Heidelberg / Metropolregion Rhein-Neckar(red/ak) – Das Kurpfälzische Museum und die Universität Heidelberg zeigen in einer Kooperation ab Donnerstag, 21. November 2024, die Ausstellung „Zur Ader! Neue Blicke auf eine alte Praxis“. Viele verknüpfen den Begriff Aderlass trotz seiner jahrtausendealten Geschichte mit dem Mittelalter, andere erleben ihn als hilfreiche und schulmedizinisch anerkannte Therapie. Das sogenannte ausleitende Verfahren ist Teil der Komplementärmedizin, Gegenstand universitärer Forschung und als Spende der Weg zu lebensrettenden Blutprodukten. Was vom Aderlass – oder moderner: der Abnahme einer größeren Menge Blut – zu halten ist, haben sich Wissenschaftlerinnen der Universität Heidelberg genauer angeschaut. Auf ihren Ergebnissen baut die Ausstellung auf. Sie spürt der Geschichte dieser jahrtausendealten medizinischen Praxis nach, ihrer Anwendung und Wirksamkeit. Dabei nimmt die Schau auch die biologischen, kulturgeschichtlichen und wirtschaftlichen Dimensionen des Blutes in den Blick, das beim Aderlass unseren Körper verlässt. Die Ausstellung setzt historische und aktuelle Aspekte des Aderlasses miteinander in Beziehung und gliedert sich in drei Themenbereiche, die sich dem Blutentzug aus unterschiedlicher Perspektive nähern.
Besucht werden kann die Ausstellung ab Donnerstag, 21. November 2024, bis zum 16. März 2025 im Erdgeschoss des Palais Morass, Hauptstraße 97. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr (montags und am 24., 25. und 31. Dezember sowie 1. Januar und 4. März geschlossen). Der Eintritt kostet werktags 3 Euro, sonn- und feiertags 1,80 Euro. Ein Besuch der Dauerausstellung ist inklusive. Die Ausstellungsräume sind barrierefrei, der Zugang erfolgt über zwei Stufen, eine Rampe ist vorhanden. Inhaltlich teilt sich die Ausstellung in drei Bereiche.
Mythen und Fakten: Was verbirgt sich hinter dem roten Lebenssaft?
Seit jeher entfaltet Blut eine starke symbolische Kraft: als Saft des Lebens oder Sitz der Seele, als Grundlage familiärer Zusammengehörigkeit oder um einen Freundschaftsbund zu besiegeln. Die Ausstellung veranschaulicht, dass Konzepte wie diese bis heute unsere alltägliche Sprach- und Vorstellungswelt prägen und so auch die Wahrnehmung des Aderlasses beeinflussen. Dieser Themenbereich führt in die mit bloßem Auge unsichtbare und von zahlreichen Mythen geprägte Welt des Blutes und beantwortet Fragen wie: Woraus besteht die lebenswichtige Flüssigkeit, deren Verlust den Körper schwächen, sogar töten, aber auch gesund erhalten und heilen kann? Wie bewegt sich das Blut durch den Körper, welche Aufgaben erfüllt es dabei und woher rührt seine Farbe? Eine interaktive Installation gibt Auskunft, wie viel Blut durch den menschlichen Körper fließt und wie viel beim Aderlass abgenommen wird. Infografiken zu Blutspende und Blutprodukten veranschaulichen, dass das flüssige Organ ein wertvoller Rohstoff ist, der seit rund 100 Jahren gezielt gesammelt und inzwischen auch als Wirtschaftsgut vermarktet wird.
Geschichte und Gegenwart des Aderlasses
Schröpfgläser aus der Antike erzählen von einer der ältesten Heilmethoden, ein Schröpfset im Weidenkorb aus dem frühen 19. Jahrhundert vom Beruf des Baders, während ein farbiger Gummiball die heutige Praxis des Blutspendens dokumentiert. Ein besonderes Ausstellungsstück ist eine wertvolle Reiseapotheke aus dem 17. Jahrhundert, die auch mit Aderlass-Gerätschaften ausgestattet ist. Gemeinsam mit vielen weiteren Objekten veranschaulichen sie die facettenreiche Geschichte und Gegenwart der Blutentnahme. Das Publikum lernt den großen vom kleinen Aderlass zu unterscheiden, stößt auf Gerätschaften für den Einsatz bei Menschen oder Tieren und entdeckt anhand von Fliete, Aderlass-Schnäpper und Kanüle die technische Weiterentwicklung der verwendeten Instrumente. Jedes Exponat wirft ein kleines Schlaglicht auf die noch unvollständig erforschte, aber durch eine Vielzahl materieller Zeugnisse belegte Geschichte des Aderlasses.
Nutzen für die Medizin: Wie wirkt der Aderlass?
Aktuell empfiehlt die Schulmedizin den Aderlass zur Behandlung einer Handvoll Erkrankungen, etwa bei Polyzythämie oder Hämochromatose. Doch hat sich sein therapeutisches Potenzial damit bereits erschöpft? Wie erleben Patientinnen und Patienten die Aderlass-Therapie? Kann regelmäßiges Blutspenden auch die eigene Gesundheit fördern? Wie verliefen Aderlass-Behandlungen im 19. Jahrhundert und welche Debatten wurden um seine Wirksamkeit geführt? Diese Fragen standen im Zentrum eines interdisziplinären Forschungsprojekts am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg. Prof. Dr. Martina Muckenthaler, Prof. Dr. Karen Nolte und Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern näherten sich dem Aderlass aus unterschiedlichen Richtungen und mit den ihrem Fach eigenen Methoden. Dieser Themenraum bietet mit spannenden Ausstellungsstücken, Film- und Hörstation Einblicke in das Forschungsprojekt. Auch eigene Erfahrungen mit dem Aderlass können in der von Dr. Kirsten Weining, Berlin, kuratierten Ausstellung eingebracht werden. Weitere Informationen online unter museum.heidelberg.de.