Mannheim / Metropolregion Rhein-Neckar(red/ak/pm SPD-Neckarau) – Zahlreiche Mitglieder der SPD-Ortsvereine Lindenhof, Neckarau, Rheinau und Seckenheim waren zur gemeinsamen Mitgliederversammlung ins Volkshaus gekommen, um den inhaltlichen, personellen und organisatorischen Erneuerungsprozess der SPD nach der verlorenen Bundestagswahl zu diskutieren. Als Diskussionspartnerin war Isabel Cademartori, die Vorsitzende der SPD Innenstadt, eingeladen geworden, damit sie als Mannheimer Delegierte auf dem SPD-Bundesparteitag vom 7./9. Dezember in Berlin die Hinweise und Anregungen der Parteibasis einbringen kann.
Das zweite und sehr aktuelle Thema des Abends war die Frage einer möglichen Beteiligung der SPD an einer neuen Regierung in Berlin. Eine Abstimmung unter den Anwesenden ergab 28 Stimmen für eine Minderheitsregierung und 9 Stimmen für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen, die bei mangelnder inhaltlicher Übereinstimmung nicht zwangsläufig zu einer großen Koalition führen müssen. Für Neuwahlen sprach sich niemand aus.
Die SPD dürfe nicht unter Druck entscheiden, welchen Beitrag sie leisten kann, um eine Regierungsbildung in Berlin zu unterstützen. Es führen viele Wege zum Ziel einer Regierungsbildung. In diesem Zusammenhang wurde die Glyphosat-Zulassung durch den CSU-Minister Schmidt nicht als Versehen sondern als Ausdruck einer aus München gesteuerten politischen Strategie gesehen, wie man künftig gedenkt, mit der Sozialdemokratie umzugehen.
In der Diskussion wurde betont, dass alle denkbaren Wege zur Bildung einer neuen Regierung offen und ehrlich diskutiert werden müssen. Es dürfe keine Denkverbote geben; erst recht nicht durch die Kanzlerin, die beispielsweise keine Minderheitsregierung mag. Das könne sie für sich wünschen und formulieren; mehr aber auch nicht. Am Ende einer breiten und gründlichen Diskussionen innerhalb der SPD, die auch für die Wählerinnen und Wähler der SPD sowie für die Sympathisanten und Freunde der Sozialdemokratie offen sein soll, soll vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen eine schriftliche Urabstimmung aller SPD-Mitglieder stehen.
In einer von der gemeinsamen Mitgliederversammlung verabschiedeten Resolution heißt es: „Es ist nicht nur für die SPD sondern auch für die Menschen in unserem Land, für deren Zukunft die SPD kämpft, von großer Bedeutung, dass sich die SPD inhaltlich, personell und organisatorisch neu aufstellt. Wenn die Sozialdemokraten in Deutschland – aber auch in anderen europäischen Ländern – marginalisiert werden, dann würde sich das Leben für die arbeitende Bevölkerung, für die Jugend, die Senioren und für die Menschen, die auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen sind, sehr schnell zum Schlechten wenden. Kapitalinteressen und Gewinnstreben dürfen nicht der alleinige Maßstab in unserer Zeit sein. Der Erneuerungsprozess der SPD ist deswegen unverzichtbar.
Das Dilemma der SPD ist, dass sie als Juniorpartner in einer großen Koalition immer wieder als Verlierer herausgeht, auch dann, wenn das Regierungsprogramm und in vielen Punkten auch das Regierungshandeln eine starke sozialdemokratische Handschrift tragen. Für die Mehrheit der Menschen verschwimmen zunehmend die politischen Unterschiede zwischen CDU und SPD. Dadurch gewinnen die politischen Ränder; insbesondere die Rechten, die eine demagogische Kampagne gegen „die da oben“ führen und in schwierigen Situationen mit einfachen Parolen Anklang finden.
