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Silz / Landau / Ludwigshafen – Mobbing, Gewalt und sexuelle Übergriffe in zwei pfälzer Kinderheimen? – Strafanzeigen gegen 32 Personen

Silz / Landau / Metropolregion Rhein-Neckar – (rbe) Mehrere ehemalige Bewohner zweier Jugendheime in Silz und Ludwigshafen haben gegenüber einem Anwalt u.a. von gewalttätigen und sexuellen Übergriffen durch Mitinsassen und Heimangestellte berichtet. Die Vorwürfe reichen von Mobbing, über Verletzung der Aufsichtspflicht, bis hin zur Vergewaltigung durch Mitinsassen, Bedrohung und Nötigung. Zudem sollen schon 12-jährigen Mädchen Verhütungsmittel gegeben worden sein und sexuelle Kontakte zwischen Minderjährigen nicht unterbunden worden sein. Beschwerden über sexuelle Annäherungen und Übergriffe durch Mitbewohner seien ohne Reaktion der Erzieher geblieben. Auch diverse weitere Straftaten stehen im Raum.

Die Vorfälle sollen sich in den beiden durch das St. Dominikus Krankenhaus Ludwigshafen (Erg. 02.05.: St. Dominikus Krankenhaus und Jugendhilfe gGmbH) getragenen Jugendheimen Kinder- und Jugenddorf Maria Regina in Silz und St. Annastift in Ludwigshafen, mindestens seit 2009, zugetragen haben.

Diverse, dem Redakteur vorliegende Dokumente, Aussagen, Videos, Fotos und Schriftstücke, beschreiben das Szenario eines von Einschüchterung, Gewalt und Mobbing geprägten Heimalltages. Besonders die Heimleitung steht dabei im Fokus. Auch zwischen den Mitarbeitern soll es zu Spannungsverhältnissen gekommen sein. Insbesondere seien Mitarbeiter, die auf Missstände und Verfehlungen aufmerksam machten, auch intern gemobbt worden. Dies geht u.a. aus Mitteilungen ehemaliger in den Heimen beschäftigter Personen hervor.

In diesem Kinder- und Jugenddorf in Silz soll es vermehrt zu Mobbing, Gewalt und sexuellen Übergriffen gekommen sein. (Foto: R. Ebler)
In diesem Kinder- und Jugenddorf in Silz soll es vermehrt zu Mobbing, Gewalt und sexuellen Übergriffen gekommen sein. (Foto: R. Ebler)
Das betroffene Jugendheim in Silz war schon vor zwei Jahren in die Schlagzeilen geraten, als der damals 12-jährige Max K., aus Angst vor einer Rückkehr in das Heim, für einige Zeit untergetaucht war. Nach seiner Rückkehr schilderten er und seine ebenfalls vorübergehend in dem Heim untergebrachten Geschwister diverse Vorfälle, die sich während ihrer Heimzeit zugetragen haben. Sie gaben damit den Anstoss zu einer Lawine bislang unbekannten Ausmasses (mrn-news.de berichtete).

Bei dem Jungen war beispielsweise, trotz akuten Entzündungserscheinungen und dauerhaften Schmerzen, die Behandlung seines Fußes über Wochen hinweg verweigert und seine Bitte zur Behandlung abgetan worden. Aufgrund der Nichtbehandlung mussten dem Jungen nachträglich mehrere Zehennägel gezogen werden. Zudem wird sein Fuß dauerhaft geschädigt bleiben. Diese Verletzungen wurden mehrfach ärztlich dokumentiert.

Er und seine Geschwister berichteten außerdem von Gewalt unter den Heimkindern, Demütigungen und Übergriffen durch Heimmitarbeiter und andere teils schwerwiegende Verfehlungen durch das Heimpersonal und diverse Mitbewohner.

In der Folge, des auch in den Medien veröffentlichten Falles, meldeten sich weitere Familien und Heimkinder bei Andrea K., der Mutter des jungen Max. In eigener Recherche sammelte diese nach und nach die Aussagen von mittlerweile über 20 ehemaligen Heimkindern, die ebenfalls über einen Zeitraum von mehreren Jahren verschiedenste Vorfälle aus ihrer Heimzeit schilderten. Auch hier wurde von sexueller, körperlicher und seelischer Gewalt während der Heimaufenthalte berichtet.

