Wald-Michelbach/Metropolregion Rhein-Neckar. Erstmals war je eine Flüchtlingsfamilie bei zwei Kursen für Familien im Odenwald-Institut der Karl Kübel Stiftung eingeladen. Die Seminarleitenden berichten von Herausforderung und Bereicherung. Wald-Michelbach. Was man alles spielen kann: Die Hoffnung und die guten Ideen, einen Mond, der zum Huhn wird und begeistert umher flattert, Steine die lebendig werden – alles ist möglich mit Jeux Dramatiques, dem Ausdrucksspiel. „Ihr müsst nichts müssen wollen müssen“, leitet Seminarleiter Tamer Karayel ein, nachdem alle über die Geschichte abgestimmt haben. Nahid meldet sich freiwillig zum Lesen. Die Mutter der afghanischen fünfköpfigen Gastfamilie genießt es, vorlesen zu dürfen, so kann sie die deutsche Sprache üben. Auch die beiden Schulkinder mit zehn und elf Jahren bringen sich mit viel Freude ein. Dem Vater fällt das schwerer, dafür beteiligt er sich mit leuchtenden Augen am Mayafeuer und bereitet am Nachmittag gemeinsam mit seiner Frau ein afghanisches Abendessen vor. Die Seminarleitenden Tamer und Teresa Karayel, selbst eine deutsch-türkische Familie, nahmen sofort die Herausforderung an, in ihrem Kurs eine geflüchtete Familie aufzunehmen. Mit Hilfe der „Schwarmintelligenz“ – also mit allen Anwesenden – gestalteten sie die Woche auf der Tromm. Geschichten lebendig werden lassen, Rituale, Wanderungen, Natur – dies alles ermöglicht, Erlebtes in Sprache zu fassen, gemeinsam Werte zu entdecken, voneinander zu lernen über Persönliches, Lebensrealitäten, Politisches und Gesellschaftliches. Die Fantasie lässt viel Raum für gemeinsame Entwicklung.
Sprache als größte HerausforderungDie größte Herausforderung war die Sprache – dies berichten auch Andrea Marschall-Schneider und Rudolf Petersen, in deren Kurs eine Teilfamilie aus Eritrea war. Der Mutter mit zwei Kindern im Alter von vier und sieben Jahren fällt der Abschied nach vier Tagen schwer: „Ihr seid jetzt meine Familie“. Mit einem Boot sind sie nach Europa gekommen, der Vater verschollen. Seit vier Monaten leben sie nun in Südhessen, betreut vom Asylkreis Dieburg. Die Tochter mit sieben Jahren geht in die Schule, übernimmt die Verständigung, die Mutter Atsede spricht etwas Englisch. Für den Jungen mit vier Jahren ist es am schwierigsten, er spricht und versteht weder Deutsch noch Englisch. „Das erschwert und verlangsamt natürlich den Kurs“, sagt Marschall-Schneider. Doch Backen, Gestalten, Schmücken oder Toben geht auch ohne Sprache. Und dann gibt es Szenen wie die mit der Spinne: Während die einen diskutieren, was mit einer Spinne geschehen soll, löst Atsede das Problem mit ihrem Schuh … Am Ende ist Konsens: Die junge Familie aus Eritrea war für alle bereichernd. „Sie haben unsere Herzen berührt“, sagt Marschall-Schneider.
„Die Erfahrung mit den Familien und bereits 2015 mit Projekten für geflüchtete Jugendliche hat uns bestärkt. Wir wollen weiter zur Integration von geflüchteten Menschen beitragen mit dem, was wir im Odenwald-Institut am besten können: einen Raum schaffen für Begegnung, Austausch, miteinander und voneinander lernen“, sagt die bildungsverantwortliche Institutsleitende Dr. Sigrid Goder-Fahlbusch. Mit dem Asylkreis Dieburg ist die Idee entstanden, asylsuchenden Familien zu einem Kurs einzuladen. Dazu wählt der Asylkreis Familien aus, die bereits Deutsch sprechen, übernimmt die Fahrt, während das Odenwald-Institut die Kosten für den Aufenthalt trägt. In anderen Familienkursen werden künftig weitere Plätze für Gastfamilien angeboten.Das Programm für Familien ist abrufbar unter „Forum Familie“ auf www.odenwaldinstitut.de, oder kann angefordert werden unter Telefon 06207 605-0, E-Mail info@odenwaldinstitut.de.
Das Odenwald-Institut (OI)Als Teil der Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie bietet das Odenwald-Institut seit 1978 werteorientierte Seminare, Aus- und Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte, Paare, Familien, Kinder und Jugendliche sowie Tagungen. Unternehmen und Organisationen erhalten maßgeschneiderte Konzepte sowie individuelle Prozessbegleitung. Drei Programme erscheinen jährlich: Forum Familie, Kompetenz und Persönlichkeit sowie Karl Kübel Akademie für Führung, Personalentwicklung und Coaching. Seit 2015 leistet das Bildungsinstitut mit Projekten für geflüchtete Jugendliche und seit 2016 für Flüchtlingsfamilien einen Beitrag zur Integration von Menschen aus Krisengebieten.Das Odenwald-Institut ist gemeinnützig, zertifiziert von Weiterbildung Hessen und Kooperationspartner des Landes Hessen beim Bildungs- und Erziehungsplan (BEP) sowie in der Jugendbildung des Kreises Bergstraße. Viele Angebote sind von Verbänden zertifiziert, als Bildungsurlaub anerkannt sowie als berufliche Bildung über Bildungsprämie oder Länderprogramme förderfähig.