Speyer / Metropolregion Rhein-Neckar. Am Pfingstsonntag haben Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann und Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst im Speyerer Dom die Bedeutung des Heiligen Geistes für Verständigung, Glaubensmut und kirchliche Einheit betont. Gemeinsam mit Vertretern der Diözesanversammlung und der Landessynode sowie Geistlichen verschiedener Ostkirchen und der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden feierten sie eine ökumenische Pfingstvesper, die besonders vom Geist der Geschwisterlichkeit geprägt war. Die musikalische Gestaltung übernahmen die „Schola Cantorum Saliensis” unter Leitung von Domkantor Joachim Weller, die Schola der rumänisch-orthodoxen Gemeinde Ludwigshafen, ein Blechbläserensemble der Pfälzischen Landeskirche unter der Leitung von Landesposaunenwart Matthias Fitting sowie Frederic Beaupoil, Assistent der Dommusik, an der Orgel.
In Erinnerung an das Erste Ökumenische Konzil
Zu Beginn der Pfingstvesper erinnerte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann an das Erste Ökumenische Konzil von 325 n. Chr., das er als „epochale” Wegmarke der Kirchengeschichte würdigte. Man feiere diese Vesper „im Gedenken an das Erste Ökumenische Konzil der Christenheit”, das vor genau 1700 Jahren in Nicäa stattfand.
Wiesemann betonte, man sei leicht versucht, dieses Konzil „als längst vergangenes Kapitel der Kirchengeschichte oder als theologische Elfenbeinturm-Debatte abzutun”. Doch das werde seiner Bedeutung nicht gerecht, denn „damals ging es ums Ganze!” – nämlich um das rechte Gottesbild und die Einheit der Kirche. Es sei darum gegangen, wie sich glauben lasse, dass Jesus „Mensch war wie wir” und zugleich „der Erlöser der ganzen Menschheit”.
Mit Blick auf den Verlauf des Konzils sagte Wiesemann, dass es damals gelungen sei, „im synodalen Geist und unter dem Beistand des Hl. Geistes, im ehrlichen und gemeinsamen Ringen ein gemeinsames Bekenntnis zu formulieren”. Dieses sei „weder ein fauler Kompromiss” gewesen noch ein „von oben verordnetes Machtwort”, sondern habe unterschiedliche Denkrichtungen „aufeinander bezogen” und so davor bewahrt, „sich absolut zu setzen”. Gerade das habe „eine große Dynamik und einende Kraft in der Kirche freigesetzt”.
Er sehe darin ein „positives Gegenmodell zu den zentrifugalen Kräften in den vielen Auseinandersetzungen heute, denen es nur um Abgrenzung und um das Durchsetzen eigener Interessen geht”. Wiesemann erinnerte daran, dass das nizänische Bekenntnis „bis heute […] eine verbindliche und verbindende Glaubensgrundlage aller Kirchen weltweit” sei. Der gemeinsame Glaube an den dreifaltigen Gott „begründet unter uns eine Einheit, die tiefer reicht als alle theologischen Differenzen und Kirchenspaltungen”.
Ringen um Einheit im Glauben
Pfingsten sei, so Wüst in ihrer Predigt, ein Fest der Bewegung und der Erneuerung. Sie erinnerte an die biblische Erzählung, in der Gottes Geist „Schwung in matte Jünger, Bewegung in verstörte Herzen, Dynamik in den Glauben” bringe. Die Menschen damals hätten das erlebt: Sie hätten ein Brausen gehört, Feuerzungen gesehen und einen Mut gespürt, den sie sich selbst nicht zugetraut hätten. „Gott tut das. Sein Geist kann das”, sagte sie.
Auch die Kirchenpräsidentin stellte Pfingsten in einen größeren historischen Zusammenhang. Sie knüpfte an Bischof Wiesemanns Worte an und verwies auf das Konzil von Nicäa im Jahr 325 n. Chr., in dem um zentrale Glaubensfragen gerungen wurde. Damals habe man versucht, eine gemeinsame Sprache des Glaubens zu finden. „Nur die Dynamik ist längst eine andere”, so Wüst. Was als bewegendes Pfingstereignis begann, sei zur strukturierten Kirche geworden, die sich in theologischen Auseinandersetzungen wiederfand. Der sogenannte „arianische Streit” sei ein Beispiel für die leidenschaftliche Suche nach Wahrheit gewesen, bei der es nicht nur um Macht, sondern vor allem um Heil für die Seele ging.
Wüst machte deutlich, dass das Ringen um Einheit im Glauben bis heute anhält. „Wenn wir in Beziehung zu Gott sein wollen, können wir uns nicht mit Beziehungslosigkeit untereinander zufrieden geben”, betonte sie. Die Trennung zwischen Christinnen und Christen müsse „ein Stachel im Fleisch” sein, den man nicht einfach hinnehmen dürfe. Pfingsten erinnere daran, dass Gottes Geist Beziehung stifte und „aus Fremden Freunde macht. Oder doch wenigstens Menschen, die etwas verbindet.”
Aktuelle Herausforderungen in der weltweiten Christenheit sprach Wüst ebenfalls offen an. Als Beispiel nannte sie das Ringen um ein gemeinsames Positionspapier zur Sexualethik bei der Vollversammlung der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa” (GEKE) im Jahr 2023. Unterschiedliche kulturelle Kontexte hätten das Gespräch erschwert, aber es sei gelungen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Wüst sprach von einem „aufrichtigen und verantwortungsvollen Ringen um das, was der christliche Glaube sagt, was Gott uns sagt, was sein Wort uns sagt. In unsere Zeit hinein.”
Trotz bestehender Differenzen in Fragen wie Gleichstellung, Amt oder Abendmahl sei der gemeinsame Gottesdienst im Speyerer Dom ein Zeichen gelebter Einheit gewesen. Man sei sich einig „in dem einen Gott, den wir aus vollem Herzen gemeinsam bekennen können”, sagte Wüst. Der Geist Gottes sei es, der dazu befähige: als „Geist von Verständigung, von gemeinsamer Sprache des Herzens, von Sehnsucht nach Gemeinschaft in Einheit und Einigkeit.”
Am Ende der Predigt stand der Wunsch, dass dieser Geist auch heute wirksam bleibt: „Möge er es tun. Mitten unter uns. Immer wieder.”
Bilder:
Bischof Wiesemann (2.v.r.) und Kirchenpräsidentin Wüst (r.) feierten gemeinsam mit weiteren Kirchenvertretern und Gläubigen eine ökumenische Pfingstvesper im Speyerer Dom © Klaus Landry