Mehrere Geschädigte sagten u.a. aus, von Mitbewohnern, auch unter Kenntnis der Heimangestellten, zu sexuellen Handlungen genötigt und geschlagen worden zu sein oder derartige Handlungen mitbekommen zu haben.

Die Tatvorwürfe umfassen diverse schwere Vergehen, u.a. Isolation, Einsperren ohne Rechtsgrundlage, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Zwangsmedikation ohne zureichende medizinische Grundlage, Kindesentzug, sexueller Missbrauch, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, psychischer Druck bis zu Suizidversuchen, Aufsichtspflichtverletzungen, Nötigung, schwere Körperverletzung, Bedrohung, Bestechung, Vorteilsnahme im Amt, Vorteilsgabe und Abrechnungsbetrug bei Krankenkassen.

Die teils schockierenden Aussagen der ehemaligen Heimbewohner, veranlassten den Rechtsanwalt Michael Langhans, die Fälle zu bündeln und in der Folge Strafanzeigen gegen die durch die Kinder genannten Personen, darunter mehrere in den Heimen untergebrachte Jugendliche, diverse Heimangestellte und den Heimleiter, zu stellen. Auch wurden bereits in der Vergangenheit mehrere Strafanzeigen durch weitere Rechtsanwälte gestellt.

Rechtsanwalt Langhans reichte am 6. April, im Namen von 24 Geschädigten, Strafanzeige und Strafantrag gegen 19 Heimangestellte, Betreuer und Aufsichtspersonen sowie weitere 13 Heiminsassen, in dem von ihm so bezeichneten “Tatkomplex Silz”, bei der Staatsanwaltschaft Landau ein. Der Anwalt betonte: “Inzwischen haben sich auch Angestellte dieser Institution gemeldet, die die Angaben betroffener Kinder und Jugendlichen im Wesentlichen und insbesondere grundsätzlich bestätigen.” So soll es schon unter dem Vorgänger der jetzigen Silzer Heimleitung zu derartigen Fällen gekommen sein.

Auch gegen Angestellte des Jugendamtes und diverser Rechtsorgane kam es im Laufe der vorangegangenen Fälle zu Vorwürfen wie Rechtsbeugung, Vertuschung, Geheimnisweitergabe und Vorteilsnahme. In seiner Anzeigeschrift fordert der Rechtsanwalt deshalb auch, gewisse Ermittlungsstellen von den Ermittlungsverfahren auszuschliessen, um Interessenskonflikte bei der Ermittlungsarbeit zu vermeiden.

In einigen Fällen sollen, nach aktuellem Stand, diverse Aktenvermerke, Vorfallsprotokolle und Schriftverkehr verschwunden oder durch unbekannte Personen bereinigt worden sein. Dies sei bei vorangegangenen Akteneinsichten durch mehrere Anwälte aufgefallen.

Die Staatsanwaltschaft Landau bestätigte, dass derzeit mehrere Ermittlungsverfahren gegen verschiedene Personen im Hinblick auf die genannten Vorfälle laufen. Einige Ermittlungsverfahren gegen weitere Personen seien in der Vergangenheit auch eingestellt worden. Hier seien die Vorwürfe zu unkonkret gewesen oder der Tatverdacht konnte nicht ausreichend bestätigt werden. In einigen Fällen seien in Frage kommende Straftaten auch verjährt gewesen.

Die neue Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Landau, Angelika Möhlig, betonte auf Anfrage, man gehe allen Hinweisen auf Straftaten nach, sei aber auch auf die Kooperation der Opfer angewiesen. Die Vielzahl der Anschuldigungen, Opfer und potenzieller Täter mache die Ermittlungen umfangreich und schwierig.

Im Hinblick auf die neuerliche Anzeige gegen die 32 Personen, heisst es seitens der Staatsanwaltschaft: “Die Vorwürfe, die das im hiesigen Zuständigkeitsbereich gelegene Kinderheim betreffen, werden von der Staatsanwaltschaft Landau geprüft.” Die Staatsanwaltschaft erklärte, es sei “zunächst durch Vernehmung von Zeugen zu klären, zu welchen konkreten Geschehnissen es tatsächlich gekommen ist”. Sie kündigte weitere Ermittlungen an.

