Speyer/Metropolregion Rhein-Neckar. Gleich drei Dinge gab es beim beim Pontifikalamt am 19. März im Speyerer Dom zu feiern: 10 Jahre Papst Franziskus, 15 Jahre Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann und – angesichts dessen Verabschiedung in den Ruhestand – 14 Jahre Dienst von Domkapitular Karl-Ludwig Hundemer als bischöflicher Beauftragter für die Caritas. Bereits in seiner Begrüßung wies Bischof Wiesemann auf diese drei Anlässe hin, die es am Sonntag „Laetare“ (lat. Freut euch!) zu würdigen galt. Seine Predigt begann Bischof Wiesemann jedoch nicht mit einer Würdigung sondern mit der Schilderung eines persönlichen Erlebnisses. Damals habe er erfahren, wie einem schlagartig die Augen geöffnet werden könnten, so wie bei einem Vexierbild, dass durch Bewegung auf einmal umschlägt und einem ein ganz neues, anderes Bild zeigt. In seiner Jugendzeit habe ihn die Sonate in B-Dur, Deutsch-Verzeichnis 960, von Franz Schubert besonders fasziniert. Nachdem er sich bereits länger mit dem Stück beschäftigt und es mit großer Ausdauer geübt hatte wies ihn jemand drauf hin, dass das Anfangsmotiv ein Zitat des Kirchenliedes „Mein Hirt ist Gott der Herr“ (Gotteslob 421) sei. Daraufhin habe er diese Melodiefolge nicht nur überdeutlich aus der Klaviersonate entdeckt sondern auch aus anderen späten Sonaten Schuberts herausgehört.
Und da er es einmal entdeckt hatte, konnte er es nicht mehr “nicht sehen”. Gerade in der letzten Zeit habe er oft an diesen Moment zurück gedacht und sich gefragt, warum er in seinen 40 Jahren als Priester und 15 Jahren als Bischof vieles so lange nicht gesehen habe: Verborgenes und Schlimmes wie die stummen Schreie der Opfer sexualisierter Gewalt oder auch das Leiden von Menschen, die aus dem kirchlichen Raster fielen, wie Homosexuelle, wiederverheiratete Geschiedene oder unterdrückter Frauen. Es habe viele Menschen, Situationen und Gespräche gebraucht, um ihm die Augen zu öffnen. Jetzt jedoch könne er nicht mehr anders, als all dies zu sehen. Mit seiner Schilderung knüpfte er an die Lesung an, in der von der Heilung eines Blinden berichtet wurde. So öffne Jesus auch heute die Augen der Menschen, „die fortan ihr Leben verändern aus der Liebe zur Wahrheit ihres Lebens heraus”. Blindheit zu überwinden sei Geschenk und Auftrag Jesu. Auch Papst Franziskus helfe uns, die Augen zu öffnen, so Bischof Wiesemann. Bereits durch seine erste Reise als Papst zur Begegnung mit Geflüchteten auf der Insel Lampedusa und das Werfen eines Trauerkranzes in das Mittelmeer öffnete er uns den Blick auf das Versagen des humanitären Europas an den eigenen Grenzen. Auch bei der Weltsynode wirke er darauf hin, Blindheit zu überwinden. Mit der Aufforderung „Seht auf den und versucht euch von diesem Bild her umzugestalten“ richtete Bischof Wiesemannn den Blick auf Jesu Leiden, der in der vorösterlichen Bußzeit zur Umkehr aufrufe. An diese Betrachtung knüpfte er seinen Dank an Domkapitular Hundemer an.
„Not sehen und handeln“, sei das Motto der Caritas, für welche Hundemer so lange gewirkt hat. Er dankte Hundemer, der als Konzelebrant an dem Gottesdienst mitgewirkt hatte, für seinen Einsatz für die Caritas, für seinen priesterlichen Dienst, seine Treue zur Kirche aber auch die Bereitschaft, immer wieder neu aufzubrechen. „Sich von der Wirklichkeit Gottes immer wieder neu umarmen zu lassen, das ist Caritas“, schloss der Bischof seine Predigt. Am Ende des Gottesdienstes wurden abermals Dankesworte gesprochen. Generalvikar Markus Magin nahm den Dienstantritt des Bischofs vor 15 Jahren zum Anlass, um Wiesemann für sein Wirken im Bistum Speyer zu danken. Diesen Dank fasste er in drei unterschiedlichen Gesichtspunkten zusammen: Zum ersten sei da der Dank für seinen Dienst an der Einheit. Ohne mit Patenrezepten und fertigen Lösungen zu arbeiten lebe der Bischof die lebendige Auseinandersetzung mit dem lebendigen Glauben und setze ich auch beim synodalen Weg für ein Zusammenfinden von Menschen ein. Zum zweiten dankte der Generalvikar dem Bischof für seine Gemeinschaft mit den Menschen.
Er sei einer, der mittendrin ist, viel zuhören könne aber auch sein Wort mit hinein gebe, sagte Magin an Wiesemann gewandt. Zum dritten sprach er dem Bischof Dank dafür aus, dass er nicht nur als Amtsträger sondern auch als Mensch erlebbar sei, der zu seinen Schwächen stehe. Den Dank griff Bischof Wiesemann auf, gab ihn an die Anwesenden sowie alle Katholiken im Bistum und ihre Unterstützung im Gebet zurück. Der letzte Dank ging an die Dommusik für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes. Der Domchor unter Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori sang die “Missa St. Crucis in G” von Joseph Gabriel Rheinberger, dazu unter anderem „Jerusalem, Freude ward dir verheißen” von Franz Commer und “Ave regina caelorum” von Philip Stopford. Die Orgel spielte Domorganist Markus Eichenlaub.