Sprachstarke Klassikerüberschreibung
Henrik Ibsens »Nora oder Ein Puppenheim« bringt seit 1879 die Geschichte der Bankiersgattin Nora auf die Theaterbühnen, die eingeengt von gesellschaftlichen Normen, ehelichen Strukturen und eigenen dunklen Geheimnissen, schließlich aus ihrem bürgerlichen Leben ausbricht. Nach einer Idee der Münchner Kammerspiele nahmen sich die drei Autorinnen Sivan Ben Yishai, Gerhild Steinbuch und Ivna Žic dem Klassiker an und überschrieben – jede auf ihre Weise – sprachstark die Geschichte aus neuen Perspektiven. Auf den bürgerlichen Theaterthriller treffen so Auseinandersetzungen mit Noras privilegierter Situation, die Perspektiven ihrer erwachsenen Kinder und der feministische Blick der ursprünglichen Nebenfigur Kristine Linde.
Thrilleratmosphäre im Puppenhaus
In Heidelberg bringt eine Regisseurin den facettenreichen Stoff auf die Bühne, die sich am hiesigen Theater bereits in der letzten Spielzeit mit der Inszenierung eines Stücks voller willensstarker Frauenfiguren bewährt hat: Jana Vetten. 2023 eröffnete das Rachedrama »Pirsch« von Ivana Sokola in ihrer Regie den Heidelberger Stückemarkt. »Nora« nach Ben Yishai, Steinbuch, Žic und Ibsen inszeniert Vetten als Reise durch die Jahrzehnte und lässt dabei auch die Thrilleratmosphäre der Vorlage nicht zu kurz kommen: In drei Akten springt das Publikum über die Stationen des Biedermeiers und der 1950er Jahre in die Gegenwart und erlebt so zeitlose und doch problematische Ehestrukturen besonders eindringlich. Im Fokus der Inszenierung steht das wohl damals wie heute größte Tabu einer Mutter, die ihre Familien verlässt.
Komplettiert wird Vettens Regiearbeit von Live-Schlagzeug-Musik von Cornelius Borgolte und Kostümen von Eugenia Leis (Ausstattung »Pirsch«). Das Bühnenbild, das sich nicht zuletzt dem Originaltitel entsprechend an einem tatsächlichen Puppenhaus orientiert, stammt von Camilla Hägebarth.
Nach der im Juni und Juli geplanten Vorstellungen wird »Nora« am 23. Oktober 2024 für die kommende Spielzeit wiederaufgenommen.
Weitere Informationen sowie Karten unter www.theaterheidelberg.de oder an der Theaterkasse, Theaterstraße 10; 06221 / 58 20 000; tickets@theater.heidelberg.de