Weinheim/Metropolregion Rhein-Neckar – Die Weinheimerin Gisela Fankel hat das Buch „Vier Jahre unter dem
Wellblechdach“ geschrieben – Sie war vier Jahre als Religionspädagogin in
Kamerun
Als sich Gisela Fankel für die Arbeit im afrikanischen Kamerun entschied,
hatte sie gute Gründe: „Aussteigen aus dem gewohnten Trott, Sehnsucht nach neuen
Erfahrungen, Suche nach Herausforderung und Lebenstiefe, Neugierde auf sich selbst.“
So ging sie von 1984 bis 1988 nach Kamerun. In dieser Zeit schrieb sie Rundbriefe an
Verwandte, Freunde und Bekannte, die sie nun in ihrem Buch „Vier Jahre unter dem
Wellblechdach – Als Singlefrau in Afrika“ veröffentlicht hat.
Das Abenteuer begann mit der sieben Stunden langen Reise per Flugzeug vom
Frankfurter Flughafen über Brüssel nach Kamerun. Die Autorin schreibt: „Die erste
Überraschung war der Verlust eines Kartons meines Fluggepäcks.“ Der Karton, in dem
eine Schreibmaschine war, tauchte nie wieder auf. Eine Kollegin schenkte ihr die eigene
Schreibmaschine. Vier Tage verbrachte Gisela Fankel in einem total vergammelten
Gästehaus. Sie erinnert sich: „Ich habe saubergemacht.“ Nach dem Zwischenaufenthalt
ging es zum Einsatzort Bamenda. Dort wartete auf den deutschen Gast die nächste
Überraschung: Nichts war für sie vorbereitet.
Die ersten beiden Jahre musste sie mit einer Kollegin zusammenwohnen. Erst dann
konnte sie ihr erstes eigenes Häuschen „unter dem Wellblechdach“ beziehen. Das Haus
war stickig und eng, es gab Ungeziefer, und das Dach war undicht. Tag und Nacht dröhnte
der Lärm der Musik aus der nahen Stadt in das Haus. Trotzdem war sie froh, jetzt alleine
leben zu können. Sie schreibt: „Einem Mann hätte man in Afrika dieses Haus nicht
zugemutet.“
Gisela Fankel hat in Worms das Abitur gemacht und dann studierte sie die Fächer
Theologie und Deutsch für das Realschul-Lehramt an der Pädagogischen Hochschule und
der Universität Heidelberg. Nach zehn Jahren Tätigkeit als Lehrerin machte sie sich im
Auftrag der Basler Mission auf den weiten Weg nach Afrika.
Der afrikanische Jugendpfarrer Aji Mvö hatte dort ein innovatives Unterrichtskonzept
entwickelt. Fankel wurde Teil seines Teams, das für den Religionsunterricht an rund 25
Schulen, an Hochschulen und einer Schule für Krankenschwestern zuständig war. Der
Unterricht fand oft in Schulräumen ohne Fenster und Türen statt. Da nicht genügend
Stühle vorhanden waren, mussten einige Schüler auf dem Boden sitzen oder stehen. Die
Klassen zählten rund 100 Schülerinnen und Schüler und mehr. Fankel erinnert sich: „Das
war möglich, weil die Disziplin vorbildhaft war. Die Kinder und Jugendlichen waren
dankbar dafür, dass sie die Schule besuchen durften, denn der Schulbesuch war teuer
und nicht selbstverständlich.“
Sie zitiert in ihrem Buch den Bericht ihres Schülers Clement, der erzählte: „Im Alter von
sechs Jahren wollte ich zur Schule.“ Doch sein Stiefvater verlangte, dass sein Sohn sich
stattdessen um ein großes Feld kümmern sollte. Heimlich wandte sich Clement an einen
Schulleiter und erzählte ihm von dem großen Wunsch, die Schule zu besuchen. Der
Schulleiter vermittelte einen Mitschüler, der dem Clement jeden Tag den Schulstoff
bringen sollte. Also kümmerte sich Clement in den folgenden vier Jahren tagsüber um das
Feld und lernte heimlich am späten Nachmittag, ganz allein.
Nach der vierten Klasse ging Clement erneut zu seinem Stiefvater und bat darum, die
Schule besuchen zu dürfen. Der Vater lehnte erneut ab. Als er erfuhr, dass sein Sohn
schon vier Klassen absolviert hatte, überprüfte er die Feldarbeit und konnte keine Mängel
feststellen. So stimmte er dem Schulbesuch zu, aber gab kein Geld. Der Junge arbeitete
nun hart, um den Besuch der Schule mit Wohn- und Essensgeld und Kosten für die
Schulkleidung zu finanzieren. Erst später übernahm Lehrerin Fankel die Kosten für seinen
Schulbesuch, so dass er das theologische College besuchen konnte und Pfarrer werden
konnte. Er setzt bis heute die religionspädagogische Arbeit der Kirche fort.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland erlebte Gisela Fankel einen „umgekehrten
Kulturschock“: Verhaltensauffällige und unruhige Kinder machten den Unterricht
anspruchsvoll und schwierig. Noch zweimal kehrte Fankel nach Kamerun zurück. Aber sie
erlebte dann Gewalt und Schießereien. Inzwischen befindet sich das afrikanische Land in
einem inoffiziellen Bürgerkrieg. Kinder werden entführt, um Lösegeld und die Schließung
von Schulen zu erpressen. Es gibt viele Tote. Jetzt haben sich Mütter zusammengetan mit
dem großen Ziel, die verfeindeten Gruppen zum Gespräch zu bringen. Denn es gilt: „Egal,
wer getötet wird – jedes Mal weint eine Mutter.“
In ihrem Buch hat Gisela Fankel neben den authentischen Rundbriefen, die ihr Erleben
von damals spiegeln, Fotos und Vor- und Nachberichte zusammengetragen. So setzt sie
diesem Land ein Denkmal der besonderen Art.
Info: Gisela Fankel: Vier Jahre unter dem Wellblechdach – Als Singlefrau in Afrika. 160
Seiten. Literareon Verlag, 2024. ISBN: 9783831 624256. Mehr Infos unter der Mail g-
fankel@t-online.de
Quelle: Stadtverwaltung Weinheim