Mannheim/Metropolregion Rhein-Neckar. Selbst in den Niederlanden galt Rotterdam lange als langweilig. In den letzten zehn Jahren hat sich das Bild jedoch gewandelt und aus der ehemaligen gesichtslosen Hafenmetropole im Rheindelta wurde eine der spannendsten Städte der Welt. Wie dieser Wandel gelang, erläuterte der ehemalige Stadtbaudirektor in der Vortragsreihe Baukultur im Werkhaus des Nationaltheaters am Mittwochabend, 26. Oktober, vor zahlreichen Gästen.„Mannheim und Rotterdam haben mehr gemeinsam als die Lage am Rhein. Beide Städte befinden sich an einem Wendepunkt“, erklärte Dr. Martina Kubanek als Leiterin des Baukompetenzzentrums in ihrer Begrüßung. „Wir erhoffen uns Anregungen für die Entwicklung unserer innerstädtischen Flächen“, sagte sie. Mit Martin Aarts, der heute noch strategischer Berater für Stadtentwicklung in Rotterdam ist, wurde dafür ein kompetenter Ansprechpartner gewonnen. Und der Architekt gab in seinem Vortrag „Das Erbgut der Stadt im Fokus der Stadtentwicklung“ Antworten.
„Man muss die Vergangenheit verstehen, um Schlüssel für eine glaubwürdige Zukunft zu finden. Je mehr Vergangenheit, desto mehr Zukunft“, lautete einer seiner einfachen Schlüsse. So habe sich die im zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstörte Stadt Rotterdam für die Neuerfindung an ihrem mittelalterlichen Erbe orientiert. An ihrem eigenen Erbe wohlgemerkt. „Wir wollten keine Beispiele aus anderen Städten.“ Angestoßen hatte Aarts die Entwicklung bereits 1985 mit einer provokanten Frage an seine Stadtoberhäupter: „Dürfen in einer Innenstadt auch Leute wohnen?“ Seine Hintergedanken dazu verriet er in Mannheim: „Leute gehen dahin, wo Leute sind. Deshalb sollten wir inspirierende Orte bauen, die Menschen anziehen.“ Dafür habe er sich gezielt mit Menschen unterhalten. Mit Innenstadtbewohnern, immer auf der Suche, was Menschen anzieht. „Entwickler wissen normalerweise nicht, was Menschen wollen. Sie wissen nur, was sie verkaufen wollen.“ Und dabei seien gerade die Innenstädte ein sehr sensibler Bereich. „Sie prägen das Bild der gesamten Stadt“, so Aarts.
Die Antworten, die er dafür in Rotterdam gefunden habe, umfassen einfache Punkte: „Verdichten und mehr Grün.“ Das hatte in Rotterdam wundersame Wirkung: „Wir haben weniger Autoverkehr, eine bessere Nutzung des ÖPNV, der öffentlichen Orte und der Kultureinrichtung und, das hat mich auch überrascht, es sind mehr Arbeitsplätze entstanden.“ Den letzten Anschub für die Veränderung gab die Immobilienkrise im Jahr 2008, die von den Niederländischen Stadtplanern als große Chance erkannt und genutzt wurde, verriet Aarts in Mannheim und verabschiedete sich mit seinem Credo: „Belebte Innenstädte brauchen Menschen, die gerne in den Innenstädten leben wollen.“
Dieser Vortrag mit dem Titel „Das Erbgut der Stadt im Fokus der Stadtentwicklung“ war Teil der Vortragsreihe Baukultur des Baukompetenzzentrums der Stadt Mannheim in Zusammenarbeit mit dem BDA Bund Deutscher Architekten und dem MEA Maison européenne de l’architecture. Die anschließende Podiumsdiskussion mit Prof. Maren Harnack gab zudem Raum zum Austausch und zur Diskussion.
Der nächste Vortrag findet am Mittwoch, 14. Dezember, um 19 Uhr, im Nationaltheater, Lobby Werkhaus, Mozartstr. 9, statt. Dirk Lohaus, stellvertretender Geschäftsführer und Projektleiter der IBA Basel, erläutert, wie die Internationale Bauausstellungen in Basel den gemeinsamen Nutzen von Projekten über Grenzen hinweg umsetzt und so der Region zu mehr Dynamik verhilft. Der Vortrag läuft unter dem Titel „IBA Basel – Gemeinsam über die Grenzen wachsen“. Anmeldungen werden bis zum 7. Dezember unter baukultur@mannheim.de angenommen.