Walldorf/ Metropolregion Rhein-Neckar.Auf dem Weg in die Energiewelt von morgen
Pilotprojekt „Living Lab“ in Walldorf – intelligentes Energiesystem vernetzt Haushalte
„Weit nach vorn“ schauen die Stadtwerke Walldorf, die sich gemeinsam mit fünf Kooperationspartnern auf den Weg in die „Energiewelt von morgen“ machen, wie es Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Gruber am 8. Dezember im Pressegespräch formulierte.
„Living Lab Walldorf“ heißt das auf drei Jahre angelegte Forschungs- und Entwicklungsprojekt, mit dem rund vierzig Haushalte und auch Gewerbebetriebe in Walldorf mit intelligenter Technologie zu einem virtuellen Kraftwerk vernetzt werden sollen. Nachdem das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg das Pilotprojekt zum 1. Dezember in sein „BWPlus-Programm“ aufgenommen hat und damit mit einer Million Euro die Hälfte der Kosten übernimmt, kann es losgehen. Eine Informationsveranstaltung für interessierte Walldorfer Haushalte und Unternehmen ist für das Frühjahr 2016 geplant. Der Fokus liegt auf den Haushalten in Walldorf-Süd, die mit Photovoltaik-Anlage, Wärmepumpe und privatem Stromspeicher die technischen Voraussetzungen für das Projekt mitbringen. Bürgermeisterin Christiane Staab, die Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Walldorf ist, sieht dem innovativen Vorhaben optimistisch entgegen. „Wir haben eine sehr technik-affine Bevölkerung, die bestimmt ein gutes ‚Labor‘ bilden wird“, meinte sie in Anspielung auf den Projekttitel „Living Lab“.
Kunde im Fokus
Obwohl sich die Stadtwerke Walldorf hervorragend auf dem Markt behaupteten, so Matthias Gruber, werde die Zukunft auf dem Strommarkt „bunter und anders“ werden. Ein global agierendes Unternehmen wie Google dränge beispielsweise in dieses Geschäftsfeld und wolle Haushalte mit allen Dienstleistungen versorgen, auch mit Strom. „Es wird andere, intelligentere Formen der Stromlieferung geben“, so Gruber. Genau damit befasst sich das „Living Lab“, an dem sich auch die MVV Energie AG, die ebenfalls in Mannheim ansässige Beegy GmbH, die Keo GmbH Köln als Technologiepartnerin und als wissenschaftliche Partner das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und das FZI Forschungszentrum Informatik beteiligen. Das Projekt steht ganz im Dienste der Energiewende. „Wir wollen lernen, Vorschläge machen, neue Geschäftsmodelle nutzen und verfügbar machen. Drei Jahre harter Arbeit liegen vor uns“, so Matthias Gruber. „Dezentral, vernetzt und nutzerzentriert“ solle die Energiewelt von morgen sein, stellte Dr. Steffen Link, Projektkoordinator bei der Beegy GmbH, fest. Dezentrale Energieanlagen wie Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke und Stromspeicher in Wohnhäusern in Walldorf-Süd und in Gewerbebetrieben sollen dank intelligenter Technologie miteinander vernetzt werden. Damit will man erreichen, dass diese Energieanlagen optimal aufeinander abgestimmt werden. Zusätzlich wird ein neuer Stromspeicher mit einer Kapazität von hundert Kilowattstunden eingebunden. Die Pilotgebäude bilden eine Energie-Gemeinschaft oder “Energy Community”. Aus Stromproduzenten und Stromkonsumenten werden „Prosumer“. „Der Kunde steht im Mittelpunkt. Seine Bedürfnisse und Vorstellungen sind gefragt“, erklärte Dr. Holger Krawinkel, bei der MVV Energie in Mannheim für den Bereich „Customer Experience und Innovation“ zuständig. Man wolle, so Krawinkel, die „Grenzen besser managen“ und die zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossenen Energieanlagen besser mit der Außenwelt vernetzen. Wenn es Strom aus erneuerbaren Ressourcen gerade billig gibt, wenn der Wind kräftig bläst, dann werden die Speicher vollgeladen. Dank „lernender Software“ wird der Ausgleich zwischen Stromangebot und Stromnachfrage gesteuert. Als zentrales Steuerungselement fungiert das „Gateway“, das man sich auch als „Energie-Butler“ vorstellen könne, so Dr. Frieder Schmitt von Beegy. Als weiteres Alleinstellungsmerkmal des Projekts sieht er die wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch das Karlsruher Institut für Technologie und das dortige FZI Forschungszentrum Informatik. Auf dem Gebiet, so Schmitt, gebe es viele Lobbyisten mit unterschiedlichen Zielrichtungen. „Ein objektiver Maßstab ist daher nötig für einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen.“
Die Beteiligten hoffen, dass die Pilothaushalte und –betriebe im Laufe der drei Jahre die Dienstleistungen des intelligenten Energiemanagements genießen lernen, zu denen die Information über den Echtzeit-Energieverbrauch oder auch die Fernwartung gehören. Das „Living Lab“ auch über die Projektphase hinaus weiter am Laufen zu halten, wird angepeilt. Bürgermeisterin Christiane Staab erhofft sich für den zweiten Bauabschnitt von Walldorf-Süd bereits wichtige Erkenntnisse, um regenerative Energien im Quartier optimal zu nutzen. Wer als Pilothaushalt oder Pilotgewerbetrieb mitmacht, hat zwar keinen unmittelbaren finanziellen Profit, kann aber daran mitwirken, Prozesse zu optimieren und – wenn man noch weiter nach vorn schaut – dazu beitragen, dass derartige Projekte auch in anderen Größenordnungen durchgeführt werden und dass vielleicht sogar auf die Strompreisregulatorik Einfluss genommen wird.
Auf das erste Informationsforum im Frühjahr 2016 wird rechtzeitig hingewiesen.