Heidelberg / Metropolregion Rhein-Neckar(red(ak) – Zuerst eine eigene Wohnung beziehen, danach das Leben wieder in den Griff kriegen – das ist das Konzept von „Housing First“ für wohnungs- und obdachlose Menschen. Als einer von sechs Standorten in Baden-Württemberg erprobt Heidelberg ergänzend zu den bisherigen Angeboten der Wohnungslosenhilfe das ursprünglich aus den USA stammende Konzept zunächst bis Ende 2026. Betroffene erhalten eine eigene Wohnung ohne Vorbedingungen und mit unbefristetem Mietvertrag als Sprungbrett in ein „normales“ Leben. Mit dem griffigen Slogan „Ein Schloss für alle“ wirbt das Projekt-Team jetzt für Aufmerksamkeit in der Stadt. Bei einem Pressegespräch am Mittwoch, 18. September 2024, im Karl-Klotz-Haus hat Bürgermeisterin Stefanie Jansen mit den beiden Projektträgern – dem SKM katholischer Verein für soziale Dienste Heidelberg und der evangelischen Stadtmission Heidelberg – das Konzept von Housing First vorgestellt. Vermieterinnen und Vermieter, die Interesse haben, das Projekt zu unterstützen, können sich ab sofort beim Heidelberger Housing-First-Team melden.
Neues Format ergänzt Angebote der Wohnungslosenhilfe
„Housing First ist ein neues Format, das unsere vielfältigen Angebote der Wohnungslosenhilfe ergänzt. In anderen Ländern und Städten läuft es bereits mit Erfolg. Durch die Teilnahme am Modellprojekt des Landes haben wir die Chance, zu erproben, ob es in unserer Stadt trägt“, erklärte Stefanie Jansen, Bürgermeisterin für Soziales, Bildung, Familie und Chancengleichheit der Stadt Heidelberg, warum die Stadt hier die Initiative ergriffen hat. Das Amt für Soziales und Senioren hatte sich im September 2023 auf einen entsprechenden Förderaufruf des Landes beworben und im November 2023 den Zuschlag erhalten. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg fördert das Projekt in Heidelberg von 2024 bis 2026 zusammen mit der Vector Stiftung mit knapp 300.000 Euro. Eine Kofinanzierung von rund 33.300 Euro steuert die Stadt bei.
In Heidelberg leben derzeit knapp 120 Menschen auf der Straße, weitere 500 wohnungslose Menschen sind von der Stadt in verschiedensten Unterkünften untergebracht. Auf dem regulären Wohnungsmarkt haben sie kaum eine Chance. „Über Housing First könnten einige dieser Menschen wieder in sicheren Mietverhältnissen leben“, erklärten SKM-Geschäftsführer Matthias Meder und Heidi Farrenkopf, Geschäftsführerin der Wiedereingliederungshilfe der evangelischen Stadtmission. Die beiden Träger haben langjährige Expertise in der Wohnungslosenhilfe und freuen sich, in Heidelberg Pionierarbeit für dieses neue Projekt leisten zu können.
Selbstbestimmt ein eigenes Leben aufbauen
Housing First richtet sich an alleinstehende Personen, Paare und Familien, die schon über einen längeren Zeitraum keine eigene Wohnung haben. „Wir vermitteln diesen Personen eine eigene Mietwohnung mit Mietvertrag und sämtlichen Rechten und Pflichten“, erklärten Lea Schwab und Nina Marx vom Housing-First-Team. „Das verschafft den Betroffenen die nötige Ruhe, um sich selbstbestimmt wieder ein gesellschaftliches Leben aufbauen zu können“, sind die beiden überzeugt. Da Wohnungs- oder Obdachlosigkeit oft mit anderen Problemen verbunden sind, wie Armut, Erwerbslosigkeit, Drogensucht und Erkrankungen, werden individuell wohnbegleitende Hilfen angeboten. „Wir halten vor und nach dem Einzug Kontakt und bieten den Betroffenen professionelle Unterstützung, wenn sie das wollen“, so das Projektteam. Diese Hilfe können Betroffene freiwillig annehmen. Sie sind aber keine Voraussetzung für eine Versorgung mit Wohnraum. Der „Housing First“-Ansatz wurde ursprünglich in den USA entwickelt und wird als erfolgreicher Ansatz in der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit zum Beispiel in Finnland und Österreich umgesetzt. Auch in Deutschland verbreiten sich seit 2018 „Housing First“-Ansätze in verschiedenen Städten.
