Ludwigshafen / Metropolregion Rhein-Neckar – Nach der schrecklichen Gewalttat am 18.10.2022 im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim, bei der zwei Personen ihr Leben verloren und ein weiterer schwer verletzt wurde, wurde den Hinterbliebenen der Opfer viel Spenden- und Hilfsbereitschaft entgegen gebracht.
Die zunächst privat gesammelten Spenden der Bürger gingen an die Hinterbliebenen der drei vom Täter Angegriffenen und wurden entsprechend unter diesen Opfergruppen aufgeteilt.
Auf Drängen der Bürger wurde von der Stadt Ludwigshafen ebenfalls ein Spendenkonto eingerichtet, wo Hilfsgelder zentral gesammelt wurden. Insgesamt kamen dort rund 22.500 Euro zusammen. Diese Gelder wurden nun ebenfalls an die Opfer der Tat verteilt. Dabei entstand viel Verwunderung in Teilen der Bevölkerung, da auch die Freundin des Täters ein Viertel der Summe erhalten wird. Bedacht wurden die Ehefrau von Sascha Kraft, die mit ihren Kindern von einer Sekunde zur anderen alleine dastand, die Eltern von Jonas Sprengart, die nicht nur einen Sohn, sondern zwei Stützen ihres Betriebes verloren haben, den Schwerverletzten Marcel K., dessen Leben durch die Tag schlagartig verändert wurde, und die Ex-Lebensgefährtin des Täters mit ihren Kindern, die in eine existenziell schwierige Situation geraten sind.
Dies stiess bei einigen auf Unverständnis. Vorallem weil Spender nicht davon ausgingen, dass die Freundin des Täters in den Kreis der Opfer gezählt werden würde und dies für manche nicht hinreichend transparent gemacht worden ist. Doch ist diese Empörung gerechtfertigt? Auf Nachfrage bei der Stadt Ludwigshafen wurde gegenüber MRN-News.de erklärt, wieso der Freundin des Täters ebenfalls Geld aus dem Spendentopf zu Teil wird.
Das Anliegen der Spendenverteilung wurde aus bürokratischen Vorgangsgründen im Gemeinderat im Bau- und Grundstücksaussschuss behandelt. Dort wurde auch genau erörtert, wie und an wen die Hilfsgelder verteilt werden sollen. Im Ausschuss wurde innerhalb der Diskussion definiert, wer hier zur Opfergruppe zählen soll. Hierbei wurde neben den drei offensichtlich betroffenen Angehörigengruppen der Verstorbenen auch die Freundin des Täters miteinbezogen. Zur Begründung führt die Stadt Ludwigshafen an, dass auch diese Person durch das Verbrechen deutlich traumatisiert worden ist, u.a. weil der Täter den abgetrennten Arm des einen Opfers auf den Balkon der Freundin geworfen und diese sowie ihre Kinder somit direkt mit den Folgen der Tat konfrontiert und traumatisiert hat.
Kritisiert wurde von einigen Bürgern, wieso die Freundin die gleiche Summe wie die anderen Opferhinterbliebenen erhält. Hier hat man entschieden die Spendengelder zu jeweils gleichen Anteilen auszuschütten. Es lässt sich zum einen natürlich streiten, ob das traumatische Erlebnis der Freundin genauso schwer wiegt, wie der Verlust eines Angehörigen. Hier scheint die Relation etwas zu wanken. Man kann davon ausgehen, dass die Folgenabwägung hier durchaus etwas verschwommen ist. Die Stadt Ludwigshafen hat hierzu bislang nicht weiter erklärt, wieso die Aufteilung so durchgeführt wurde, wie aktuell gegeben.
Da jedoch auch die Kinder der Freundin durch den abgetrennten Arm auf dem Balkon sicher deutlich mitbeinträchtigt wurden, ist es allerdings nicht ganz abwegig, die Gelder insgesamt einfach zu gleichen Teilen zu spenden.
Die Stadt schreibt hierzu in einer aktuellen Stellungnahme: “Nachdem Mitglieder des Stadtrates das Verfahren zur Verteilung von Spenden kritisiert haben, tritt die Stadtverwaltung dem Eindruck entgegen, dass Informationen zu kurzfristig verfügbar gewesen seien, und stellt klar: Nach dem grauenvollen Geschehen in Oggersheim am 18. Oktober 2022 hatte die Stadt Ludwigshafen ein Spendenkonto eingerichtet. Auf diesem Konto sind 22.567,58 Euro eingegangen. Bereits in seiner Sitzung am 21. November 2022 hat der Bau- und Grundstücksausschuss der Annahme einer ersten Tranche von Spenden in Höhe von rund 19.000 Euro zugestimmt. In der Sitzung am 30. Januar 2023 hat der Ausschuss im nicht-öffentlichen Teil ohne Diskussion die Annahme der nach dem 21. November eingegangenen weiteren Spenden und die Verteilung der Gesamtsumme einstimmig beschlossen. In der Vorlage vom 30. Januar war neben den Informationen zu den Spenden auch ein Vorschlag zur Aufteilung der Spenden zu gleichen Teilen an die Familien Sprengart und Kraft, Marcel K. und die ehemalige Lebensgefährtin des Täters explizit enthalten.”
