Mainz – Es gibt Ereignisse, die in die Geschichte des Landes, ja in die Geschichte der Bunderepublik eingehen.
Die SPD-Landesregierung unter Herrn Beck wollte mit dem Ausbau des Nürburgrings Geschichte
schreiben. Das ist ihr gelungen – zu einem sehr hohen Preis!
Noch nie zuvor wurde hier ein Mitglied der Landesregierung für sein Regierungshandeln von
einem Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Dreieinhalb Jahre Haft.
Warum?
– Weil ein Minister die Möglichkeiten, die er im Amt hatte, ausnutzte, um Gesetze zu brechen.
– Weil er seine Kompetenzen und Amtsbefugnisse missbrauchte.
Frau Dreyer, Herr Lewentz, Herr Kühl und Herr Hering – das Landgericht hält Ihren Parteifreund,
Ihren ehemaligen Kabinettskollegen und früheren Finanzminister Deubel – dem Sie vor
Gericht nochmals den Rücken gestärkt haben – in 14 Fällen der schweren Untreue für schuldig.
Und wegen uneidlicher Falschaussage: Im Nürburgring-Untersuchungsausschuss habe er dem
Landtag die Unwahrheit gesagt.
Historisch einmalig sind auch die Beträge, über die wir sprechen. Ein SPD-Minister hat sehenden
Auges Vermögen des Landes vernichtet und Weiteres gefährdet. Über eine halbe Milliarde
Euro. Geld der Steuerzahler. Geld, das jetzt woanders fehlt – bei der Schwangerenkonfliktberatung
oder an den Schulen.
Fast vier Stunden Urteilsverkündung machten deutlich, dass die Katastrophe rund um den
Nürburgringausbau nicht einfach so passierte. Sie hat sich lange abgezeichnet. Mit erheblichen
Auswirkungen für unser Land.
Heute geht es nicht um die juristische Beurteilung. Das schriftliche Urteil und die Revision
stehen noch aus.
Als Parlament sind wir aber dazu aufgerufen, eine politische Bewertung vorzunehmen. Heute,
in der ersten Sitzung des Parlaments seit der Urteilsverkündung.
Mit dem Urteilsspruch vor Ostern ist die Nürburgringaffäre nicht abgeschlossen, sondern wir stehen jetzt erst am Anfang der Aufarbeitung der politischen Mitverantwortungen. Mitver-antwortung von heute noch aktiven SPD-Politikern.
Die Rheinpfalz schrieb treffenderweise:
„… für den Verlust von noch mehr Geld in der Zeit nach Deubel sind auch andere verantwort-lich.“
Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Deubel war nicht alleine, er stieß nicht auf erbitterten Widerstand seiner Kabinettskollegen. Im Gegenteil. Deubel war bei allem mit dem Segen Becks ausgestattet. Politische Verantwortung hat aber bisher nur einer übernehmen müssen, Herr Deubel.
Moralisch sind aber noch weitere mit ihm im Boot.
Alle in der Regierung wollten am ganz großen Rad des internationalen Rennsports mitdrehen. Und als das Rad sich nicht drehen wollte, dann begannen die Durchhalteparolen, die Verspre-chungen wider besseres Wissen. Die Landtagswahl stand bevor.
Dem Ministerpräsidenten und dem Kabinett ging es in erster Linie um den Machterhalt der SPD und darum, sich irgendwie über die Landtagswahl 2011 zu retten.
Wurden die Wähler bewusst getäuscht?
Angeblich habe niemand in der Mainzer Landesregierung am Deubelschen Finanzwirrwarr zweifeln können.
Mag das noch einer ernsthaftglauben?
Dabei gab es neun Kabinettssitzungen, in denen sich der Ministerrat bis zum Scheitern der Privatfinanzierung mit dem Nürburgring beschäftigt hat. Auch die Begründung der Minister-präsidentin vor Gericht, der Kollege Deubel hätte immer so gut erklären können, ist nicht sehr originell.
Fürs gut erklären gibt es keine dreieinhalb Jahre Haft.
Vielleicht wollte man in der SPD-Regierung auch nicht so genau hinschauen. Was wurde denn getan wurde, als sich immer mehr Zweifel ergaben?
Es gab stundenlange Sitzungen der Ausschüsse, in denen die Opposition bohrende Fragen stell-te.
Jeden Tag gab es auch in der Presse neue, drängende Fragen.
Von der SPD kam nichts. Engagement gab es nur, wenn es darum ging, die Opposition zu dis-kreditieren.
Der FDP-Fraktionschef Mertin fragte zu Recht, warum sich die Regierung denn nicht im Bun-deszentralregister über ihre kriminellen Geschäftspartner informiert hatte. Dafür musste er sich von Ihnen, Frau Schleicher-Rothmund, als “Geisterfahrer” beschimpfen lassen. Wer auf der fal-schen Spur Gas gab, das war die SPD.
