Speyer / Metropolregion Rhein-Neckar. Die Linke fordert „helfen statt kriminalisieren“! –
Der Rat der Stadt Speyer hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause die Änderung der Sondernutzungsverordnung beschlossen, die auch das Betteln in der Innenstadt regelt.
Trotz deutlichen Hinweisen seitens der Fraktion der LINKEN dass mit den nun, nach breiter Zustimmung im Rat, beschlossenen Sondernutzung die Vollzugsbeamtinnen und -beamten des Ordnungsamtes nunmehr selbst vor Ort entscheiden sollen, wer gegen die Verordnung verstoße und wer nicht. Hiermit wird einerseits ein sehr hoher Druck auf die einzelnen städtischen Mitarbeiter_innen erzeugt, andererseits öffnen die „unbestimmten Rechtsbegriffe“ Tür und Tor für behördliche Willkür!
So wird künftig per Augenmaß festgestellt was
a) Aufdringliches und aggressives Betteln
b) Bandenmäßiges und organisiertes Betteln
c) Betteln unter Vortäuschung von Erkrankungen, Behinderungen oder Gebrechen
d) Betteln durch Vortäuschen künstlerischer Darbietungen bzw. unter Verwendung
nicht gebrauchsfähiger Musikinstrumente
e) Betteln in Begleitung von Kindern oder durch Kinder
sein wird. Ist ja auch kein Problem, denn mit Anwälten oder Lobbyverbänden, die dem Rat diese Entscheidung vergällen ist leider nicht zu rechnen.
Obwohl gerade aus juristischer Perspektive diese Satzung einer Überprüfung bedarf.
Wenig Fingerspitzengefühl bewies leider einmal mehr Claus Ableiter, Fraktionsvorsitzender der BGS, der sich nicht schämte vor dem Rat von „kriminellen Bulgaren“ zu schwadronieren, was ihn angesichts seiner jüngsten Ausführungen zu Indischen Elefanten, die große Freude am Leben in Zirkussen hätten bei den Kommunalwahlen disqualifizieren sollte. Ihm entgegnete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Aurel Popescu, folgerichtig:
„Niemand bettelt in diesem Staat, der sich selbst sozial nennt, gerne. Wer sich in den Straßendreck kniet und um Almosen bittet, hofft auf Hilfe und sollte nicht auch noch kriminalisiert werden!“
Ganz besonders empörte sich DIE LINKE Fraktion über das Verbot von Betteln in Begleitung von Kindern. Popescu hierzu:
„Meine Sie denn, liebe Ratsmitglieder, die Mutter geht morgens zum Betteln und gibt das Kind davor in der Kita oder im Hort ab!? Oder besser in einer privaten Musikschule, damit die künstlerischen Darbietungen zukünftig von den geschulten Vollzugsbeamten auch als solche erkannt und wahrgenommen werden?“
Die unbestimmten Rechtsbegriffe, mit denen der Rat hier ohne Not hantiert liefern die ohnehin von der Gesellschaft ganz zu Boden getretenen Menschen einer völligen Willkür aus. Dies steht dem Stadtrat, der noch in derselben Sitzung einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Stadtgeschichte im Dritten Reich und der Verlegung von Stolpersteinen im Andenken an die von Nationalsozialisten ermordeten Bürgerinnen und Bürger in Auftrag gab, mehr als schlecht zu Gesicht.
DIE LINKE forderte per Antrag zur Geschäftsordnung, die unbestimmten Rechtsbegriffe zu definieren, sie „mit Leben zu füllen“, den überfälligen Aspekt sozialer Ersthilfe gerade wenn Kinder betroffen sind einzubauen und warnte eindringlich die Schwächsten der Gesellschaft unter Generalverdacht zu stellen und noch weiter zu stigmatisieren. An Claus Ableiter müsse man sich hier wahrlich kein Beispiel nehmen.
„Diese Menschen brauchen Hilfe – keine Strafe!“, so die Linksfraktion geschlossen.
Übrigens könnten Ratsmitglieder und Stadtvorstand auch ganz ohne wissenschaftliche Aufarbeitung wissen, dass zu den ersten Opfern in der Zeit des Nationalsozialismus sog. Asoziale zählten. Dies waren auch und gerade Bettlerinnen und Bettler.
Sicher fände sich dazu ein passender Beschluss des Stadtrates aus der NS-Zeit im Stadtarchiv.
DIE LINKE Fraktion kritisierte zudem, dass andere Ratsfraktionen sich beim selben Tagesordnungspunkt zwar mit Auslagen der Geschäfte, Fahrradwerbung und Straßenmusik beschäftigten, vor den Ärmsten der Gesellschaft jedoch scheinbar lieber die Augen verschlossen.
DIE LINKE wird genau hinsehen, wie die Verwaltung mit der novellierten Verordnung umgeht und weiterhin Sprachrohr der Schwächsten bleiben!
Quelle Text: Die Linke Speyer / Germersheim