Viernheim/Metropolregion Rhein-Neckar – Verkehrsfreigabe der Karl-Marx-Straße inklusive Kreuzung ab Freitag, 6.
Dezember
Nach rund sieben Jahren Planung und intensiver Bauzeit ist es geschafft: Die Arbeiten am
neuen Entlastungssammler im Viernheimer Stadtgebiet sind offiziell abgeschlossen. Mit der
Fertigstellung des rund 2,6 Kilometer langen Kanalsystems endet eine der größten
Infrastrukturmaßnahmen der Stadt, die das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger gegenüber
Starkregenereignissen zukunftssicher macht. Gleichzeitig erfolgt mit der Fertigstellung
dieses Großprojekts die Freigabe der letzten Baustelle in der Karl-Marx-Straße inklusive des
Kreuzungsbereichs Rathausstraße. Pünktlich zu Nikolaus heißt es hier wieder: freie Fahrt.
„Heute ist ein Tag, auf den wir lange hingearbeitet haben“, sagt Erster Stadtrat Jörg
Scheidel, der gemeinsam mit Bürgermeister Matthias Baaß, Matthias von Allwörden der
Stadtwerke Viernheim GmbH sowie Lukas Schneider und Daniel Lohbeck im Rahmen einer
Pressekonferenz informiert. „Der Entlastungssammler ist nicht nur eine technische
Maßnahme, sondern ein Versprechen an die Bürger, dass wir die Herausforderungen durch
den Klimawandel ernst nehmen.“
Starkregenereignisse gaben Notwendigkeit
Denn die Maßnahme war eine Antwort auf die verheerenden Starkregenereignisse, die
Viernheim ab 2007 vier Jahre in Folge heimgesucht hatten. Am 12. Juni 2007 fielen 46 Liter
Regen pro Quadratmeter innerhalb von 65 Minuten – ein Ereignis, das statistisch gesehen
seltener als alle 20 Jahre auftritt. 370 Feuerwehreinsätze und die Unterstützung zahlreicher
Wehrkräfte aus den benachbarten Orten waren die Folge. Ähnlich dramatische Szenarien
spielten sich in den drei Folgejahren ab, mit weiteren Hunderten von Einsätzen und
flächendeckenden Überflutungen. Schon nach dem ersten Starkregenereignis 2007 hatte
sich die Stadt Viernheim bezüglich der Abwasserentsorgung Gedanken gemacht und bereits
in den Jahren 2009 bis 2012 und 2015 wurde mit einem verbesserten Anschluss des
Bereichs Beethovenstraße an den großen Stauraumkanal Heidelberger Straße (Südspange)
und einer weiteren veränderten Anbindung von Kanaltrassen (Nordwestsammler) gehandelt.
Doch um das städtische Kanalnetz nachhaltig und zukunftsweisend auszubauen, wurde
auch der Bau eines neuen Hauptsammlers thematisiert.
Mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im August 2017 begann die Planung des
Entlastungssammlers. Ziel war es, das Kanalstauvolumen deutlich zu erhöhen, um zukünftig
Starkregen schadensfrei aufnehmen zu können. Mit der Planung wurde 2018 das Büro
Kocks Consult GmbH aus Frankfurt beauftragt. Im März 2020 erfolgte die europaweite
Ausschreibung der Baumaßnahme und im September des gleichen Jahres die Vergabe an
die Firma Uhrig aus Geisingen. „Leider verzögerte sich der Baubeginn, weil ein Mitbewerber
bei der Vergabekammer Hessen Widerspruch einlegte. Es wurde zwar umgehend das
Nachprüfverfahren eröffnet, verzögerte sich dann allerdings aufgrund der Corona-
Pandemie“, erklärt der Baudezernent.
Bauphase
Im Oktober 2021 konnten die Bauarbeiten beginnen. „Erster Schritt war der Anschluss des
Entlastungssammlers an das Pumpwerk Saarlandstraße mit Tiefbauarbeiten im
Kreuzungsbereich Saarlandstraße – Karl-Marx-Straße – Kreuzstraße – Am Königsacker“,
erklären Lukas Schneider von der Stadtentwässerung sowie Daniel Lohbeck, Abteilungsleiter
Technischer Netzwerke von der Stadtwerke. „Dieser Bereich wurde aufgrund der geplanten
Umgestaltung des Kreuzungsbereichs in einen Kreisverkehrsplatz vorgezogen.“ Danach
erfolgte die Verlegung der Kanaltrasse entgegen der Strömungsrichtung beginnend in der
Industriestraße auf Höhe des städtischen Bauhofes. Die Kanalbaustelle „wanderte“ in einem
jeweils zirka 30 Meter langen Baufeld über die Friedrich-Ebert-Straße, Illertstraße,
Siegfriedstraße, Kreuzstraße bis zum Kreuzungsbereich Lampertheimer Straße/Karl-Marx-
Straße. Im Juli dieses Jahres erfolgte der letzte Abschnitt in der Karl-Marx-Straße in den
zwei Teilbereichen Lampertheimer Straße bis Annastraße und Seegartenstraße bis
Kreuzung Rathausstraße, der nun ebenfalls fertiggestellt ist.
