Mosbach / Metropolregion Rhein-Neckar – Am Mittwoch, den 21. Januar 2009 fanden die 2. Mosbacher Campus Gespräche in der Alten Mälzerei in Mosbach statt. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Ulm, referierte zum Thema „Tatort Bildschirm – Wie Fernsehen und Computer die Gesellschaft verändern”.
Die Berufsakademie Mosbach hat sich mit den Mosbacher Campus Gesprächen zum Ziel gesetzt, renommierte Referenten zu aktuellen, gesellschaftspolitisch relevanten Themen zu engagieren und eine Plattform für Diskussion zu bieten. Knapp 600 interessierte Besucher kamen, um den Ausführungen des durch zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher bekannt gewordenen Medienkritikers zu folgen. Dieser überraschte gleich zu Beginn mit dem Statement „Ich sitze den ganzen Tag am PC und habe eine eigene Fernsehsendung“. Damit war allen, die einen engstirnigen Gegner aller Bildschirmmedien erwartet hatten, der Wind aus den Segeln genommen. Eloquent, kurzweilig und leicht verständlich schlug Spitzer den Bogen von Hirnforschung und Lerntheorie, über aktuelle Forschung zum Medienkonsum bis hin zu den drastischen Folgen, die übermäßiges Fernsehen und Computerspielen haben können.
Lernen, das war die gute Nachricht des Experten, passiere unwillkürlich und immer. Die entscheidende Frage sei jedoch, so Spitzer, was man lerne. Permanent werden Impulse in den unendlich vielen Synapsen des menschlichen Gehirns weitergegeben. Je mehr gleichartige Impulse ausgelöst werden, desto leichter laufen diese und so entsteht ein Lerneffekt. Sieht man zur Entspannung viel fern und geht davon aus, dass sich das Gehirn in dieser Zeit entspannen und die Lernleistung einstellen würde, irrt man. Denn die Informationen aus Werbespots werden genauso gespeichert, wie z.B. Gewaltszenen in Filmen oder Berichten. Nicht ohne Grund wurde in England, wo Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ein gravierendes Problem darstellt, an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Nahrung verboten.
Eine Ausnahme im Lernprozess stellen Säuglinge bis zwei Jahre dar. Auch diese lernen immer, allerdings anders als ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene. „Säuglinge lernen ganzheitlich“, erläuterte der Spezialist. Sie nehmen mit allen Sinnen gleichzeitig wahr, tasten, hören, riechen und schmecken. Zahlreiche Studien der letzten Jahre haben ergeben, dass Säuglinge beim Fernsehen Ton- und Bildimpuls nicht als zusammengehörig erkennen. Ein reiner Bild- oder Tonreiz jedoch interessiert und erreicht sie kaum. Spitzer stellte Experimente vor, durch die getestet wurde, was Säuglinge beim Medienkonsum lernen, und die erschreckenden Ergebnisse zeigen: nichts. Dies sei, so der Hirnforscher, besonders problematisch, da in den ersten Lebensjahren die entscheidenden Grundlagen für die spätere Bildung gelegt würden. Säuglinge, die in den Wachphasen mit Medien konfrontiert würden und keine anderen Reize angeboten bekämen, blieben deutlich hinter ihren geistigen Möglichkeiten zurück.
Auch im Kindergartenalter sei eine anregende Umgebung, die Neugier wecke, und der Kontakt zu anderen Kindern der Entwicklung viel förderlicher als Medienkonsum, egal, wie wertvoll eigentlich die vermittelten Inhalte seien, erklärte Spitzer.
Er ist überzeugt, dass selbst in der Schule die Einführung von EDV-Kursen nicht sinnvoll sei. Seiner Meinung nach sei vielmehr wichtig, die notwendigen Grundlagen zu vermitteln, auf die aufbauend eine verantwortungsvolle und zielführende Nutzung des Internets und anderer Medien ermöglicht würde.
Bildung ist sowohl für die ethische als auch für die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft eminent wichtig. Da die Nutzung von Bildschirmmedien die geistige Leistungsfähigkeit der Menschen nachhaltig beeinflusse, müsse der Konsum von Bildschirmmedien bei Kindern drastisch eingeschränkt werden, schlussfolgert Spitzer.
Die Besucher der Campus Gespräche, das ging aus Fragen an den Referenten und den anschließenden Gesprächen hervor, waren beeindruckt und überzeugt. Aus manchem Mosbacher Kinderzimmer wird wohl bald der Fernseher verbannt, Sendungen werden noch gezielter ausgewählt und die Kinder zu anderen Beschäftigungen motiviert.
Die Veranstaltung wurde mit freundlicher Unterstützung der MPDV Mikrolab GmbH, der Sparkasse Neckartal-Odenwald, der Stadt Mosbach, der Volksbank eG Mosbach und in Kooperation mit der Stiftung Pro Berufsakademie Mosbach realisiert.