Am Totalschaden waren viele beteiligt …
– Herr Lewentz,
wie war das mit den beiden Polizisten, die in der Affäre um den Nürburgring-Ausbau nach eige-ner Einschätzung „von ganz oben“ von Vorermittlungen abgehalten wurden.
Auch den Bericht des Landeskriminalamts aus Mai 2009 haben Sie gestoppt, Kontrollfunktio-nen gezielt ausgeschaltet.
– Herr Hering,
Sie waren es, der damals die Verträge mit Herrn Lindner, Herrn Richter und Co. ausgehandelt und durch den Aufsichtsrat gewunken hat.
In der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses am 30.3.2010 behaupteten Sie, der Vertrag stelle sicher, dass „keine Belastungen für die Steuerzahler“ entstehen (Quelle: ddp, 30.3.2010).
Herr Hering, Sie haben damals an einem Unternehmer mit gerade einmal 70.000 Euro Eigen-kapital festgehalten. Jeden Baufinanzierer einer Bank würde man entlassen, wenn er wie Sie die Kreditwürdigkeit eines Geschäftspartners prüfen würde.
– Herr Dr. Kühl,
Sie waren stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der ISB. Unter Ihrer Verantwortung hat die ISB auch die erforderlichen Beschlussvorlagen für Aufsichtsrat und Gesellschafterver-sammlung zur Übernahme der Finanzierung vom Liquipool vorbereitet. Inwieweit haben Sie da-bei eigentlich über Verluste in der so genannten Einschwungphase informiert?
Sie haben bis zum Schluss Ihre Hand über die Finanzierungstricks gehalten.
Ihr damaliges Wirtschaftsministerium, Herr Dr. Kühl, stellte mit der „letzten Unterschrift“ si-cher, dass die RIM-Finanzierung in Höhe von 85 Mio. Euro über Mediinvest an die MSR erfolgen konnte. Diese stillen Beteiligungen sind ins Visier der EU-Kommission geraten.
Viel sagt der Vermerk des Abteilungsleiters im Wirtschaftsministerium aus: Dieses Projekt sei nicht mehr zu stoppen. Das Projekt musste also kommen. Es war politisch gewollt.
Und Frau Dreyer, glauben Sie wirklich, ihr Ziehvater Beck und Ihr Kollege Prof. Deubel hätten sich von einem Wirtschaftlichkeitsbeauftragten stoppen lassen?
Nicht die Verwaltung hatte versagt, es war die Politik. Denn Gesetze und Bestimmungen, die die Politiker zur Wirtschaftlichkeit im Umgang mit Steuergeldern und Staatsvermögen verpflich-ten, gibt es schon heute. Nur einhalten muss man sie wollen.
Wir brauchen nicht mehr Ampeln, man muss sich einfach nur daran halten, wenn die Ampel rot leuchtet.
Verschiedene Regierungsmitglieder waren nicht nur BETEILIGT, sondern das Unheil wurde erst durch das bewusste ZUSAMMENWIRKEN der verschiedenen Kabinettsmitglieder möglich!
Sehr geehrte Frau Dreyer,
die strafrechtliche Verantwortung übernimmt Herr Deubel. Die politische Verantwortung ruht jedoch auf vielen Schultern, auch auf Ihren.
Und welche Konsequenz ziehen Sie, Frau Dreyer?
Die Allgemeine Zeitung Mainz (17.4.2014) fast es so zusammen:
„Interessant ist ein Detail: Die Landesregierung hat nach Auffassung des Gerichts den Nür-burgring „sehenden Auges“ auf die Insolvenz zusteuern lassen – nach dem Rücktritt Deubels 2009. Das könnte für aktive Regierungsmitglieder noch ungemütlich werden“.
Und mit den Worten der Rheinzeitung:
„… dass Deubels Nachfolger Carsten Kühl und der damalige Wirtschaftsminister Hendrik Hering vor allem bestrebt waren, das Ring-Projekt mit einer windigen Verpachtung an das Duo Richter/Lindner vor den Landtagswahlen scheinbar zu lösen. Letztlich steuerten sie den lan-deseigenen Nürburgring damit in die Insolvenz. Beide sind noch in hohen Ämtern.“
Uns wird noch intensiv die Frage beschäftigen, ob es sich hier um eine Insolvenzverschleppung handelt!
Deshalb warten wir gespannt auf zwei Unterlagen, deren Inhalte uns hier noch beschäftigen werden:
1) Das schriftliche Urteil. Bis Herbst hat das Landgericht hierfür Zeit.
2) Und die ausstehende Prüfung durch den Landesrechnungshof.
Im Ergebnis bleiben auch nach diesem Urteil viele Fragen zur Affäre Nürburgring offen.
Frau Ministerpräsidentin Dreyer, wir erwarten, dass Sie hierzu Stellung beziehen