Frankenthal/ Metropolregion Rhein-Neckar. Barfüßig und mit ernster Miene kommt der kleine Jun-ge nach Frankenthal – wo er einstmals herkam, denn er ist aus Frankenthaler Porzellan. Modelliert hat ihn Franz Conrad Linck, der ab 1762 Modellmeister an der hiesigen Manufaktur war. Frau Liesel Weber aus Weisenheim a. S. hat ihn in die Stadt geschickt, zu-sammen mit zwei bemalten Tellern und einem Vogel-nest – auch dieses aus Frankenthaler Porzellan.
Während der Knabe mit seinem Kästchen, das er an der Seite trägt, bereits als Hausierer arbeiten muss, weil er arm ist, gehörte das Vogelnest auf den Tisch wohlhabender Herrschaften. Es ist in Wirklichkeit eine Deckeldose, die aber wie ein fein geflochtenes Körb-chen aufgemacht ist, in dem ein Kanarienvogel seine beiden Jungen füttert. Das deutet auf den Inhalt der Dose hin, denn im 18. Jahrhundert kam noch viel Rohrzucker von den Kanarischen Inseln nach Europa – die Vögelchen waren Sinnbild für den „Kanariezucker“ geworden, wie er damals auch genannt wurde. Übrigens: Auch der Knabe gehörte bei reichen Leuten auf den Tisch – er war zusammen mit den vielen anderen Frankenthaler Porzellanfiguren nichts weiter als Tischschmuck bei festlichen Tafeln. Nach dem Festmahl verschwanden sie wieder im Geschirrschrank wie alles andere Porzellan. Dass unter solchen Figuren nicht nur antike Götterfiguren oder Musikanten waren, sondern auch Vaganten, Marktschreier, Bettler, und Hausierer, ist für uns heute eher befremdlich, zumal im Gebrauch als Tafelzier.
Mit diesem Geschenk ist die Porzellansammlung des Erkenbert-Museums um ein paar schöne Stücke berei-chert worden.
Foto frei © Stadt Frankenthal, Erkenbert-Museum