Die Bildung einer schwarzen Ampel von CDU/CSU, FDP und Grünen ist an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit der geschäftsführenden Kanzlerin und der mangelnden Kompromissbereitschaft von CSU und FDP gescheitert. Die FDP hatte von Anfang mit falschen Karten gespielt; für sie kam eine Koalition überhaupt nicht in Frage. Als Retter in der Not wird jetzt von denselben Medien, die in den letzten Monaten die SPD niedergeschrieben haben, auf einmal diese SPD gerufen. Unter der missbräuchlichen Zitierung des Satzes von Willy Brandt „Erst kommt das Land, dann kommt die Partei“ [1], will man die SPD zwingen, sich erneut auf eine große Koalition mit der Merkel-CDU einzulassen. Die SPD hat sich in ihrer 150jährigen Geschichte noch nie der Staatsräson verweigert; oft bis fast zur Selbstaufgabe. Wenn nach einer erneuten großen Koalition die SPD bei weiteren Landtags- und Bundestagswahlen weiter an Stimmen und damit an politischer Gestaltungskraft verliert und tausende Menschen, die nicht wegen der Fortführung einer großen Koalition in die SPD eingetreten sind, diese wieder verlassen, dann stellt sich irgendwann einmal die Frage, wieviel „Staat“ dann mit der SPD überhaupt noch zu machen ist. Die letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass es auch Wahlergebnisse unter 20,5 Prozent gibt.“
Resolution der Mitgliederversammlung der SPD-Ortsvereine des Mannheimer Südens:
Lindenhof, Neckarau, Rheinau und Seckenheim am 29. November 2017
1. Auf der heutigen gemeinsamen Mitgliederversammlung ergab es folgende Abstimmung: 0 Genossinnen und Genossen haben sich für Neuwahlen, 28 für eine Minderheitsregierung und 9 für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der CDU ausgesprochen.
2. Am 27.11.2017 hat der SPD-Parteivorstand im Leitantrag zum Bundesparteitag am 7./9. Dezember 2017 in Berlin formuliert:
„Am 24. September 2017 haben wir mit nur 20,5 Prozent der Zweitstimmen unser schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland erzielt. Das ist nicht nur eine weitere Niederlage auf Bundesebene nach 2005, 2009 und 2013, sondern auch ein Indiz für die europaweite Schwäche der sozialdemokratischen Bewegung. Es ist ein desaströses Ergebnis, das uns kein Mandat für eine Regierungsbeteiligung gibt und auch unser Selbstverständnis als Volkspartei in Frage stellt.“
3. Die beiden großen Volksparteien CDU und SPD haben bei der Bundestagswahl zusammen 13,8 Prozent der Stimmen verloren und repräsentieren zusammen mit 53,8 Prozent nur noch etwas mehr als die Hälfte der Wähler*Innen. Langfristige Wählerbindungen an Volksparteien nehmen ab. In der Bundesrepublik hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein Drei-Parteien-System offensichtlich zu einem Sechs-Parteien-System entwickelt, das auf Dauer auf unterschiedliche Koalitionen angewiesen ist; inzwischen immer mehr von drei Parteien, um überhaupt eine Mehrheit im Parlament zu haben.
4. Das Dilemma der SPD ist, dass sie als Juniorpartner in einer großen Koalition immer wieder als Verlierer herausgeht (ähnliche Erfahrungen haben auch andere Parteien gesammelt), auch dann, wenn das Regierungsprogramm und in vielen Punkten auch das Regierungshandeln eine starke sozialdemokratische Handschrift tragen. Für die Mehrheit der Menschen verschwimmen zunehmend die politischen Unterschiede zwischen CDU und SPD. Dadurch gewinnen die politischen Ränder; insbesondere die Rechten, die eine demagogische Kampagne gegen „die da oben“ führen und in schwierigen Situationen mit einfachen Parolen Anklang finden.
5. Die SPD hat den Anspruch einer Programmpartei. In der öffentlichen Wahrnehmung geht das sozialdemokratische Profil jedoch zunehmend verloren. Bei keinen der für die Menschen zentralen Probleme ist sie prägend und richtungsgebend. Deswegen ist in vielen Diskussionen vor und nach der Bundestagswahl der Wunsch deutlich geworden, dass die SPD ihr Profil als Partei der sozialen Gerechtigkeit, der Solidarität und des Fortschritts in eine bessere Gesellschaft deutlich und auch glaubhaft schärfen muss.
