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Kreis Bergstraße / Mörlenbach – Dr. Matthias Burchardt von der Uni Köln fordert ein rasches Umdenken bei der Bildung

Kreis Bergstraße / Mörlenbach / Metropolregion Rhein-Neckar – Der Bereich der Bildung ist zu einem äußerst lukrativen Geschäftsfeld geworden. Damit dieses Feld möglichst effektiv beackert werden kann, wurde ein Kulturwechsel herbeigeführt – mit der Umgehung demokratischer Institutionen. Dies unterstrich in seinem Vortrag mit dem Titel „Neue Lernkultur? Gefahr für Demokratie, Kultur und Gerechtigkeit“ Dr. Matthias Burchardt von der Universität Köln.
Bei der gemeinsamen Veranstaltung des Demokratischen Bürgerforums Überwald, des DGB Überwald und der GEW Bergstraße im Mörlenbacher Bürgerhaus zeigte der Bildungsphilosoph einer Vielzahl von Belegen auf, wie deutlich teilweise die Akteure im Bildungsbereich zu erkennen geben, worum es im Endeffekt geht: Der Mensch hat im Sinne der Wirtschaft zu funktionieren, ist also nicht mehr Mensch im eigentlichen Sinne, sondern Humankapital.
Eine Initialzündung für massive Veränderungen im Bildungsbereich sei die PISA-Studie gewesen. „Dass sich darin das Land der Dichter und Denker nur im Mittelfeld befand, war eine Kränkung, die aktionistisches Handeln hervorrief“, umschrieb Burchardt die Folgen dessen, was überall als der „PISA-Schock“ bezeichnet wurde. Allerdings gehe es bei PISA nicht um Erkenntnisse, sondern eher um eine geschickte PR-Strategie, die PISA zu einem Machtinstrument mache. „Was wir als Bildung betrachten, das wird von PISA gar nicht gemessen“, betonte der angesehene Wissenschaftler und verdeutlichte dies anhand eines Beispiels. So gelte in dem Test etwa bei der Beschreibung eines Fußballs die berühmte, aber falsche Sepp-Herberger-Feststellung „Der Ball ist rund“ als richtig. Wer völlig korrekt die Kugelform feststellt, bekommt keine Punkte.
Trotz der extremen Schwachstellen von PISA, die bei genauerem Hinsehen deutlich würden, stellte der Test die Basis zu einem massiven Eingriff ins Bildungswesen dar. Als maßgeblicher Akteur habe sich die OECD positioniert, die festlegt habe, wie gute Bildung auszusehen hat. Dabei sei der Bildung ein ökonomisches Mäntelchen übergezogen worden. So wird in einer Veröffentlichung der OECD die Allgemeinbildung als „Befähigung zur immer neuen Anpassung“ beschrieben. „Anpassung statt kritischen Denkens und Hinterfragens, der Mensch soll konform gemacht werden“, sagte Burchardt. Dass in dem Text zudem vom „Rohmaterial Schüler“ und dem „Produktionsfaktor Lehrer“ die Rede ist, belege die Sichtweise der Bildung als wirtschaftliches Gut. Auch der Einzug der „Outputorientierung“ sei in diesem Bereich ein deutlicher Beleg.
Der klassische Lehrer mit einer guten didaktischen Ausbildung sei unter diesen Bedingungen ein Auslaufmodell. Stattdessen würden die Lehrkräfte zunehmend zu pädagogischen Lernbegleitern degradiert. „Es ist die Rede von einem Istwert und einem angestrebten Sollwert, wie es Lewins Drei-Phasen-Modell entspricht. Nur ist das Lernen nun mal kein Abhaken von Aufgaben zur Selbstregulation“, betonte Burchardt, dass damit auch das Lernen selbst deutlich herabgesetzt und nicht mehr seinem ursprünglichen Sinn gerecht werde.
Dass es inzwischen so weit gehe, dass das Unternehmen Pearson schon Tests konzipiert, an amerikanischen Schulen verteilt und anschließend sogar das Korrigieren übernimmt – die Aufgabe des Lehrers besteht nur noch darin, einen verschlossenen Umschlag aufzureißen -, müsse Warnung genug sein. Burchardt versäumte es nicht anzufügen, dass Pearson mit der Erstellung des neuen PISA-Tests beauftragt ist und mit Bertelsmann in Deutschland kooperiert. Hinter dem Unternehmen stehe übrigens ein hochrangiger Vertreter der OECD.
Der Wandel im Bereich der Bildung füge sich harmonisch in die Welt des Neoliberalismus ein, in der der Staat zu einem Nebenakteur wird und sich immer wieder der Marktmacht beugen muss. „Die Wirtschaftswissenschaft kommt nicht mehr ihrer eigentlichen Aufgabe nach, sondern sie hat die Rolle übernommen zu definieren, wie die Welt zu sein hat. Das ist keine Wissenschaft, das ist Ideologie“, machte Burchardt deutlich. Die Folgen seien allenthalben erkennbar: Sozialabbau, Prekarisierung und gesellschaftliche Spaltung.
„Ich glaube an die Demokratie und an die demokratischen Institutionen, aber es wird höchste Zeit, dass diese wach gerüttelt werden“, plädierte Burchardt für ein rasches Umdenken. Dabei sei es wichtig, die Themen immer wieder zur Sprache zu bringen, wobei auch ein gewisses Maß an Subversion und zivilem Ungehorsam zielführend sein könne. Burchardt verglich den Neoliberalismus und seine Auswüchse in der Bildung mit dem berühmten Bild der schönen Dame, die zur Hexe wird, sofern man das Bild umdreht. „Noch sehen viele die schöne Dame und sind ganz hingerissen von ihr, doch auch sie werden irgendwann erkennen, dass sich nichts weiter als eine alte Hexe dahinter verbirgt“, sagte Burchardt und appellierte an die Besucher mitzuhelfen, das Bild zu drehen.

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