Ludwigshafen/ Metropolregion Rhein-Neckar.
Ein ganz besonderer Gast gab sich am Donnerstag, dem 15. Oktober 2015, am renommierten Ostasieninstitut der Hochschule Ludwigshafen am Rhein die Ehre: Naoto Kan, ehemaliger Ministerpräsident Japans und unmittelbarer Zeitzeuge sowie entscheidender Akteur beim Katastrophenmanagement des Fukushima-Atomunglücks im März 2011, stellte gestern im voll besetzten Tokyo/ Beijing-Saal des Ostasieninstituts sein gerade auf Deutsch erschienenes Buch „Naoto Kan – Als Premierminister während der Fukushima-Krise“ vor. Kan, der durch die Ereignisse in Fukushima vom Atomkraftbefürworter zum entschiedenen Gegner der „unbeherrschbaren Technologie“ geworden ist, gab dabei nicht nur minutiös Einblick in die unmittelbaren Tage nach dem verheerenden Erdbeben und den beiden Tsunamis, sondern nahm auch kritisch Stellung zur aktuellen Energiepolitik in Japan. Der ehemalige Premierminister stellte sich aber auch
den Fragen seiner sehr interessierten Zuhörer – sowohl im gemeinsam mit dem BUND Naturschutz ausgerichteten Pressegespräch, als auch im Anschluss an seinen öffentlichen Vortrag.
Am 15. Oktober 2015 war der ehemalige Ministerpräsident Japans (Juni 2010 bis September 2011), Naoto Kan, am renommierten Ostasieninstitut (OAI) der Hochschule Ludwigshafen zu Gast und sprach im bis auf den letzten Platz besetzten Tokyo/ Beijing-Saal über das Katastrophenmanagement nach den
verheerenden Naturkatastrophen und das dadurch verursachte Reaktorunglück sowie über die aktuelle Energiepolitik der japanischen Regierung. Das verheerende Erdbeben, die beiden Tsunamis und das dadurch ausgelöste Reaktorunglück im Atomkraftwerk Fukushima fielen in seine Amtszeit und ließen den ehemaligen Atomenergiebefürworter zum engagierten Kritiker werden. Gerade ist sein Buch „Als Premierminister während der Fukushima-Krise“ in einer Übersetzung von Prof. Dr. Frank Rövekamp, Leiter des Ostasieninstituts, auf Deutsch erschienen. Das Buch wird heute auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt.
Vor seinem Vortrag warb Naoto Kan in einem gemeinsamen Pressegespräch mit Professor Hubert Weiger, Präsident des BUND, für einen Ausstieg aus der Atomenergie und für eine konsequente Fortführung der Energiewende in Deutschland. „Vor dem Unfall dachte ich, dass ein Unglück wie im russischen Tschernobyl aufgrund der hohen technischen Standards in Japan nicht möglich sei. Nach der Katastrophe habe ich meine Meinung innerhalb kürzester Zeit um 180 Grad geändert“, sagt Kan, der wie Angela Merkel ebenfalls studierter Physiker ist. Er ergänzt: „Die Beherrschbarkeit der Atomenergie ist ein Mythos, der sich nicht
bewahrheitet hat.“ Umso wichtiger sei es daher, nun auf alternative Energien zu setzen. Kan, wie auch Weiger, sahen es dabei als durchaus realistisch an, dass „es bis Ende dieses Jahrhunderts weltweit keine Atomkraftwerke mehr gibt“ – wenn der politische Wille dazu bestehe. Dass die Energiewende in Deutschland gelänge, sei als Signal für die anderen Länder, die diesen Prozess mit großer Skepsis betrachteten, von äußerster Wichtigkeit, so
Kan. Unterstützung erhält Kan bei seinem Engagement von Hubert Weiger und dem rheinlandpfälzischen Umweltstaatssekretär Dr. Thomas Griese, der das Grußwort der Landesregierung überbrachte. „Das ist der Weg der Zukunft“, zeigten sich beide überzeugt. „Ihre Geschichte berührt uns alle tief und hat unser politisches Handeln in den le tzten Jahren beeinflusst“, sagte Griese und unterstrich die Entschlossenheit der Politik in Deutschland,
den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 100 Prozent zu steigern.
Auch Naoto Kan setzt für Japan auf regenerative Energien, vor allem auf den Ausbau der Solarenergie, um langfristig Atomenergie und auch fossile Brennstoffe im Energiemix zu reduzieren oder gar zu ersetzen. Darin sehe er nicht nur ökologische, sondern vor allem auch
ökonomische Vorteile, so Kan. Die Kosten für den Rückbau alter Kernkraftwerke oder die Endlagerung sowie die Maßnahmen im Falle einer Katastrophe ständen in keinem Verhältnis zu den, wenn auch beträchtlichen, aktuellen Gewinnmargen. Zudem bedeute der Verzicht auf fossile Brennstoffe oder Atomenergie für jedes Land, das darauf setze, Energieautarkie. Gleichwohl gestaltet sich die Situation in Japan in dieser Hinsicht derzeit nicht optimal.
Gerade sind nach mehrjähriger Pause wieder die ersten Meiler ans Netz gegangen. Für den proatomaren Kurs der derzeitigen Regierung macht Naoto Kan vor allem die nach wie vor enge Verflechtung von Energiewirtschaft und Regierung verantwortlich, „das Atomdorf“, und deren massive Lobbyarbeit.
Kan, Naoto
Als Premierminister während der Fukushima-Krise
Aus dem Japanischen von Frank Rövekamp
München: IUDICIUM-Verlag 2015
ISBN 978-3-86205-426-8
165 S., kt.
EUR 14,80