Mannheim / Rhein-Neckar – Jugendliche organisieren Rikscha-Tour durch die Quadrate
Noch hat Antje Wagner nicht alle Koffer ausgepackt. Aber einen ersten Überblick über Mannheim, den hat sie sich schon aus ihrem neuen Zuhause, der Wohnung im Turm der Alten Feuerwache, verschafft. Mannheim ist für die nächsten drei Monate der Lebensmittelpunkt für die Preisträgerin des Feuergriffels, dem Stadtschreiberstipendium für Kinder-und Jugendliteratur. In dieser Zeit will die Schriftstellerin an einem Jugendbuch arbeiten und da soll natürlich viel Mannheim drin stecken. Damit das auch gelingt, haben Jennifer Neumann (18 Jahre) sowie ihre Schwester Virginia Neumann (15 Jahre) und deren Freundin Aileen McMahon (16 Jahre) Antje Wagner zu einer Stadtrundfahrt durch Mannheim eingeladen, die sie selbst geplant haben. “Wir hoffen, dass Antje Wagner bei der Tour viele Ideen für ihren Roman bekommt”, so Jennifer, die auch schon in der Jury saß, die den Feuergriffel vergab. Begeistert von der Aktion der drei Mädchen zeigte sich Bildungsbürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer: “Das zeigt, dass dieses nach wie vor in Deutschland einmalige Stadtschreiberstipendium für Kinder-und Jugendliteratur von den Jugendlichen mitgetragen wird und ihr Interesse daran, ihre Stadt im Roman auch wiederzufinden”.
Los ging die Sightseeing-Tour am Dalbergplatz in N, 2. Antje Wagner staunte nicht schlecht, denn damit es besonders lustig und kommunikativ wird, haben sich die drei für Rikschas als Fortbewegungsmittel entschieden. Über die Planken ging es vorbei am Marktplatz zu ersten Station, dem Quadrat G 7. Bei diesem Stopp wurde Antje Wagner die Struktur der Quadrate erklärt und sie erfuhr, dass die heutige Zählung der Quadrate mit Buchstaben und Ziffern im Jahr 1811 eingeführt wurde und wie man sich, ausgehend vom Schloss, zwischen den Quadraten zurechtfindet. Und weiter ging es mitten durch die Stadt zum Schloss, das für die drei jungen Mannheim-Expertinnen zum schönsten Ort der Quadratestadt gehört. Hier konnten sie der Autorin viel Wissenswertes über die beiden Erbauer die Kurfürsten Karl Philipp und Karl Theodor bis hin zur heutigen Nutzung des Schlosses als Universität berichten. Natürlich darf bei einer ersten Mannheim Besichtigung das Wahrzeichen schlechthin, der Wasserturm, nicht fehlen. Für Jennifer und ihre Freundinnen der schönste Platz in der Innenstadt an heißen Tagen. “Erbaut wurde er 1889. Der Turm ist 60 m hoch, hat einen Durchmesser von 19 m und diente bis zum Jahr 2000 der Trinkwasserversorgung als Reserve-Hochbehälter”, weiß Jennifer.
Zum Abschluss der Tour zeigte das Trio Antje Wagner noch – sozusagen als kleinen Geheimtipp – das Cafe “Im Juli, denn hier gibt es nach Aussage der drei leckere Kaffeespezialitäten. Beim gemeinsamen Kaffeetrinken verriet Antje Wagner noch ein paar Ideen zu ihrem geplanten Roman. “Ich bin ganz begeistert von der Tour, die habt ihr toll zusammengestellt”, lobte die Neu- Mannheimerin. “Von diesen besonderen Eindrücken wird sich bestimmt etwas in meinem Roman wiederfinden”, so Wagner.
Zahlen, Daten, Fakten:
Insgesamt gab es für den Feuergriffel 2008/2009 59 Bewerbungen. Beim ersten Durchgang 2006/2007 waren es 43 Bewerbungen.
. 36 Frauen haben sich beworben.
. 23 Männer haben eine Bewerbung geschickt.
Aus dem ganzen Bundesgebiet haben junge Autorinnen und Autoren ihre Bewerbungen für den Feuergriffel eingereicht. Auffallend dabei war, dass allein 13 Bewerbungen aus dem Berliner Raum kamen. Damit festigt sich der Ruf Berlins als Hauptstadt einer neuen, jungen Literaturszene. Darüber hinaus kamen jeweils zwei Bewerbungen aus der Schweiz und aus Österreich. Den weitesten Weg, nämlich 11.000 km Luftlinie, hatte eine Bewerbung aus Uruguay. Eine andere kam aus Jamaika. Die Inhalte der eingereichten Exposés richten sich in etwa zu gleichen Teilen an Kinder und Jugendliche. Von den eingereichten Exposés können zehn dem Genre der fantastischen Literatur zugeordnet werden, während bei weiteren sechs Exposés historische Thematiken im Vordergrund stehen. Interessant ist, dass sich drei Exposés im weitesten Sinne mit Indien beschäftigen, das 2006 Gastland der Frankfurter Buchmesse war. Ein Exposé wurde in Form eines Theaterstücks eingereicht, zwei weitere Exposés als Hörspiel.
DIE Stadtschreiberin: Antje Wagner
Lebenslauf Antje Wagner
. 3. Februar 1974 in Lutherstadt Wittenberg
. Studierte deutsche und amerikanische Literatur- und
Kulturwissenschaften in Potsdam und Manchester
. Arbeitet als Kellnerin und Sprecherin
. Lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Potsdam
Schriftstellerische Tätigkeit und Veröffentlichungen
. Ein Zimmer im Briefumschlag. Liebesbriefe aus Erfurt. Verlag Thüringer Allgemeine, 2006
. Hinter dem Schlaf. Roman. Kiepenheuer & Witsch, 2005
. Mottenlicht. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch,2003
. Die Gärten bist du. Erzählungen. Querverlag, 2003
. Unland. Roman. Bloomsbury Berlin, Herbst 2009
Auszeichnungen und Stipendien:
. Einladung ins “Baltic Centre for Writers and Translators” nach Gotland/Schweden (1 Monat, 2008)
. Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf (2007)
. “Anerkennung der Jury” (zweiter Platz) beim Frau-Ava-Literaturwettbewerb (2007)
. Erfurter Stadtschreiber-Literaturpreis (2006)
. Stipendiatin des Europäischen Schriftsteller- und Übersetzerzentrums Athen (2005)
Antje Wagner: “Isabelle am Rande”
“Isabelle” soll ein Roman über ein dreizehn- bis vierzehnjähriges Mädchen werden. Über ein Mädchen, das “leicht” geworden ist, das – weil ihm Körpergrenzen (durch physische und/oder sexuelle Gewalt) verletzt wurden – nun große Schwierigkeiten hat, diese Grenzen nach außen hin zu setzen – nein, sie überhaupt erst mal zu spüren und deshalb ein anderes, ein “schamloses” Verhältnis zu ihrem Körper bekommen hat. Ein Mädchen, das sich wie eine Nutte verhält und genauso behandelt wird. Eine Geschichte für eine jugendliche Zielgruppe. Mit Humor und trotzdem Ernsthaftigkeit.
Antje Wagner wurde 1974 in Wittenberg geboren, studierte deutsche und amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften in Potsdam und Manchester. Zurzeit lebt sie als freie Autorin und Übersetzerin in Potsdam. Sie hat bereits Erfahrung als Stadtschreiberin: 2006 gewann sie den Erfurter Stadtschreiber-Literaturpreis, außerdem erhielt sie weitere Auszeichnungen und Stipendien.