Vermieterinnen und Vermieter gesucht
Bislang ist das Projekt-Team nur mit Wohnungsgesellschaften als potenzielle Vermieter in Kontakt getreten. Nun möchten sie auch private Vermieterinnen und Vermieter von Wohnraum ansprechen, die obdach- und wohnungslosen Menschen eine Chance auf ein Leben in einer eigenen Mietwohnung geben möchten. Gesucht werden sowohl Ein- bis Zweizimmerwohnungen für Alleinstehende bis hin zu drei- bis Fünfzimmerwohnungen für Familien. Die Vermieter haben feste Ansprechpersonen, eine Mietausfallsgarantie mit Übernahme von bis zu drei Monatsmieten, sie bekommen Renovierungs- und Sanierungszuschüsse und schnelle Intervention bei Problemsituationen.
Kontakt: Housing First, Gleisdreieck 1, 69115 Heidelberg, E-Mail kontakt@housingfirst-heidelberg.de, Telefon 0155 60260908, www.housingfirst-heidelberg.de.
Diese Angebote gibt es außerdem in Heidelberg für Wohnungs- und Obdachlose:
• bis zu 90 Plätze bei Obdach e. V. mit zeitlich unbegrenzter Wohnmöglichkeit im eigenen Zimmer und professioneller Betreuung und Hilfe durch ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im ganzen Stadtgebiet
• bis zu 70 Plätze im Wichernheim der evangelischen Stadtmission in der Altstadt für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen und Männer, deren besondere Lebensverhältnisse mit besonderen sozialen Schwierigkeiten verbunden sind und welche diese nicht aus eigenen Kräften und Mitteln überwinden können
• Spezifisches Wohnangebot für wohnungslose Frauen: 4 Plätze im Margot-Becke-Ring in Kirchheim mit Beratung und Unterstützung durch den Sozialdienst des Wichernheimes
• 6 Plätze zur Betreuung in eigenem Wohnraum und zur nachgehenden Betreuung (betreut durch die evangelische Stadtmission) im gesamten Stadtgebiet
• 8 Plätze Ambulant Betreutes Wohnen und berufliche Integration für junge Erwachsene, die wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind, von der Jugendagentur Heidelberg in verschiedenen Stadtteilen
• 2 Notschlafplätze für Frauen im Margot-Becke-Ring (betreut durch den SKM)
• 1 Tagesstätte mit Fachberatung für wohnungslose Menschen im Karl-Klotz-Haus in der Weststadt und 1 Tagesstätte mit Fachberatung für wohnungslose Frauen im „FrauenRaum“ im Margot-Becke-Ring17/2 in Kirchheim (beides betrieben durch den SKM), jeweils mit existenzieller Grundversorgung, nämlich Essen, Kleidung, medizinische Hilfe, aber auch die Möglichkeit, sich um die eigene Hygiene zu kümmern. Das Karl-Klotz-Haus und der FrauenRaum sind eine Rückzugsmöglichkeit von der Straße.
• Streetwork durch den SKM Heidelberg: Beratung von Wohnungslosen in allen Lebenslagen, dort, wo die Menschen sich aufhalten – auf der Straße
• Winter-Notquartier im Stadtteil Rohrbach mit zusätzlichen Übernachtungsplätzen für wohnungslose Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Heidelberg haben
• Fachdienst für Wohnungsnotfälle der Stadt, der Unterkünfte für wohnungslose Menschen bereitstellt, diese bei der Wohnungssuche unterstützt und hilft, bestehenden Wohnraum zu sichern, wenn ein Verlust droht
Weitere Infos im Internet unter www.housingfirst-heidelberg.de.