Neustadt / Rhein-Neckar – Der Neustadter Oberbürgermeister Löffler reagiert mit Offener Brief auf die angekündigte Schließung des Telecom Call-centers
HerrnRené Obermann Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AGFriedrich-Ebert-Allee 14053113 Bonn 19.August 2008Sehr geehrter Herr Obermann,
ich wende mich heute an Sie, da ich von einem Mitarbeiter der Deutschen Telekom AG offiziell informiert wurde, dass Ihr Call-Center in Neustadt an der Weinstraße von den aktuellen Schließungsplänen unmittelbar betroffen ist. Sie tun damit einen weiteren Schritt dahin, unsere Stadt nach und nach zu einem weißen Fleck auf Ihrer Konzern-Landkarte werden zu lassen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht nicht um kleinkariertes lokales Politikerdenken. Auch wir sind schon lange gewohnt, genauso wirtschaftlich und strategisch wie Unternehmen zu denken. Aber unser aller Handeln unterliegt stets einer Plausibilitätskontrolle. Daran gemessen sind die Schließung des Call-Centers hier vor Ort und eine angebliche Konzentration in Ludwigshafen am Rhein nicht nachzuvollziehen.
Call-Center, sehr geehrter Herr Obermann, kann man inzwischen überall auf der Welt betreiben. Die Amerikaner machen es uns vor. Sie verfügen hier in Neustadt an der Weinstraße im eigenen einstmals so stolzen Telekom-Turm über ausreichende räumliche Kapazitäten und auch die Kostenstruktur ist hier vor Ort sicherlich günstiger. Auch die ins Feld geführte Arbeitsplatzgarantie ist für mich als Argument nicht durchschlagend. Unter diesen neuen erschwerten Bedingungen werden viele Arbeitnehmer gezwungenermaßen (un-)freiwillig ausscheiden. Sie berücksichtigen dabei nämlich nicht die entstehenden sozialen Härten, die für eine Vielzahl der Teilzeitbeschäftigten – in Neustadt an der Weinstraße sind es zu 70 % Frauen – entstehen. Diese leisten nebenbei häufig noch wichtige Aufgaben wie Kinderbetreuung oder die Pflege von Familienangehörigen, gesellschaftlich wichtige und erwünschte Tätigkeiten, die dann kaum noch möglich wären.
Wo sind die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, den Neustadter Standort zu schließen und wo die alternativen Nutzungskonzepte? Ich appelliere an Sie, sich nicht aus der sozialen Verantwortung für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszustehlen. Prüfen Sie noch einmal ernsthaft den Erhalt des Call-Center-Standortes Neustadt an der Weinstraße. Ich unterstütze Sie dabei gerne und stehe auch für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Und noch etwas zum Schluss möchte ich nicht unerwähnt lassen: Ich habe bisher immer auch nach außen hin mit Nachdruck vertreten, dass die Neustadter Stadtverwaltung als Kundin bei der Deutschen Telekom verbleibt und dabei auf den Zusammenhang mit dem Telekom-Standort Neustadt an der Weinstraße verwiesen. Mit der Schließung des Call-Centers im Telekom-Turm entziehen Sie mir für die Zukunft aber quasi diese Argumentationsgrundlage. Sie wissen selbst, wie viele Anbieter es auf dem Telekommunikationsmarkt inzwischen gibt. Erklären Sie mir, warum ich mit unserer Stadtverwaltung und einem Jahresumsatz im sechsstelligen Eurobereich noch Kundin bei Ihnen bleiben soll.
Einen Abdruck dieses Schreibens habe ich an Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Herrn Ministerpräsidenten Kurt Beck übersandt.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Hans Georg Löffler