Ludwigshafen / Metropolregion Rhein-Neckar – Die Festwoche Türkei, die das Theater im Pfalzbau vom 20. bis zum 28. April 2012 zum siebten Mal veranstaltet, wartet in diesem Jahr mit einem vielfältigen Programm aus deut-schen und türkischen Theater- und Kulturveranstaltungen auf. Prof. Dr. Cornelia Reifenberg, Kulturdezernentin der Stadt Ludwigshafen, und die künstlerischen Leiterinnen des Festivals, Barbara Esser und Dr. Roswita Schwarz, stellten in einer Pressekonferenz das Programm der diesjährigen Festwoche vor. Das erneut unter der Schirmherrschaft von Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer stehende Festival enthält eine ganze Reihe zweisprachiger Veran-staltungen. Kulturdezernentin Prof. Dr. Reifenberg hob den damit einhergehenden integrati-ven Charakter der Veranstaltungsreihe besonders hervor. “Die Festwoche Türkei spielt eine wichtige Rolle bei der Einbindung der türkischstämmigen Bevölkerung in das kulturelle Le-ben unserer Stadt. Jedes Jahr warten die Menschen bereits mit Spannung auf das populäre Programm, das neben intellektuell anspruchsvollen Produktionen immer auch Kindertheater und volkstümliche Stücke zeigt. Das ist eine echte Bereicherung für uns hier – auch und gerade für die deutschen Besucher.”
Das Festival beginnt am Freitag, 20. April 2012 um 19.30 Uhr mit einem Auftritt der aus Funk und Fernsehen bekannten Kabarettistin Senay Duzcu. Die erste weibliche türkische Stand-up-Comedian Deutschlands betrachtet in ihrem Programm Türkisch delight die Kulturunterschiede zwischen Deutschen und Türken aus Sicht einer türkischen Frau und präsentiert de-ren Zweideutigkeit auf witzige Art und Weise mit herzerfrischender Ironie.
Das Tiyatro Kumpanyası aus Istanbul erinnert mit seiner Aufführung Can am Samstag, 21. April 2012 um 19.30 Uhr an den berühmten Dichter Can Yücel. Zum 85. Geburtstag des wortgewaltigen Lyrikers erzählt das von Genco Erkal geschriebene Drama in türkischer Sprache dessen Lebensgeschichte. Das aus Can Yücels Gedichten zusammengestellte Ein-Personen-Stück wird von Kemal Kocatürk gespielt, der auch Regie führte. Indem die Zu-schauer Can Yücels Lebenspfad folgen, werfen sie aus seiner Perspektive einen Blick auf die Entwicklungen der Türkei der letzten 40 Jahre. Der türkische Maler Mehmet Güleryüz gestaltete zusammen mit Kemal Kocatürk ein Video, das in die Aufführung integriert wird.
Unter dem Titel Menschenlandschaften präsentiert Osman Okkan, Vorstandssprecher und Mitbegründer des KulturForums TürkeiDeutschland in Köln, einen Teil seiner zweisprachigen Dokumentarfilmreihe Autorenportraits der Türkei, in der er die bedeutenden türkischen Auto-ren Nazım Hikmet, Yașar Kemal, Orhan Pamuk, Elif Șafak, Murathan Mungan und Aslı Erdoğan vorstellt. Die Ludwigshafener Zuschauer sehen am Sonntag, 22. April 2012 um 19.30 Uhr das Filmportrait der bekannten türkischen Autorin Aslı Erdoğan, die mit Romanen wie “Die Stadt mit der roten Pelerine” auch einem deutschen Publikum bekannt ist. Im An-schluss an den Film wird Osman Okkan im Gespräch mit der Autorin Fragen zu ihrem Werk erörtern. Aslı Erdoğan, Physikerin an der Bosporus-Universität in Istanbul, gewann 1990 den viel beachteten Yunus-Nadi-Preis und erhielt 2010 für ihren Roman »Tas Bin« den Sait-Faik-Literaturpreis, den bedeutendsten Literaturpreis der Türkei. In ihren Werken erkundet sie stets das Fremde, das Andere vor dem Hintergrund der türkischen Gesellschaft und der globalen Entwicklungen.
Mit ihrer zweisprachigen Aufführung Hexenwinter geht die Puppenspielerin Marianne Schoppan neue Wege im Bereich des interkulturellen Kindertheaters. Ihr zweisprachiges Stück für Kinder ab vier Jahren erzählt am Montag, 23. April 2012 um 9.30 und um 11 Uhr die Geschichte der kleinen Hexe Betula, die das Schlittenfahren und Schneemannbauen über alles liebt und sich wünscht, dass der Winter nie enden werde. Die Tiere im Wald su-chen hungrig im Schnee nach Futter und hoffen inständig, dass es bald wieder Frühling wird.
