Mannheim/Metropolregion Rhein-Neckar.Der älteste Patient im CT: Mumie wird im Theresienkrankenhaus gescannt
Dr. Harald Rotert, leitender Oberarzt im Mannheimer Theresienkrankenhaus, schmunzelt: „Das ist definitiv der älteste Patient, den wir je hier am Haus hatten“. Kein Wunder, ist der Körper, den die Radiologen im CT durchleuchten werden, doch mehr als 2.000 Jahre alt. Es ist eine Mumie aus dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, über deren Schicksal die hochauflösenden Bilder aus dem Tomographen weiteren Aufschluss geben sollen.
Annika Potzgalski ist freie Mitarbeiterin des Landesmuseums und schreibt derzeit an ihrer Doktorarbeit. Ein Bestandteil derer ist die Geschichte der Mumie, die kurz Hüpsch-Mumie genannt wird, weil sie Anfang des 19. Jahrhunderts zur Sammlung des Baron von Hüpsch gehörte. Viel ist bisher nicht über sie bekannt, aber genug, um der Wissenschaftlerin einige Anhaltspunkte für ihre weitere Recherche zu geben. Die Mumie stammt ursprünglich aus Ägypten. Darauf deuten der Sarkophag hin, in dem sie lag, sowie einige Amulette, die als Grabbeigaben gefunden wurden. Das genaue Alter wird erst eine nachfolgende C14-Datierung und eine DNA-Analyse ergeben, die Annika Potzgalski noch durchführen wird. Aber sie vermutet das 1. Jahrhundert vor Christus, in dem die Mumie noch ein lebender Mensch war. Im 17. Jahrhundert wurde sie vermutlich von Grabräubern entdeckt, von Händlern nach Europa gebracht und dort an Sammler oder – was wahrscheinlicher ist – an Apotheker verkauft, die daraus Mumia herstellen wollten. Fein zermahlenes Mumienpulver galt damals als Allheilmittel, das angeblich gegen jede Krankheit helfen konnte und als Aphrodisiakum wirksam war. Dieses Schicksal blieb der Mumie aber erspart. Sie landete 1797 im Besitz des Barons von Hüpsch und wurde einige Jahre später ins Zeughaus in Köln überstellt. Zuvor aber wurde dem Leichnam übel mitgespielt: Ein französischer Soldat hat der Mumie den Kopf abgeschlagen und sie mit Schlägen übersät. Folglich fehlen heute Unterkiefer, verschiedene Gesichtsknochen sowie Hals- und Brustwirbel. 1835 dann wurde die Mumie teilweise restauriert: Sie erhielt ein neues Gesicht aus Gips und wurde mit Nägeln in ihrem Sarkophag fixiert. In diesem Zustand übernahm Annika Potzgalski die Mumie und forscht weiter nach ihrem Schicksal. „Man entwickelt eine Beziehung zu der Person, welche die Mumie früher gewesen ist“, erläutert die Wissenschaftlerin ihre Arbeit. Deshalb war die Doktorandin froh, als sie die Möglichkeit erhielt, die Mumie am Theresienkrankenhaus durchleuchten zu können. Chefarzt Dr. Jochen Hansmann war sofort begeistert von der Anfrage: „Wir helfen gerne bei einer so spannenden Forschungsaufgabe. Außerdem hatten wir bereits eine Mumie im CT, damals vom Reiss Engelhorn Museum. Die war aber deutlich jünger“.
In Mannheim kommt die Mumie in einer speziell angefertigten Holzkiste an, geschützt durch eine Ganzkörper-Vakuum-Matratze. Darin eingehüllt wird sie auch ins CT gefahren. Der Scan dauert knapp eine Viertelstunde, dann warten alle – Wissenschaftler und Radiologen – gespannt auf die ersten Bilder. Und die sind gleichermaßen ernüchternd wie auch viel versprechend. Denn die Mumie hat noch weitere Schäden erlitten: Die Füße sind abgefallen, die Wirbelsäule fehlt ebenso wie auch die Hände. Die neuen Erkenntnisse werfen neue Fragen auf: Wieso wurden die Hände abgesägt? Wieso wurden die Verbände mit so vielen Nägeln fixiert? Rasch entwickelt sich eine aufschlussreiche Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Medizinern um mögliche Geschehnisse rund um die Mumie. Genauere Erkenntnisse werden die fertigen CT-Scans bringen. „Die Auswertung der Bilder wird sicherlich noch einige Tage dauern“, erklärt Dr. Rotert: „Wir werden mit der Computersoftware die einzelnen Bandagen und Pechlagen vom Körpergewebe und den Knochen lösen und so ein viel detailreicheres Bild vom Zustand der Mumie erarbeiten können.“ Dann, so erhoffen sich Annika Potzgalski und ihr Heidelberger Doktorvater Prof. Dr. Joachim Friedrich Quack, werden sich viele weitere Erkenntnisse über das Schicksal von Hüpsch Mumie ergeben – zum Beispiel, ob sie ein Mann oder eine Frau war. (ckl)