Als Begründung kann man hier durchaus nahelegen, dass es schwierig ist eine exakte Abwegung der unterschiedlichen traumatischen Tatfolgen bei den Opfern und Hinterbliebenen innerhalb der gemeinderatlichen Entscheidungsfindung durchzuführen. Im Sinne des Entscheidungsvorganges ist die Aufteilung in gleiche Anteile daher durchaus schlüssig. Ansonsten müssten unter Umständen vor der Weitergabe der Spenden langwierige Gerichts- oder Sachverständigenverfahren durchgeführt und abgewartet werden, was die Auszahlung und die Hilfe unnötig verzögert hätte.
Nichtsdestotrotz wird in der regen Diskussion über die Spendenverteilung in den sozialen Medien darüber diskutiert, ob es sich bei der erst im Ausschuss als Opfer der Tat definierten Freundin tatsächlich um eine legitime Empfängerin der Spendengelder handelt. Dies ist durchaus fragwürdig.
So war auch in der Pressemitteilung der Stadt zur Einrichtung des Spendenkontos nicht von “Opfern” als Empfänger sondern explizit von “Hinterbliebenen” die Rede. “Viele Menschen möchten die Hinterbliebenen der Opfer unterstützen, auch durch Geldspenden. Bei der Stadtverwaltung sind zahlreiche Anfragen wegen eines Spendenkontos eingegangen. Vor diesem Hintergrund hat Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck die Einrichtung eines solchen Kontos veranlasst.” (Pressemitteilung der Stadt Ludwigshafen vom 24.10.2022). Da der Täter selbst jedoch nicht verstorben ist, ist die Freundin defacto keine “Hinterbliebene” und hätte deshalb wohl auch kein Anrecht auf einen Anteil der Spenden, wenn man es genau nimmt. Die gesetzliche Definition von “Hinterbliebene” ist nämlich “als Hinterbliebener wird im juristischen Sprachgebrauch […] der ehemalige Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner eines Verstorbenen bezeichnet.”
So ist es nachvollziehbar, dass sich einige Menschen darüber aufregen, dass die Freundin letztlich als Mitempfängerin der Spendengelder berücksichtigt wurde. Einige Nutzermeinungen hierzu lauten z.B. “Es war ein Spendenaufruf zu Gunsten der Hinderbliebenen……ganz klare Zweckentfremdung von Spenden. Für die Entscheider muß es Folgen haben!!!! Was sollen die Spender, egal für welchen Anlass, das nächste mal denken? Ich wüsste was ich zu tun hätte wenn die Stadt Ludwigshafen ihre Finger im Spiel hat. Wahnsinn, was in dieser Stadt abläuft” oder “Sprachlos. Warum bekommt jemand überhaupt Spendengelder der kein Opfer oder Angehöriger eines Opfers ist?”.
Wieso die Stadt Ludwigshafen sich nun nicht an den expliziten Wortlaut (“Hinterbliebene”) des eigenen Spendenaufrufs hält, blieb auf unsere Nachfrage zunächst unbeantwortet. Nach Ansicht eines weiteren Social Media Kommentars bei Facebook wäre “Halbe halbe an die beiden betroffenen Familien” die zum Zeitpunkt der Spende zugrundeliegende Verteilungsauffassung gewesen. So wird auch die Frage nach einer etwaigen Veruntreuung von Spendengeldern aufgeworfen. “Das ist Eines von diesen vielen seltsamen Dingen, die in Ludwigshafen passieren” und man müsse “ganz schnell aufklären ..!!!”, heisst es in den Kommentaren weiter.
Trotz allem zunächst guten Willen, kann es also durchaus sein, dass wegen der Verteilung der Gelder im Nachgang doch noch Gerichte die Sache klären und vorallem die Stadt Ludwigshafen, bzw. der Gemeinderat sich für die aktuelle Aufteilungsentscheidung rechtfertigen müssen. Das Vertrauen in die Handlungen der Stadtspitze und Entscheidungsgremien in Ludwigshafen wurde jedenfalls einmal mehr, in den Augen nicht weniger Bürger, durch intransparente und eigenmächtige Entschlüsse erschüttert.
MRN-News bleibt an diesem Fall dran und wird nachberichten.
(Text: Raphael Ebler)