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Klingenmünster – Burg mit Komfort – Klingenmünster – Am Schlössel bei Klingenmünster wird weiter gegraben

Klingenmünster/südliche Weinstraße/Metropolregion Rhein-Neckar. Wenn sich Dieter Barz nicht vor mehr als 30 Jahren ins Schlössel verliebt hätte, wären sicher noch nicht viele Geheimnisse dieser besterhaltenen Burg aus salischer Zeit in Deutschland gelüftet. Seit 1988 gräbt der anerkannte Mittelalterexperte und ehemalige Finanzbeamte aus Alzey ehrenamtlich auf dem Felshügel bei Klingenmünster mit Genehmigung und in enger Zusammenarbeit mit der Landesarchäologie der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. Die Oberburg hat er inzwischen – zusammen mit einer Handvoll Helfern, darunter zwei aus dem Elsass – ausgegraben, nun wird an der Unterburg gebuddelt. Coronabedingt darf auch er noch nicht loslegen, doch sobald es nicht zu nass und zu kalt ist, kribbelt es ihm schon in den Fingern. Derweil sammelt er Material für seine Publikation über die Bau- und Siedlungsgeschichte der Burg, die sich im Besitz des Bezirksverbands Pfalz befindet und unter dem Schutz der Haager Konvention steht.

Rund 800 Quadratmeter der Oberburg, das sind 93 Prozent der Fläche, sind ausgegraben; und so manch Interessantes hat Barz und sein Team in all den Jahren dabei zutage gefördert, das das mittelalterliche Leben auf dem Schlössel veranschaulicht. Die Oberburg besaß einen Wohnturm mit Anbauten, darunter einen Abortturm, einen kleinen Innenhof mit Küche und Backofen sowie einem Badehaus, das unter dem Boden mit einem Heizraum ausgestattet war. Auf Komfort mussten die damaligen Bewohner und Bewohnerinnen also keineswegs verzichten. Diesen Gebäuden vorgelagert waren andere, in denen handwerklich gearbeitet wurde, und ein Stall. Die Fundstücke zeigen, dass hier durchaus Hochwertiges entstand, denn zum verarbeiteten Material gehörten Glas, Eisen, Buntmetall, die recycelt wurden, Horn und Knochen. Etwa Zweidrittel der Oberburg wurde handwerklich genutzt und es entstanden beispielsweise Schachfiguren aus Fluorit, Spielsteine aus Knochen, die sogar verschieden eingefärbt und verziert sind, Schmuck und Fibeln, die zum Schließen der Kleidung benutzt wurden.

Bereits im 7./8. Jahrhundert befand sich an der Stelle des Schlössels eine „alte Burg“, die eine Fläche von eineinhalb Hektar umfasste, was darauf hindeutet, dass die Burg wohl zum Schutz und Rückzugsort für das Kloster Klingenmünster und vielleicht für die Menschen der Umgebung diente. Um 1030/40 entstand dann innerhalb der alten Burg das Schlössel, dessen ursprünglicher Name unbekannt ist. Spätmittelalterlichen Quellen legen nahe, dass es einst möglicherweise „Newenburg“ („Neuenburg“) hieß. Vier Mal wurde die Burg zwischen der Mitte des 11. und in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zerstört – wann genau und von wem ist nicht geklärt. Danach lag die Burg bis um 1900 unter mehr als 2.700 Kubikmetern Schutt, wodurch sie der Nachwelt weitgehend erhalten blieb. Erste Grabungen erfolgten zwischen 1899 und 1904 von Christian Mehlis und 1935 führte Friedrich Sprater weitere Ausgrabungen durch. Im großen Stil und permanent kümmerte sich jedoch erst Dieter Barz um die Ausgrabung der rund 2.500 Quadratmeter einnehmenden „Turmburg“ – was für ihn zum Lebenswerk wurde.

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Unter den Funden sind wahre Kleinode, wie ein Mühlespiel, das in einer Fensterbank des Wohnturms eingeritzt war. Fenstergewände legen den Schluss nahe, dass es wahrscheinlich eine Fensterverglasung gab. Und grüne, violette und rote Farbspuren verweisen darauf, dass die Innenwände farbig gefasst waren. In der Oberburg gab es sogar ein Badehaus mit Fußbodenheizung – keine Selbstverständlichkeit auf Burgen. Die aufwändige Heizungsanlage besteht aus zwei Heizsystemen, einem Feuer- und Schürraum sowie einem Heißluftraum, was darauf hindeutet, dass das Gebäude zum Dampfbaden und Baden in Zubern genutzt wurde; Funde zahlreicher verbrannter Knochen legen nahe, dass man beim Baden gegessen und die Reste ins Feuer geworfen hat. Neben dem Badehaus befand sich in der Oberburg eine Küche mit einem ein mal ein Meter dicken Herdblock, einem Pfostenloch und einer Pfostengrube, die wohl als Auflage für einen Bratspieß dienten, sowie einen an die Küche angrenzenden Vorratsraum und außerhalb einen Backofen – was beides durchaus besonders war. In der Küche fanden sich Keramiktöpfe zum Kochen und jene für die Vorratshaltung.

Im gesamten Burgareal konnten etwa 67.000 Keramikscherben und über 4.000 Teile aus Eisen und Buntmetall ausgegraben werden. Hinzu kommen Glas, Gagat (auch schwarzer Bernstein oder Pechkohle genannt), bearbeitete Knochen und Horn, Schlacken, Holzkohle, Erz sowie diverse andere Funde. Von verschiedenen Materialien wurden Rohlinge oder Werkabfälle geborgen. Außergewöhnliche Fundmaterialien sind zum Beispiel violetter Fluorit (Schachfigur), Amethyst (Perle), roter Porphyr (Plattenbruchstück), Marmor (Plattenbruchstücke mit einer Jesus-Darstellung als Lamm) und Elfenbein/Walrosszahn (Werkabfall; Nuss von einer Armbrust). Auch ein vergoldeter Ohrring – der womöglich der Burgherrin gehört haben könnte – gehört dazu. Eine Lanzenspitze mit damasziertem Kern dürfte zu den Spitzenleistungen der damaligen Schmiedekunst gehören. Eine Hakenfibel – heute Clip – von einem Schwertgehänge in Form eines Drachens aus vergoldeter Bronze könnte einem Ritter gehört haben. Ein abgebrochener Griffel und ein Tintenhorn mit Abnutzungsspuren belegen Schreibarbeiten auf der Burg. Die Schachfigur, verzierte Spielsteine aus Knochen, teils dreiteilig mit Metalleinlagen, bis hin zu einfachen Spielsteinen aus Sandstein sowie Fragmente von Tric Trac-Spielbrettern zeigen, wie sich die Burgbewohnerinnen und -bewohner einst die Freizeit vertrieben haben. Einen besonderen Fund stellen rund 270 Silbermünzen dar, die gemeinsam – wohl in einer Börse aus Stoff oder Leder – nach 1084 versteckt wurden. Etwa 97 Prozent der Münzen wurden in der königlichen Münze in Speyer geprägt. Offenbar hatte sich der Burgherr ein kleines Vermögen angesammelt. Dies deutet an, dass Geld schon damals eine Rolle gespielt haben dürfte.

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