Mannheim / Metropolregion Rhein-Neckar – Alle zwei Wochen werden im Rahmen des Baukulturpreises 2014 rote Sitzwürfel als Sehstationen vor baukulturellen Schätzen Mannheims aufgestellt. Hiermit macht das Baukompetenzzentrum der Stadt Mannheim auf besonders gelungene Architektur aufmerksam. Seit dieser Woche steht eine solche vor der Trauerhalle auf dem Hauptfriedhof.
Bis 1964 stand gegenüber dem Krematorium die neugotische Leichenhalle, erbaut von 1900 bis 1903. Diese wurde nach ihrem Abbruch durch das Mortuarium ersetzt. Bereits 1959 schrieb das städtische Hochbauamt einen Wettbewerb für den Neubau aus.
Das Preisgericht vergab keinen ersten Preis, sondern nur einen zweiten, der zu gleichen Teilen an die Büros Wilhelm und Karl Schmucker sowie Hans Scherrmann verliehen wurde. Beide Büros bildeten eine Architektengemeinschaft und zogen für die künstlerische Gestaltung des Betongussbaus den in Schriesheim ansässigen luxemburgisch-französischen Bildhauer Théo Kerg hinzu.
Kerg, der schon früher mit Lichtwänden experimentiert hatte, entwarf die wabenförmigen Betonwände, die ähnlich wie bei der Trinitatiskirche der 50er Jahre das gotische Prinzip der lichtdurchlässigen Wand mit modernen Materialien und Techniken umsetzen. Das Mortuarium ist ein gestufter kubischer Bau, der von sechs freistehenden Sichtbetonpfeilern getragen wird. Die Hauptfassade gegenüber dem Krematorium betont den Eingang durch eine eingeschossige offene Pfeilerhalle. Natursteinplatten verkleiden das Ergeschoss und sind durch ein Betonband von den Lichtwänden des Obergeschosses abgesetzt. Die plastisch hervortretenden Waben variieren in Form und Größe; teils sind sie mit Beton, teils mit farbigen Baccarat-Glasplatten gefüllt. Durch die Glaseinschübe ist das Innere in ein feierliches, sakrales Licht getaucht. Die Zellenstruktur ist den Erbauern eine Analogie zur „Weltordnung, wo Zellen einer Grundsubstanz Strukturen bilden, wachsen und schrumpfen, werden und vergehen“.
(Quelle: Architekturführer Mannheim; Dietrich Reimer Verlag; Hrsg. Stadt Mannheim, Autor: Andreas Schenk)
Beurteilung der Jury
Der bauliche Umgang mit dem Thema Tod und Sterben ist ein wichtiger Ausdruck jeder Epoche. Die Mannheimer Trauerhalle ist eine sehr individuelle Antwort zu dem Thema. Außenräume werden gefasst und gegliedert, die zunächst geschlossene Halle lässt sich über Holztore großflächig nach außen öffnen. Die skulptural gestaltete Außenhülle erfüllt den Innenraum mit einem blauen Licht. Die differenzierte Bearbeitung der Oberflächen wird zu einem wichtigen Thema der Architektur
Über die Sehstationen
Bis Oktober werden alle zwei Wochen die roten Würfel aus Sichtbeton aufgestellt. Sie dienen als Sitzgelegenheit vor zwölf Objekten, die eine unabhängige Jury ausgesucht hat. Dabei reicht das Spektrum von Plätzen, über die unterschiedlichsten Gebäudetypen bis hin zu Kirchen aus den verschiedensten Epochen. Zu entdecken sind die Objekte mit vorbildlicher Baukultur in allen Stadtteilen Mannheims.
Für jede Sehstation hat die Jury einen Begleittext geschrieben, der verdeutlichen soll, warum gerade diese Bauten besonders gelungen sind. Der Text wird auf der Sitzfläche des jeweiligen Betonwürfels zu lesen sein. Ebenso ist ein QR-Code geschaltet, mit dem per Handy direkt auf die städtische Website geleitet wird, um weitere Infos zu dem Projekt zu erhalten.
Die Stadt Mannheim möchte das Thema Baukultur verstärkt in das Stadtbild und daher in das Bewusstsein bringen. Daher wird darauf geachtet, dass Wettbewerbe durchgeführt werden und kompetente Planungsbüros für einzelne Planungs- und Bauaufgaben beauftragt werden. Ebenso wurde der Gestaltungsbeirat eingerichtet, der die Stadt Mannheim als unabhängiges Gremium berät. Das Baukompetenzzentrum begleitet das Thema Baukultur mit Vorträgen und verschiedenen Aktionen.
Die nächsten Standorte werden immer ein paar Tage vorher auf der Internetseite der Stadt Mannheim unter www.mannheim.de/stadt-gestalten/sehstationen und über einen Flyer bekannt gegeben. Tatkräftig unterstützt wird das Baukompetenzzentrum vom Eigenbetrieb Stadtentwässerung, der die Würfel aufstellt. Am Ende der Aktion gibt es die Möglichkeit, das persönliche Lieblingsobjekt auszuwählen. Das Projekt mit den meisten Stimmen wird dann vom Baukompetenzzentrum mit dem Mannheimer Baukulturpreis 2014 ausgezeichnet.