Mannheim / Metropolregion Rhein-Neckar – Sachsen-Anhalt – Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt behauptet sich die CDU als klar stärkste Partei vor der AfD. Die Linke rutscht auf ihr schwächstes Ergebnis nach 1990 und die SPD auf ein neues Tief. Die Grünen können in ihrer ostdeutschen Diaspora nur leicht zulegen, die FDP schafft den Einzug in den Landtag. Bei den Ergebnissen handelt es sich um erste Trends, die zentralen Wahlmotive liegen aber schon vor.
Ihren Wahlsieg verdankt die CDU dem klar besten Gesamtpaket: Während die anderen Parteien nur spezifische Stärken und kaum bekannte Spitzenkandidat/innen haben, punktet die CDU mit Parteiansehen, Regierungsarbeit und Sachkompetenz gerade beim Top-Thema Corona. Hinzu kommt ein präsenter und starker Ministerpräsident: Reiner Haseloff (CDU), dem 81 Prozent der Befragten gute Arbeit bescheinigen, erzielt beim Image auf der +5/-5-Skala mit 2,5 (2016: 1,3) im Land einen Rekordwert. 63 Prozent wollen Haseloff als Regierungschef und nur zehn Prozent Oliver Kirchner (AfD), der selbst in den eigenen Reihen nur mäßig Zugkraft entwickelt.
Dass die AfD dennoch stark abschneidet, liegt bei viel strukturellem Potenzial an einer Wählerschaft, die das politische Establishment und Handling der Corona-Krise sehr kritisch sieht, die sich oft benachteiligt fühlt und die zum Rechtsextremismus oder zu Ausländern sehr eigene Ansichten hat. Die AfD dient dabei als Kommunikationsplattform: Für 95 Prozent ihrer Wähler/innen nennt diese als „einzige Partei die wichtigen Probleme beim Namen“. Insgesamt glauben 20 Prozent aller Befragten, dass die AfD – wäre sie an der Regierung beteiligt – faktisch bessere Politik machen würde. (schlechtere: 59 Prozent; kein Unterschied: 13 Prozent).
Zu fehlendem Politikvertrauen kommt bei der AfD schlechtes Parteiansehen
(+5/-5-Skala: minus 2,2), wobei die Distanz in Sachsen-Anhalt weit weniger groß ist als in westdeutschen Bundesländern. Wesentlich kritischer als im Westen werden die Grünen (minus 0,8) gesehen; Linke (0,1), SPD (1,0) und FDP (0,7) gelingt im Vergleich zu 2016 ein Imageplus. Die mit Abstand höchste Reputation genießt unter den Landesparteien die CDU (2,0), was sich auch mit ihrer Leistungsbilanz erklärt: Für ihre Arbeit in der schwarz-rot-grünen Koalition bekommt die CDU (erheblich) bessere Noten als SPD oder Grüne.
Das Fundament für den CDU-Erfolg legt einmal mehr die beteiligungsstarke Generation 60plus, wobei sich das symptomatische Altersgefälle nochmals verschärft: Bei den ab 60-Jährigen kommt die CDU auf 44 Prozent, bei den unter 30-Jährigen erreicht sie nur 17 Prozent. In letzterer Gruppe sind Grüne und FDP zweistellig und in der Summe auch die sonstigen Parteien stark. Die AfD punktet vor allem in den mittelern Altersgruppen, hinzu kommt ein massiver Gender-Gap: Unter Wählerinnen erreicht die AfD 18 Prozent, bei Wählern sind es 29 Prozent, wobei die AfD bei den 30- bis 59-jährigen Männern besonders viel Zuspruch erfährt.
Inhaltlich überzeugt die CDU beim Top-Thema „Corona“ ebenso wie bei „neue Jobs“, „Wirtschaft“ oder „Infrastruktur“. Relative Defizite hat sie – neben „Bildung und Schule“ – beim „Klimaschutz“. Allerdings gibt es für 75 Prozent in Sachsen-Anhalt „viel wichtigere Probleme als den Klimawandel“. Für 61 Prozent werden die „Ostdeutschen wie Bürger zweiter Klasse“ behandelt, um deren Interessen sich die Linke für 48 Prozent „nicht mehr genug kümmert“.
Im Land gut aufgehoben fühlen sich die Bürger in der Corona-Krise: Das Krisenmanagement der Landesregierung bewerten 65 Prozent positiv, das der Bundesregierung aber nur 46 Prozent. Die Kanzlerkandidaten spielten – trotz großer Unterschiede beim Image (+5/-5-Skala: Laschet 0,4, Scholz 1,2, Baerbock minus 1,1) – nur eine nachgeordnete Rolle, zumal die Landtagswahl für 76 Prozent „noch lange nichts über den Ausgang der Bundestagswahl aussagt“ und der bundespolitische Einfluss auch insgesamt etwas schwächer ausfällt als bei der letzten, von der Flüchtlingskrise überlagerten Landtagswahl.
Letztendlich war für 37 Prozent (2016: 45 Prozent) der Wähler/innen die Bundespolitik entscheidend, aber für 55 Prozent (2016: 49 Prozent) die Politik in Sachsen-Anhalt. Hier wird als nächste Regierung ein CDU-AfD-Bündnis besonders häufig abgelehnt (gut/schlecht: 22 bzw. 71 Prozent). Viel Distanz gibt es auch gegenüber einer „Jamaika“-Koalition aus CDU, FDP und Grünen (20 bzw. 62 Prozent), eine erneute „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen wird mehrheitlich ebenfalls nicht gewollt (32 bzw. 52 Prozent). Das Novum einer CDU-SPD-FDP-Koalition würde eher polarisieren (40 bzw. 36 Prozent) – in einem Bundesland, in dem bei gewohnt schwierigen Mehrheitsverhältnissen unkonventionelle Bündniskonstellationen fast schon zur Tradition gehören.
Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.471 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Sachsen-Anhalt in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 15.788 Wähler/innen am Wahltag.
Quelle: www.forschungsgruppe.de
Autor dieser Analyse ist die Forschungsgruppe Wahlen.