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Mutterstadt – Lebensschicksale zwischen 1933 und 1945

Mutterstadt beteiligt sich seit Frühjahr 2022 an der Stolperstein-Aktion des Künstlers Gunter Demnig, als 27 Erinnerungssteine für NS-Opfer in Gehwegen verlegt wurden. 2023 kommen weitere 40 Steine dazu, für die Spender*innen gezeichnet haben.

Die Ortsgruppe Mutterstadt im Historischen Verein der Pfalz hatte darüber vergangene Woche zu einem Vortragsabend eingeladen. Dabei wurden von den Referenten beispielhaft die Lebensschicksale Mutterstadter Bürger in der Zeit zwischen 1933 und 1945 in den Blick genommen; Lebensläufe von jüdischen und politischen Opfern.

Vorsitzender Michael Ceranski und Vorstandsmitglied Harry Ledig informierten die Besucher*innen über die Aktivitäten der Ortsgruppe mit Vortragsveranstaltungen, Museumsbesuchen, Ortsführungen und Ausstellungen und stellten die 2022 neugewählten Vorstandsmitglieder vor.

Einleitend sprach Bernhard Kukatzki, Historiker und Judaist, über die jüdische Gemeinde Mutterstadt, von der Ersterwähnung jüdischer Einwohner 1719 bis zum Untergang 1940 mit der Deportation. Kukatzki informierte über die jüdischen Einrichtungen, wie Synagoge, Schule, Ritualbad und Friedhof, über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen, über Ausgrenzung, Auswanderung, Emigration und Vertreibung zum Massenmord in der NS-Zeit.

Gemeindearchivarin Dr. Christina Wolf informierte über besonders bemerkenswerte Schicksale jüdischer Mitbürger: Das Ehepaar Sundelowitz mit drei Kindern, wo nur der Vater den Holocaust überlebte; aus der Speyerer Str. 1 die dort wohnenden Familien Max und Sara Löb und Ferdinand und Maria Löb; die durch Emigration, Flucht, Deportation, Ermordung, Befreiung, alle Schrecken dieser Zeit mitmachen mussten. Wolf beschrieb auch die ergreifende Biografie der Familie Oehlbert, die in der Oggersheimer Straße 33 wohnte. Die Mutter wurde aus einem Lager befreit, zwei der Töchter im KZ ermordet, dreien gelang die Flucht. Auch an das Schicksal von Elsa Löb, die in der Speyerer Straße 48 wohnte und in Auschwitz starb und von Emma Marum, die mit 83 Jahren als ältestes jüdisches Opfer 1940 nach Gurs deportiert wurde, erinnerte die Referentin.

Ortschronist Volker Schläfer erläuterte dann beispielhaft einige Lebensläufe und die Gründe für die Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung von Mutterstadter Bürgern in der Nazi-Zeit.

Da war Jakob Weber, Mutterstadts erster Berufsbürgermeister, der 1933 nach dem Verbot der SPD aus dem Amt entfernt wurde, in Neustadt und Ludwigshafen inhaftiert war, mit einem Ortsverbot belegt war und auf Grund aller Umstände im November 1933 starb.
Friedrich Schalk, Sozialdemokrat, Gewerkschafter und Widerstandskämpfer, Ortsvorsitzender derOrganisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ gehörte zu den 19 Männern aus Mutterstadt, die im März 1933 wg ihrer politischen Gesinnung und ihrer kritischen Haltung verhaftet wurden, in Neustadt in Schutzhaft saßen oder in den Gefängnissen Frankenthal oder Ludwigshafen inhaftiert waren.

Heinrich Hartmann, Redakteur bei der SPD-Parteizeitung „Pfälzische Post“ verlor durch das Verbot der Zeitung seinen Arbeitsplatz und war im Gefängnis Ludwigshafen in Schutzhaft. Hartmann war nach dem Kriege einige Jahre Bürgermeister. Auch osef Köhler gehörte zu den im Frühjahr 1933 verhafteten SPD-Genossen. Er war aber danach weiterhin während des Verbots bei illegalen Aktivitäten der SPD dabei, ebenso wie Friedrich Börstler, verhaftet und inhaftiert. Börstler war von Dezember 1948 bis Oktober 1949 ehrenamtlicher Bürgermeister.

Schläfer erinnerte auch an Personen, die auf Grund der menschenverachtenden Gesetzgebung, die Stigmatisierung, die Vererbungslehre des NS-Staates, Opfer wurden.

Dazu gehört Otto Gutekunst, der in das KZ Dachau zur „Umerziehung“ eingewiesen wurde, wo er 1937, im Alter von 40 Jahren, starb. Auch Wilhelm Batzler wurde so ein Opfer, er starb 1943 im KZ Natzweiler, wohin er wegen „Wehrkraftzersetzung“ eingeliefert worden war.
Hermann Klein, 1914 geboren, wurde ein Opfer der Nazi-Vererbungslehre, wurde in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen und starb dort 1942. Durch Denunziation starben Luisa Volz und ihr Sohn Johannes Volz. Nach der Verhaftung von Johannes Volz wegen Abhörung von Feindsendern warf sich seine Mutter vor die Lokalbahn in Mutterstadt; ihr Sohn wurde 1944 in Frankfurt nach einem Urteil des Volksgerichtshofs hingerichtet.

Der Referent erinnerte aber auch an „Stille Helden“ und Unterstützer in dieser Zeit; so an Johannes Unold, die Familie Kunz und Wilhelm Binder, die jüdischen Mitbürger das Leben retteten und stellte die immer wieder aufkommende Frage: Wie hätte ich mich damals verhalten?

Er schloss die Informationen des Abends mit einem Zitat des in Mutterstadt geborenen Ernest Löb, der seine Erinnerungen an diese Zeit beendet mit einem Aufruf an die jüngere Generation: „Vergesst nie die Ereignisse jener Jahre“.

Dazu ist anzumerken, dass der Vortrag auch von einer Schüler*innen-Gruppe aus dem Leistungskurs „Sozialkunde“ der IGS Mutterstadt mit ihrem Klassenlehrer Martin Saxer besucht wurde.

Text: Volker Schläfer

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