Hockenheim /Metropolregion Rhein-Neckar – Ökologisches Wegsystem und Hochwasserschutz: Die Hockenheimer Gräben werden auf Vordermann gebracht
Mal sind sie unscheinbar unter Hecken versteckt, mal führt eine kleine Brücke über sie. Manche von ihnen sind bekannt wie der Kothlachgraben, andere wiederum werden kaum wahrgenommen. Und doch zählen sie alle zu dem rund 41 Kilometer langen Grabensystem, das für Hockenheim wichtige Funktionen übernimmt.
41 Kilometer – das ist eine Strecke, als würde man von Hockenheim bis Karlsruhe fahren. Aber wofür braucht man in Hockenheim über 40 Kilometer an Gräben? „Sie haben verschiedene, wichtige Funktionen. Zum Einen dienen sie dem Hochwasserschutz. Zum anderen verbinden sie verschiedene Biotope, weil ihr Uferbereich Tieren Schutz bietet. Und außerdem haben sie auch wichtige Entwässerungsfunktionen für angrenzende Grundstücke wie Äcker usw.“, erklärt Uwe Heidenreich vom Büro Rausch & Partner. Das Büro hatte im Auftrag der Stadt Hockenheim den Pflegeplan für das Grabensystem entwickelt.
Um die verschiedenen Funktionen auszufüllen, so der Experte weiter, sei es wichtig, das Grabensystem intakt zu halten. Und dabei sei öfter Augenmaß und Fingerspitzengefühl erforderlich. Begonnen hat das beauftragte Unternehmen Kemm in diesem Jahr damit, wichtige Gräben auch in Hinblick auf den Hochwasserschutz wieder auf Vordermann zu bringen. Denn Hockenheim grenzt mit seiner Gemarkung direkt an den Rhein an. Wichtig ist deshalb, dass die Gräben bei Überflutungsgefahr ansteigendes Grundwasser auch aufnehmen und wegführen können.
Ein hartes Stück Arbeit, vor denen Heidenreich und das Team Kemm vor Beginn der Arbeiten standen: Einige der Gräben waren gar nicht mehr zu erkennen – zu viele Hecken waren in den vergangenen Jahren um die Vertiefungen herum gewachsen, Laub und Erde hatten den Graben versanden lassen. Kein Wasser war mehr in den Gräben zu sehen, sie wirkten lediglich wie kleine Einbuchtung in einer Wiese mit dichtbewachsenen Hängen.
Keinen Kahlschlag, sondern mit Augenmaß wurden einige dieser Gräben nun in den vergangenen Wochen reaktiviert. Dafür mussten die Hecken weggeschnitten werden, die Hänge von dichtem Unkraut und Gebüsch befreit werden. Wenn es nicht anders ging, wurde der Graben auch „ausgekoffert“, d. h. mit einem kleinen Bagger wurde Erde vom Grund ausgehoben und der Graben wieder tiefer gemacht.
Und tatsächlich: In zuvor tot wirkenden Abschnitten kommt langsam wieder Leben. Wasser fließt nun z. B. wieder durch den Paschagraben, der im Bereich der Mörschwiesen liegt. Die Tier- und Pflanzenwelt wird hier wieder lebendig. „Das ist gut für das ökologische System“, betont Heidenreich. Prachtlibellen, Gras- und Wasserfrösche und auch Stichlinge könnten so in dem seichten Wasser wieder eine neue Heimat finden.
Zufrieden zeigt sich Heidenreich auch mit dem Zeitpunkt der Arbeiten: „Statt im Winter zu arbeiten, hat sich aus meiner Sicht der Oktober bewährt. Die Amphibien sind noch nicht in Winterstarre gefallen und können sich so noch an den neu geschaffenen Lebensraum anpassen. Deshalb ist es auch wichtig, beim Ausbaggern der Gräben nicht zu tief zu gehen. Das wäre nicht gut für die Tiere und würde auch zu einer zu starken Entwässerung der Umgebung führen.“
Arbeit kommt auf die Pfleger des 41 Kilometer langen Netzes auch noch in den kommenden Jahren zu: Denn manche Gräben wurden noch nicht bearbeitet, auch, um damit im Natur- und Landschaftsschutzgebiet Schutzräume zu lassen für die Tierwelt. Denn durch ihren Bewuchs bieten die Gräben Tieren die Möglichkeit, in ihrem Schutz von Biotop zu Biotop wandern zu können. Die 61 Gräben sind damit gleichzeitig eine Art Wegsystem für Lebewesen.
Doch allen Interessen immer gerecht zu werden, ist ein manchmal nicht einfacher Abwägungsprozess: Hochwasserschutz, Biotopvernetzung und die Nutzung angrenzender Flächen für die Landwirtschaft sind dabei in Einklang zu bringen. Und manchmal kommt auch noch zusätzliche Arbeit auf die Pflegemannschaft zu, wie etwa beim Graben entlang der B 36. Hier mussten neben Hecken und Schnittgut auch Hinterlassenschaften anderer Art entsorgt werden: Kinderwägen, Dosen und anderer abgelagerter Müll…
Info: Die Stadt Hockenheim hat die Arbeiten zur Instandhaltung der Entwässerungsgräben im Hockenheimer Rheinbogen bis zum Jahr 2015 vergeben. Die Pflegemaßnahmen in dem Natur- und Landschaftsschutzgebiet zwischen Altlußheim, Hockenheim, Ketsch und dem Rhein umfassen das Zurückschneiden von Gehölzen, rund zwölf Kilometer Mahd sowie die Entkrautung der Gewässersohle. Insgesamt werden dafür Kosten in Höhe von rund 120.000 Euro aufgewendet.
Quelle- Foto stammen vom Büro Rausch & Partner-Neulussheim