6. Es ist nicht nur für die SPD sondern auch für die Menschen in unserem Land, für deren Zukunft die SPD kämpft, von großer Bedeutung, dass sich die SPD inhaltlich, personell und organisatorisch neu aufstellt. Wenn die Sozialdemokraten in Deutschland – aber auch in anderen europäischen Ländern – marginalisiert werden, dann würde sich das Leben für die arbeitende Bevölkerung, für die Jugend, die Senioren und für die Menschen, die auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen sind, sehr schnell zum Schlechten wenden. Kapitalinteressen und Gewinnstreben dürfen nicht der alleinige Maßstab in unserer Zeit sein. Der Erneuerungsprozess der SPD ist deswegen unverzichtbar.
7. Unser Parteivorsitzender Martin Schulz hat den meisten SPD-Mitgliedern aus der Seele gesprochen, als er nach dem Desaster der Bundestagswahl den Platz der SPD als größte Oppositionspartei im Bundestag und nicht in einer großen Koalition sah. Zu einer Demokratie gehört auch eine starke Opposition. Erdrückende Mehrheiten großer Koalitionen sind kein gutes Vorzeichen für einen lebendigen Parlamentarismus. Die jüngsten Wahlergebnisse in Österreich haben deutlich gemacht, wohin das führen kann.
8. Die Bildung einer schwarzen Ampel von CDU/CSU, FDP und Grünen ist an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit der geschäftsführenden Kanzlerin und der mangelnden Kompromissbereitschaft von CSU und FDP gescheitert. Die FDP hatte von Anfang mit falschen Karten gespielt; für sie kam eine Koalition überhaupt nicht in Frage. Als Retter in der Not wird jetzt von denselben Medien, die in den letzten Monaten die SPD niedergeschrieben haben, auf einmal diese SPD gerufen. Unter der missbräuchlichen Zitierung des Satzes von Willy Brandt „Erst kommt das Land, dann kommt die Partei“ [2], will man die SPD zwingen, sich erneut auf eine große Koalition mit der Merkel-CDU einzulassen. Die SPD hat sich in ihrer 150jährigen Geschichte noch nie der Staatsräson verweigert; oft bis fast zur Selbstaufgabe. Wenn nach einer erneuten großen Koalition die SPD bei weiteren Landtags- und Bundestagswahlen weiter an Stimmen und damit an politischer Gestaltungskraft verliert und tausende Menschen, die nicht wegen der Fortführung einer großen Koalition in die SPD eingetreten sind, diese wieder verlassen, dann stellt sich irgendwann einmal die Frage, wieviel „Staat“ dann mit der SPD überhaupt noch zu machen ist. Die letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass es auch Wahlergebnisse unter 20,5 Prozent gibt.
9. Die SPD darf nicht unter Druck entscheiden, welchen Beitrag sie leisten kann, um eine Regierungsbildung in Berlin zu unterstützen. Es führen viele Wege zum Ziel einer Regierungsbildung. In diesem Zusammenhang ist die Glyphosat-Zulassung durch den CSU-Minister Schmidt mit Sicherheit kein Versehen sondern Ausdruck einer aus München gesteuerten politischen Strategie, wie man künftig gedenkt, mit der Sozialdemokratie umzugehen.
10. Alle denkbaren Wege zur Bildung einer neuen Regierung müssen offen und ehrlich diskutiert werden können. Es gibt keine Denkverbote; erst recht nicht durch die Kanzlerin, die beispielsweise keine Minderheitsregierung mag. Das kann sie für sich wünschen und formulieren; mehr aber auch nicht.
11. Am Ende der breiten und gründlichen Diskussionen innerhalb der SPD, die auch für die Wählerinnen und Wähler der SPD sowie für die Sympathisanten und Freunde der Sozialdemokratie offen sein soll, muss vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen eine schriftliche Urabstimmung aller SPD-Mitglieder stehen.