Brühl/Metropolregion Rhein-Neckar – Deutscher Wetterdienst (DWD) ehrt Pflanzenbeobachter in Brühl – Albert Fichtner ist seit 40 Jahren phänologischer Beobachter
Ein besonderes Fest fand am 1. Oktober in Brühl statt: Albert Fichtner erhielt die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, weil er seit über 40 Jahren für den Deutschen Wetterdienst als phänologischer Beobachter in Brühl tätig ist. Die Auszeichnung überreichte im Repräsentationsraum des Brühler Rathauses Michael Gutwein, Leiter der Außenstelle Stuttgart der Regionalen Messnetzgruppe München des Deutschen Wetterdienstes, im Auftrag des Herrn Bundespräsidenten, Joachim Gauck. Gastgeber Bürgermeister Dr. Ralf Göck gratulierte als erster und tat dies später auch in Schwetzingen, als Kollege Dirk Elkemann den bekannten Brühler Bürger Albert Fichtner für seine 50jährige nebenberufliche Tätigkeit als „Wiesenhüter“ auszeichnete. „Die Schwetzinger Wiesen sind auch für Brühler Bürger ganz wichtig“, dankte Göck dem Wiesenhüter, und er schloss in seine Dankesworte auch Fichtners Ehefrau Frieda ein, die ihn in seinen vielfältigen Tätigkeiten stets tatkräftig unterstützt habe.
„40 Jahre sind eine sehr lange Zeit, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um eine Tätigkeit handelt, die Herr Fichtner stets ehrenamtlich durchgeführt hat. Dafür gibt es eine nur geringe Aufwandsentschädigung“, sagte Michael Gutwein. „Der „zusätzliche Verdienst“ kann es also nicht gewesen sein, der dazu geführt hat, dass er diese Beobachtertätigkeit bis heute wahrnimmt.“ Freude an der Natur und Interesse am naturwissenschaftlichen Geschehen müssen viel eher als Triebfedern angesehen werden.
Die Phänologie ist die Lehre von den Erscheinungsformen in der Pflanzenwelt. In phänologischen Beobachtungsdaten werden die Eintrittszeiten markanter, von Jahr zu Jahr wiederkehrender Entwicklungsstadien sowohl an ausgewählten wild wachsenden Pflanzen, als auch an Kulturpflanzen festgehalten.
Mehr oder weniger günstige Witterungsbedingungen können Pflanzen weitgehend ausgleichen, indem sie ihre Entwicklungsvorgänge beschleunigen oder verzögern. Die Pflanzen sind somit als ziemlich universale meteorologische „Registrier-instrumente“ anzusehen.
Seit 1936 werden bereits beim Deutschen Wetterdienst phänologische Beobach-tungsdaten gesammelt, ausgewertet und für verschiedene Problemstellungen über das Zusammenwirken von Witterung und Pflanzenentwicklung genutzt. In der Bundesrepublik beobachten zur Zeit etwa 1300 ehrenamtlich tätige phänologische Beobachter in einem festgelegten Gelände den Eintritt von klar definierten, sogenannten phänologischen Phasen. Das sind z. B. Blattentfaltung, Blüte, Fruchtreife und Laubverfärbung oder die Aussaat, Aufgang und Ährenschieben, Reifestadien und die Ernte. Insgesamt werden an 73 Pflanzenarten mehr als 200 Phasen im phänologischen Beobachtungsprogramm der Bundesrepublik festgelegt.
Ein phänologischer Beobachter ist als freiwilliger Helfer für den Deutschen Wetterdienst tätig; auf den Beobachtungsgängen, die während der Vegetation fast täglich durchgeführt werden, notiert der Mitarbeiter die Eintrittsdaten der jeweiligen Entwicklungsstadien in einem Beobachtertagebuch. Jährlich wird dann das Datengut auf einheitlichen Meldebögen zusammengestellt und an die Zentrale des DWD in Offenbach zur weiteren maschinellen Verarbeitung übersandt.
Es liegen phänologische Beobachtungsdaten der einzelnen Vegetationsjahre ebenso vor, wie z. B. die frühesten, spätesten und mittleren Daten bestimmter Ereignisse einer mehrjährigen Beobachtungsperiode; sie liefern die Grundlage für Auskünfte- Beratungen und wissenschaftliche Untersuchungen.
Mit den Daten lassen sich z. B. Aussagen zur Anbauplanung, des gezielten Pflan-zen¬schutzes, die Einführung neuer Kulturpflanzensorten, aber auch zum Einsatz und der Wirtschaftlichkeit neuer Maschinen und Arbeitsmethoden treffen.
Neben dieser Verwendung von phänologischen Beobachtungsergebnissen werden – insbesondere zur laufenden meteorologischen Beratung – auch schnelle Informa¬tionen über die Witterungsentwicklung auf die Pflanzenentwicklung benötigt. Dazu gibt es den „Sofortmeldedienst“, bei diesem Dienst melden ca. 460 Beobachter bundesweit die Eintrittszeit von 60 wichtigen Pflanzen sofort an den Deutschen Wetterdienst. Dieser Sofortmeldedienst weist eine gewisse Konzentration in den landwirtschaftlichen intensiv genutzten Gebieten auf. Die Sofortmeldedaten informieren in nur wenigen Tagen über den aktuellen Entwicklungsstand einiger Pflanzen bzw. Pflanzengruppen. Diese Daten sind somit wichtige Arbeitsgrundlage für agrarmeteorologische Warndienste zum Pflanzenschutz. Phänologische Sofortmeldungen finden aber auch bei Entscheidungshilfen Berücksichtigung, so z. B. der Obstblüte, bei Maßnahmen der Imker, aber auch für die Beratung von Photographen und Reisebüros. Auch für den Pollenflug, der seit Jahren in Zusammenarbeit mit Krankenhäusern erstellt wird, spielen Sofortmelder eine wichtige Rolle.
Wichtige Voraussetzungen für die Tätigkeit eines phänologischen Beobachters sind Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit bei den Beobach¬tungen, Eintragungen und Meldungen. Fehlerhafte Daten sind gefährlich, weil sie bei der Vielfalt der Witterungs- und Entwicklungsabstufungen in unserem reich ge¬gliederten mitteleuropäischen Klimaraum zuweilen unerkannt bleiben und zu Fehl¬schlüssen in den vielfältigen Anwendungsbereichen phänologischer Daten führen können. Albert Fichtner habe hingegen vorbildlich gearbeitet und verdiene diese Auszeichnung, so Michael Gutwein abschließend, bevor er Albert Fichtner die Medaille ans Revers heftete.
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Michael Gutwein (links) überbrachte die Verdienstmedaille des Bundesverdienstkreuzes an Albert Fichtner (3.v.l.), Bürgermeister Göck schloss auch Frieda Fichtner in seine Dankesworte ein.
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