Anwalt Langhans wiederum meint, das bislang unzureichend ermittelt worden sei, und forderte die zeitnahe Vernehmung aller Beschuldigten, Opfer, Zeugen, Mitbewohner sowie die Beschlagnahmung aller potenziellen Beweismittel vor Ort. Er betonte, dass den Behörden auch schon konkrete Tathinweise und Aussagen vorgelegt worden seien. Zudem würden die Angaben der Opfer auch von anderen Heiminsassen bestätigt. Die Vernehmung von Zeugen und Opfern würde durch die Polizei teilweise auch unter fragwürdigen Umständen durchgeführt. Zudem sei durch die Polizei bei mindestens einer Vernehmung einem Zeugen untersagt worden, im Beisein eines Anwaltes vernommen zu werden.

In einer anwaltlichen Pressemitteilung bezüglich der jetzigen Strafanträge, heisst es: “Anzeigen gegen die Einrichtung in Silz gibt es seit mindestens 2009. (…) Erst mit der Berichterstattung über den Fall der K‘s wurde Betroffenen bewusst, dass sie nicht allein sind, ihr Fall kein Einzelfall ist, wie es Heim und Staatsanwaltschaft glauben machen.”

Besonders kritisiert wird das bisherige Vorgehen der Ermittlungsbehörden bei vergangenen Verfahren. Wichtige Vernehmungen würden unnötig aufgeschoben und die Beweissicherung würde zu langsam geführt, wodurch Beweise vernichtet werden könnten oder Verjährungen zu befürchten seien.

Es ginge ihr und ihrem Anwalt darum “Kinder vor solchen Übergriffen zu schützen”, teilte Andrea K. in einem Telefongespräch mit. Den Opfern vergangener Taten müsse durch eine umfassende Aufklärung geholfen werden.

Ob die Kinderheime in Silz und Ludwigshafen die einzigen Heime sind, in denen sich derlei Vorfälle abgespielt haben sollen, ist derzeit nicht sicher. Möglich ist, dass sich im Rahmen der Ermittlungen und der Publizierung der Vorkomnisse noch weitere Betroffene und Zeugen der Vorfälle melden. In jedem Falle stellt sich die Frage, ob die offenbar seit mehreren Jahren auftretenden Zwischenfälle auch tiefergründige strukturelle Ursachen haben, zumindest innerhalb der Trägerschaft oder der betroffenen Jugendheime selbst.

Der Träger der beiden Heime, das St. Dominikus Krankenhaus Ludwigshafen, wittert hingegen eine verschwörerische Hetzkampagne mit dem Ziel der Rufschädigung. In einer auf der Website des Kinder- und Jugenddorfes Silz veröffentlichten Mitteilung, heisst es zu den Vorwürfen u.a.: “in den letzten Wochen und Monaten sehen wir uns mit massiven Anschuldigungen konfrontiert. Mit drastischen Vorwürfen soll unsere Kernkompetenz wie auch unser ethisches Verantwortungsbewusstsein in Frage gestellt werden.” Die Anschuldigungen werden weiter als “gezielte Fehlinformationen über vermeintlich skandalöse Zustände in unseren Einrichtungen” bezeichnet. Weiter heisst es, “Wir bewerten die Vorwürfe als Teil einer Kampagne, die im Zusammenhang steht mit mehreren nicht abgesprochenen und gesetzeswidrigen Selbstrückführungen von Kindern in ihre Ursprungsfamilien.”

Auf eine schriftliche Anfrage an die Heim-Trägerschaft, mit der Bitte um spezifische Stellungnahme zu den genannten Tatvorwürfen, ist bislang noch keine Antwort eingegangen.

Die dem Redakteur vorliegenden Informationen, welche sich aus verschiedenen Dokumenten diverser involvierter Behörden, Personen und Anwälten zusammensetzen, lassen Zweifel daran aufkommen, ob die Anschuldigungen allesamt so haltlos sind, wie vom Kinder- und Jugenddorf Silz dargestellt. Bis zum Beweis der Schuld, gilt allerdings für alle Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung. Durch die Unschuldsvermutung werden allerdings Maßnahmen der Strafverfolgung auf Grund eines bestimmten Verdachts nicht ausgeschlossen. So ist z.B. die vorläufige Festnahme und die Untersuchungshaft aufgrund dringenden Tatverdachts auch ohne den endgültigen Beweis der Schuld der Beschuldigten möglich.