„Für den Entlastungssammler wurden Großrohre mit teilweise über zwei Metern
Durchmesser verlegt, wo zuvor Kanalrohre mit einem Durchmesser von beispielsweise 40
Zentimeter lagen“, so Schneider, der die Dimension anhand von Fotos veranschaulicht. Eine
technische Besonderheit stellten die raumgroßen und mehrere 10-Tonnen schweren
Stahlbeton-Schachtbauwerke dar, die mithilfe von Kranfahrzeugen an 12 Kreuzungspunkten
der Abwasserkanäle präzise eingebaut werden mussten. Darüber hinaus wurden große Teile
der Netzinfrastruktur der Stadtwerke Viernheim GmbH im Baubereich mit erneuert.
„Das Projekt ist ein essenzieller Schritt in der Anpassung an den Klimawandel, mit dem wir
Viernheim zukunftssicher gemacht haben“, erklärt Matthias von Allwörden. „Der neue
Entlastungssammler verfügt nun mit 7000 Kubikmeter über ein 14-mal größeres
Stauraumvolumen als das alte Kanalsystem und wird dafür sorgen, dass auch bei extremen
Regenfällen keine Keller mehr volllaufen und das öffentliche Leben nicht mehr durch
Überschwemmungen beeinträchtigt wird.“ Von der gesamten Maßnahme bleiben einzig die
vielen Gullideckel in den Viernheimer Straßen sichtbar.
Herausforderungen und Belastungen für Bürger und Anwohner
„Mit einem Projekt dieser Größenordnung gehen immer komplexe technische und logistische
Herausforderungen einher“, berichtet Lukas Schneider. Zum einen die Organisation der
wandernden Kanalbaustelle über den gesamten Bauzeitraum von über drei Jahren im
Hinblick auf alle Rahmenbedingungen und Beteiligten. Hinzu gekommen seien die parallelen
Bauprojekte im Stadtgebiet mit Einfluss auf die zeitliche und räumliche Planung der
Kanalbaustelle und die damit einhergehenden Umleitungsführungen. Aber auch die in Teilen
beengten Bauverhältnisse in Wohngebietsstraßen sowie im Tiefbau stellten weitere
technische Herausforderungen dar.
Zahlreiche Verkehrsbehinderungen, Umleitungen, eingeschränkte Parkmöglichkeiten und
geänderte Busstrecken prägten den Alltag der Bürger über die Jahre. „Wir bedanken uns bei
allen Bürgerinnen und Bürgern, Anwohnern und Unternehmen für ihre Geduld und ihr
Verständnis“, betont der Erste Stadtrat. „Wir wissen, wie belastend die Einschränkungen
waren und die Situation die Geduld der Menschen oft auf die Probe gestellt haben. Umso
mehr freuen wir uns, dass diese Zeit nun vorbei ist und wir ein Ergebnis vorzeigen können,
von dem alle profitieren.“
Stolz zeigten sich die Beteiligten über den zeitlichen Ablauf des Großprojekts: „Trotz
Verzögerungen in einzelnen Bauabschnitten konnten wir den Zeitplan der Fertigstellung
einhalten bzw. sogar etwas früher umsetzen“, berichtet Scheidel. Im Nachgang seien noch
einzelne Nacharbeiten durch die Firma Uhrig vorzunehmen, die jedoch keine größeren
Verkehrseinschränkungen mit sich ziehen würden bzw. während des fließenden Verkehrs
durchgeführt werden könnten. Aus diesem Grund könnten auch noch keine tatsächlichen
Gesamtkosten genannt werden. „Die Kostenschätzung liegt aktuell bei ca. 19 Mio. Euro, also
4 Prozent höher als das geplante Budget für das Großprojekt.“
Zum Abschluss fasst Bürgermeister Matthias Baaß zusammen: „Dieses Projekt ist mehr als
eine technische Maßnahme. Es zeigt, dass Viernheim in die Zukunft investiert und aktiv
Vorsorge für kommende Generationen getroffen hat. Mein Dank gilt allen Beteiligten – von
der Planung über die Bauunternehmen bis hin zu den Bürgerinnen und Bürgern, die uns
unterstützt haben. Ab jetzt profitieren alle vom neuen Entlastungssammler.“
Quelle: Magistrat der Stadt Viernheim