeindearchivarin Christina Wolf berichtete über die Bedeutung und Nutzung der römischen Straßen. Die Rheintalstraße war eine der wichtigsten Fernhandelsstraßen im Norden des Römischen Reiches und zählte zu den frühesten Römerstraßen der Region. Ihr Baubeginn war spätestens um ca. 15 vor Chr. Sie verband Oberitalien mit der römischen Provinz Obergermanien und verlief von Mailand über Basel, Straßburg, Rheinzabern, Speyer und Worms nach Mainz, der Hauptstadt Obergermaniens. Bei Mutterstadt wurde die Rheintalstraße mehrfach nachgewiesen, z. B. an der nordöstlichen Gemarkungsgrenze zu Maudach. Ihr Verlauf deckt sich in großen Teilen mit dem Verlauf der heutigen B 9 und mit der sogenannten „Alten Landstraße“ von Limburgerhof über Maudach nach Oggersheim. Die Straße war nicht gepflastert, sondern bestand lediglich aus einem mit Erde und Kies aufgeschütteten Damm mit einer Deckschicht und einem Straßengraben. Auch dieser Aufbau ist im Bereich von Mutterstadt archäologisch dokumentiert. Aufgrund dieser „unspektakulären Erscheinung“ sah man von einer Rekonstruktion der Straße ab. Es wurde jedoch eine Replik eines Leugensteins auf dem Rastplatz aufgestellt. Um sich unterwegs zu orientieren und die Wegstrecke abzuschätzen, dienten Leugensteine als Orientierung. Entfernungsangaben wurden in gallischen Leugen angegeben. Eine Leuge maß etwa 2,2 km und das Anderthalbfache einer römischen Meile. Außer der Entfernung nannten die Steine auch den Namen des Kaisers als obersten Bauherrn.
Bei der Neutrassierung der B 9 Ende der 1970er-Jahre entdeckte man in der Nähe der Rheintalstraße bei Mutterstadt zwei Leugensteine. Der auf dem Rastplatz ausgestellte Stein wurde 306/307 zu Ehren von Konstantin, dem späteren Kaiser Konstantin I, dem Großen, aufgestellt. Der Stein markierte die VIII. Leuge, gezählt von Speyer und von Worms aus.
Danach trat Bernd Neumann, Vorsitzender des Fördervereins Archäologie-Park Rheingönheim, als Lucius Julius Reno Barbatus auf und erklärte anschaulich, wie der Nahkampf zu Zeiten der Römer funktionierte. Bürgermeister Hans-Dieter Schneider bekam dabei die Rolle des Gegners und der römische Legionär zeigte, wie man das Kurzschwert benutzte und welche Vorteile es hatte. Bernd Neumann beschrieb auch die Gliederung des römischen Heeres und die Kleidung der Soldaten. Denn zu allererst war die römische Rheintalstraße eine Marschroute des Militärs, diente zeitgleich dem Nachrichtenaustausch und wurde dann auch von Reisenden und Händlern genutzt.
Anschließend erläuterte Orts-Chronist Volker Schläfer, in Vertretung von Harry Ledig, die Arbeit von Walter Storck, der in diesem Jahr übrigens 100 Jahre alt geworden wäre. Harry Ledig war ein Schüler des Lehrers, der seit 1950 die Vor- und Frühgeschichte Mutterstadts erforschte und als „Ausgräber des römischen Mutterstadt“ bezeichnet werden kann. Nach ihm ist auch eine Mutterstadter Straße benannt.
Zum Abschluss lud der Historische Verein Mutterstadt zum Umtrunk ein und der 2. Beigeordnete Klaus Lenz präsentierte als stellvertretender Vorsitzender des Historischen Vereins die Nachbildung eines römischen Sturzbechers. Dieses Trinkgefäß wurde vermutlich immer weitergereicht und konnte ausschließlich leer, also „gestürzt“, abgestellt werden.
Die Anlage des Rastplatzes wurde nur durch eine gute Team-Arbeit ermöglicht: Büroleiter Gunther Holzwarth übernahm die organisatorische Leitung und führte mit den Beteiligten viele Gespräche. Michael Hemberger, Mitarbeiter der Gemeinde für die Öffentlichkeitsarbeit, gestaltete das Bildmaterial. Ein großer Dank gilt den Mitarbeitern des Bauhofs: Thomas Bauer und seine Kollegen haben durch das Aufstellen der Sitzgruppe, des Leugensteins, der Hinweistafel und mit der Bepflanzung dafür gesorgt, dass der Rastplatz so schön geworden ist. Die Sitzgruppe hat die Bürgerstiftung Mutterstadt finanziert, Volker Reimer und Volker Schläfer kamen für die Weinreben auf und die Familie Herbert Magin stiftete einen Wegweiser. Als Eigentümer des Nachbargrundstücks wird die Familie auch die Pflanzen des Rastplatzes bewässern.
Text: Dr. Christina Wolf