Laut Angabe des Landesjugendamtes Rheinland-Pfalz, bestehen in Rheinland-Pfalz derzeit rund 5000 Heimplätze. Bislang müssten sich Jugendheime nur zu Beginn ihrer Tätigkeitsaufnahme einem Genehmigungsverfahren unterziehen, regelmäßige Kontrollen durch unabhängige Stellen fänden nach der Zulassung, laut Angaben des LJA, nicht statt und seien auch rechtlich nicht vorgeschrieben. Nur bei konkreten Vorfällen, würden Überprüfungen durchgeführt.

Die Einrichtungen hätten Meldepflichten bei besonderen Vorkomnissen und Straftaten zu beachten. Sollten sich Vorfälle häufen oder die Zustände in den Heimen gegen Gesetze verstoßen, so gäbe es die Möglichkeit des Zulassungsentzuges für Personal und Institutionen. Aktuell würden dahingehend jedoch keine derartigen Massnahmen in rheinland-pfälzischen Jugendheimen durchgeführt. Über Verfehlungen von Jugendamtsmitarbeitern konnte man derzeit keine Auskunft geben, bzw lägen keine Erkenntnisse vor.

Traumatische Erlebnisse, ob nun in der Familie oder im Heim, können für die betroffenen Kinder und Jugendlichen “langfristige psychologische Auswirkungen auf das zukünftige Leben” haben, meint die Mannheimer Kinder- & Jugendpsychiaterin Dr. Birgit Müller, die seit vielen Jahren u.a. Problemfamilien und psycholgisch auffällige Kinder betreut. Sie schilderte auf Anfrage des Redakteurs ihre Sicht auf das Thema Heimunterbringung und psychologische Problembewältigung.

Eine Unterbringung im Heim sollte, nach Auffassung Müllers, vorallem dazu dienen, “Stresssituationen zu entschärfen, Beziehungen zu stabilisieren (…) fehlende strukturierte Abläufe zu erlernen und klare Regeln im Leben der Kinder zu gewährleisten”. Geeignete Vorbilder und das Gefühl von Sicherheit seien hierzu unerlässlich. Ebenso wichtig für die Stabilisierung der Kinder seien zuverlässige Vertrauenspersonen.

Probleme bei der Heimunterbringung könnten beispielsweise dann auftreten, wenn Heimmitarbeiter nicht ausreichend geschult oder überfordert seien oder durch eine dünne Personaldecke unter enormem Arbeitsdruck stünden und deshalb auf Problemsituationen nicht entsprechend reagierten, so Müller.

Ob diese Faktoren auch bei den nun beanzeigten Umständen in den beiden Jugendheimen eine Rolle spielten, ist durch die weiteren Ermittlungen zu klären.

Kindern steht in unserer Gesellschaft ein besonderer Schutz zu, egal ob sie in normalen Familienverhältnissen aufwachsen oder aus irgendwelchen Gründen in Heimen untergebracht sind. Gerade für Heimbetreiber und Erzieher, die eine verantwortungsvolle Aufgabe haben, sollte es oberste Pflicht sein, diesen Schutz umzusetzen. Das Kindeswohl darf nicht durch Profitgier, Inkompetenz oder gar Mutwilligkeit fahrlässig gefährdet werden. Es muss gewährleistet sein, dass gerade die Kinder, welche durch die Isolation von ihrem gewohnten Umfeld ohnehin mit erhöhtem Druck und Angst zu kämpfen haben, ausreichend unterstützt und nicht noch mehr geschunden werden. Im Zweifel muss auch das System der Heimzulassung und Kontrolle insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden, um diese Standards sicherzustellen.

Zeugen und Opfer, die Hinweise zu strafrelevanten Vorgängen in den genannten Jugendhilfeinrichtungen in Silz, Ludwigshafen oder anderen Heimen geben können, sollten die Ermittlungsbehörden über ihre Kenntnisse informieren, um deren Aufklärung zu unterstützen. Desweiteren können sich diese Personen auch mit Herrn RA Michael Langhans in Donauwörth in Verbindung setzen. Auch das Jugenddorf Silz bittet in seiner Presseerklärung darum, dass sich Opfer oder Zeugen von Vorfällen in dem Heim, mit diesem oder der St. Dominikus Krankenhaus (Erg. 02.05.: St. Dominikus Krankenhaus und Jugendhilfe gGmbH), in Verbindung setzen sollen.

Über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit, wird nachberichtet.

(Redaktion und Text: Raphael B. Ebler, Freier Journalist, Mannheim, 14. April 2016)

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