Hockenheim/Rhein-Neckar-Kreis/Metropolregion Rhein-Neckar. In letzter Zeit rümpften einige Bürgerinnen und Bürger die Nase. Kanalgerü-che dämpfte ihre Laune. Die Stadtverwaltung Hockenheim ergriff deshalb die Initiative im Kampf gegen die ungewollten „Grüße aus der Unterwelt“. Binnen kürzester Zeit war eine Lösung gefunden – der Einbau von Aktiv-kohlefiltern in die Kanalisationsschächte. Die Schmutzfracht im Siedlungs- und Gewerbeabwasser führte vor allem in den warmen Monaten im Som-mer zu unangenehmen Gerüchen aus der Kanalisation. Auch in der Stadt-verwaltung Hockenheim hatte „man die Nase voll“, als sich Anwohner über die Gerüche beschwerten und die CDU-Gemeinderatsfraktion deshalb ei-nen Antrag stellte. „Wir mussten handeln“, erinnert sich Reiner Lenz von der Abteilung Tiefbau der Stadtverwaltung Hockenheim.
Standzeit und Wärme
Die Tiefbauexperten kannten die Gründe des Ungemachs. „Organische Verbindungen mit Schwefel, Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenwasserstof-fen bilden einen Cocktail, der schon nach kurzer Verweildauer im Kanal zu Emissionen wie Gerüchen führt“, erläutert Reiner Lenz. Relevant sei dabei die Temperatur im Kanal: je höher, umso größer der Effekt. Besonders an-organische Substanzen wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff würden auffallen. „Sie machen den typischen Abwassergeruch aus“, weiß Lenz. Von anderen Gemeinden war bekannt, dass diese bereits mit Aktivkohlefil-tern in den Schachteinlässen experimentiert hatte. Es gibt Unterschiede in der Art und Wirksamkeit je nach technischem Ansatz. Lenz und seine Kol-legen haben sich früh sachkundig gemacht. „Aus notwendigem Anlass und auch zum Testen erwarben wir bereits vor vier Jahren einige Coalsi-Filter“, so Lenz weiter. Sie wurden in den Schachteinlässen und seitlichen Straßen-einläufen der Landauer Straße verwendet. „Wir haben damit gute Erfahrun-gen gemacht“. Seitdem habe es keine Beschwerden mehr gegeben.
Matten mit Bio-Organismen für die Karlsruher Straße
Für den derzeit „geruchsintensiven Bereich“ in der Karlsruher Straße haben die Experten einen Bedarf von rund 60 Einsätzen ermittelt. Nicht nur wegen der guten Filterwirkung griffen sie wieder zu Coalsi. Ulrich Bethge vom Her-steller erklärt, was das System ausmacht. „Der Clou sind die natürlichen Mikroorganismen“, verrät er. Bethge weiter: „Sie verstoffwechseln die häu-figsten Geruchsbildner“. Die Kulturen stammen aus eigenem Labor. „Sie fressen den Gestank auf“, ergänzt er. Damit wirken die Filter auf biologi-sche Art und Weise, doch nicht nur ausschließlich: Zwei weitere Stufen sind eingebaut, die mechanisch und chemisch filtern. Wichtig ist die Einlage aus Aktivkohle. Der poröse, feinporige Kohlenstoff wirkt katalytisch und neutra-lisiert dadurch viele Geruchsbestandteile. „Wir erreichen mit diesen Filtern einen praktisch vollständigen Geruchsrückhalt“, sagt Ulrich Bethge.
Der Hersteller nennt seinen Ansatz Dreifach-Hybridfilterung. Auch in Groß-anlagen wie für kommunale Klärwerke oder in der Industrie kommt das Ver-fahren zum Einsatz. Den Einbau in den Kanal in der Karlsruher Straße be-werkstelligten Reiner Lenz und seine Kollegen vom Bauhof der Stadt Ho-ckenheim in Eigenregie. Rund zehn Minuten waren pro Stück veranschlagt. Noch schneller ging der Wechsel der Filtermatten, wenn diese ihre Lebens-dauer erreicht haben. „Wir rechnen mit Standzeiten von bis zu drei Jahren“, sagt Ulrich Bethge mit Verweis auf die individuellen Einsatzbedingungen. Die Filter sind weder human-, pflanzen- noch tierpathogen und damit ge-sundheitlich unbedenklich. Filtermatten sind einfacher zu handhaben als et-wa Tabletten wie in anderen Systemen. „Obendrein ist die Lagerhaltung ein-facher“, ergänzt Reiner Lenz.
Die Experten der städtischen Tiefbauabteilung sehen in den Filtern auch ei-nen Beitrag zur Kostenersparnis. Denn je nach Art können Geruchsstoffe auf Dauer dem Kanalbauwerk und den technischen Anlagen schaden. Ur-sache dafür ist die von Schwefelwasserstoff verursachte mikrobakteriell in-duzierte Korrosion, die oft teure Sanierungen erfordern. Die Filter fungieren damit nicht nur als „Geruchskiller“, sondern auch als vergleichsweise preis-werte Maßnahme zur vorbeugenden Instandhaltung im Kampf gegen die „Grüße von unten“.
Info: Gerüche haben vielfältige Bedeutung
Beschwerden über üblen Geruch aus der Kanalisation sollten Behörden und Betriebe „nicht in den Wind schlagen“. Menschen fühlen sich durch Gestank schnell belästigt. Bei den Landesämtern zählt Gestank zu den mit Abstand häufigsten Beschwerdegründen. In der Regen finden sich die betroffenen Personen nicht mit der Situation ab. Denn unangenehmer Geruch ist ein Warnhinweis, der Angst, Ärger und Stress hervorruft. Das liegt in der menschlichen Evolution verankert.
Nicht jeder Geruch ist aber problematisch. Auf offenem Land etwa liegt die zumutbare Schwelle höher als im Wohngebiet. Betrachtet werden die Ge-ruchsstunden pro Jahr. 15 Prozent können als tolerabel gelten. Einzelgut-achten sind maßgeblich. Geruch ist meist ein Gemisch gasförmiger Sub-stanzen. Diese entstehen etwa durch Erwärmung, Fäulnis, Gärung. Nur leicht flüchtige, wasserlösliche und fettlösliche Stoffe registrieren die menschlichen Geruchszellen. Problematisch sind Wechselwirkungen, auch je nach Temperatur Luftdruck und Licht. Die meisten Gerüche gelten nach heutigem Wissensstand als nicht gesundheitsschädlich.