Mit einem weiteren zweisprachigen Kinderstück geht es am darauf folgenden Tag, Dienstag, 24. April 2012 um 10 Uhr weiter. Das Lustspiel für Kinder ab vier Jahren Aladin trifft Spon-ge-Martin stellt den kleinen Aladin vor, der immer im Mittelpunkt stehen und Aufmerksamkeit erregen, bewundert und gelobt werden will. Je mehr er sich in seinen Größenwahn hinein-steigert, desto einsamer wird es um ihn. Zum Glück erscheint im richtigen Moment Sponge-Martin, der Aladin dabei hilft, aus der Höhe auf den Boden zurückzukehren und wieder An-schluss an seine Freunde zu finden. Die amüsante Vorstellung in deutscher und türkischer Sprache enthält Tanz- und Musikeinlagen.
Am Abend des 24. April gastiert um 19.30 Uhr das türkische Theater Ülüm mit seinem Stück Ein Migrationsmärchen im Theater im Pfalzbau. Im Mittelpunkt der Handlungen steht die typisch türkische Familie Dasch. Um der Hetzerei von Sarrazin und seinen Anhängern entge-genzuwirken, beschließt Memet Dasch, dessen Stimme sonst nie zu den wichtigsten Medien vordringt, eine Pressekonferenz zu veranstalten. Umrahmt wird diese durch tragikomische Sketche, die die Abenteuer der Migranten der ersten Generation unterhaltsam vor Augen führen. Sie verdeutlichen, wie sehr doch Max Frisch Recht hatte mit seinen Worten “Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen”. In das unterhaltsame Stück in türkischer Sprache sind zum Verständnis immer wieder deutsche Passagen eingestreut.
Einen Höhepunkt der Festwoche Türkei stellt zweifellos am Mittwoch, 25. April 2012 um 19.30 Uhr und am Donnerstag, 26. April 2012 um 11 Uhr das Gastspiel des Berliner Ballhauses in der Naunynstraße mit Nurkan Erpulats und Jens Hilljes mehrfach ausgezeichnetem Stück Verrücktes Blut dar. Das schrille Schauspiel, das die Herzen der Zuschauer und Kritiker gleichermaßen im Sturm eroberte, erschließt das Migrationsthema packend, lebensecht und unverkrampft – es ist eine entwaffnend freche und überzeugende Entlarvung der gängi-gen Klischees in der gegenwärtigen “Islamdebatte” mit den Mitteln des Theaters. Einer Lehrerin, die gerade versucht, ihren disziplinlosen Schülern mit Migrationshintergrund Friedrich Schiller und seine idealistischen Vorstellungen vom Menschen nahe zu bringen, fällt eine Pistole in die Hände, eine echte. Kurz zögert sie, dann nimmt sie ihre Schüler als Geiseln und zwingt sie mit vorgehaltener Waffe, auf die Schulbühne zu treten und zu spielen. Denn allein Theater kann die Welt noch retten und heilen. Mit dieser Geiselnahme hebt nicht nur ein abgründiger Tanz der Genres vom Thriller über die Komödie zum Melodrama an, sondern auch die lustvolle Dekonstruktion aller vermeint-lich klaren Identitäten. Das Stück wurde zum Berliner Theatertreffen 2011 und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und von der Fachzeitschrift Theater heute zum Stück des Jahres 2011 gewählt.
Die bekannte Journalistin und Schriftstellerin Hilal Sezgin, die regelmäßig unter anderem Beiträge in der ZEIT, der taz, der Frankfurter Rundschau und der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, hält am Freitag, 27. April 2012 um 19.30 Uhr einen Vortrag im Gläsernen Foyer des Theaters. Unter dem Titel Zwischen Anwerbeabkommen und Nazi-Morden: Wie offen ist die deutsche Gesellschaft wirklich? erörtert sie Fragen zur offenen Gesellschaft, Deutschland als Einwanderungsland und dem immer wieder neuen Aufflackern des Rassismus.
Zum Ausklang der Festwoche Türkei ist es gelungen, am Samstag, 28. April 2012, 19.30 Uhr die bekannte Sängerin Melihat Gülses, eine der bedeutendsten Interpretinnen der klassi-schen türkischen Musik, nach Ludwigshafen einzuladen. Die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Künstlerin, die vom Publikum des Fernsehsenders TRT zur besten Sängerin 2011 in der Kategorie Türkische Kunstmusik gewählt wurde, entführt in ihrem Konzert Perâ 1930 ihre Zuhörer in die Zeit der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals war Perâ (heute Beyoğlu), ein Stadtteil von Istanbul, zum Zentrum der Kultur in der Türkei aufgestiegen. Be-kannte türkische Komponisten kombinierten in ihrer Musik westliche Rhythmen wie Foxtrott, Charleston, Rumba und Walzer mit türkischen Tänzen wie Hicaz, Rast, Nihavend, Segah und Hüzzam. Die Gesellschaft nahm diese Werke begeistert an, zu dieser Musik tanzte man in Cafés und Bars. Unter der musikalischen Leitung von Necip Gülses spielt das Perâ-Or-chester auf türkischen und europäischen Instrumenten.
Für Besucher, die mehrere Veranstaltungen der Festwoche Türkei besuchen möchten, lohnt sich wieder der Erwerb einer Tiyatro-Kültür-Karte. Hier erhält man vier Vorstellungen nach Wahl zum Preis von 32 Euro, ermäßigt 22 Euro.
Theaterkasse: Telefon: 0621/504-2558, Fax: 0621/504-2526, E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de.
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