Brühl/ Metropolregion Rhein-Neckar. Erinnerung an drei ermordete Brühler Frauen und Appell zum Miteinander
Inzwischen liegen in über 900 Gemeinden Deutschlands die „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig. Vor einem Jahr schon hatte Bürgermeister Dr. Göck die Initiative aus der „Brühler Aktion 60+“ aufgegriffen und bei Demnig angeregt, auch in Brühl „Stolpersteine“ zum Gedenken an Opfer des NS-Regimes zu verlegen. Der Ort war klar: der Bürgersteig vor dem Parkplatz gegenüber dem Rathaus, wo einst Familie Rhein wohnte. Die Zusage kam, aber nicht für den erbetenen Termin, dem 9. November 2013, 75 Jahre nach der fürchterlichen Reichspogromnacht, in der die drei jüdischen Frauen ihre Habe, später ihre Heimat und mit den Deportationen nach Gurs und Auschwitz ihr Leben verloren. So mussten sich die Brühler in Geduld üben.
„Stolpersteine“ als Gedenken an Unrecht der Vergangenheit
Am letzten Donnerstag wurden die Stolpersteine eingesetzt. Drei Monate später, dafür aber war der Urheber der Aktion, Gunter Demnig, nach Brühl gekommen. Bürgermeister Göck begrüßte den Künstler und zahlreiche interessierte Mitbürger, Gäste dieser Gedenkfeier, unter ihnen den Landtagsabgeordneten Manfred Kern, die beiden Pfarrer Almut Hundhausen-Hübsch und Walter Sauer, Volkshochschul-Leiterin Gundula Sprenger, den emeritierten Dekan Werner Schellenberg, mehrere Gemeinderäte und Mitglieder der Aktion 60+ um ihren Leiter Helmut Mehrer. Göck freute sich auch über die Mitwirkung einiger Werkrealschüler, die die Gedanken in die Zukunft trügen, „dass so etwas nie wieder vorkommen darf“.
Nachdem Günter Demnig die drei „Unikate“, das heißt eigens geschlagene und mit einer Messingplatte abgeschlossene Steine, verlegt hatte, stellte er in einer Ansprache die Bedeutung seines Projekts dar. Vor 20 Jahren hat er den ersten Stein eingesetzt. Inzwischen sind es 45.000, jeder von ihnen wurde gesponsort. Und mit jedem wird der Ermordung eines Opfers, eines einzigartigen Menschen, gedacht. Demnig gab auch die Bemerkung eines Werkrealschülers wieder, der das Besondere der Stolpersteine charakterisiert hatte: Es sind Denkmäler, vor denen man sich verneigen muss, wenn man sie sehen will.
„Achtsam miteinander umgehen“
Werkrealschüler der 7. Klasse waren es auch, die an der anschließenden Lesung eines Textes von Helmut Mehrer mitwirkten. Sie hatten bei dem Verfasser einen Kurs absolviert, in dem sie sich mit Grundlagen der Ethik vertraut gemacht hatten. Und nun waren sie zu einer Lesung im Sitzungssaal des Rathauses vor zahlreichen Zuhörern eingeladen. Lea Fleig, Nadine Garrecht, Yigit Konya, Aurelia und Celina Petrino trugen Passagen aus klassischen und modernen Balladen mit Kommentaren vor. Der „rote Faden“ dabei: die Liebe und Verantwortung der Eltern, das gute Miteinander in den Familien und Klassen anstatt Hass und Ausgrenzung wie damals.
Der weiterreichende Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus kam besonders deutlich in den „Fürbitten“ einer Gottesdienstvorbereitung zum Ausdruck. Selina El-Ahmad und Samantha Isler beteten um Frieden in den Bürgerkriegsländern und riefen zu mehr Engagement für die Umwelt und die Armen unserer Erde auf. Teil dieser Gottesdienst-Vorbereitung war eine „Predigt“, die Helmut Mehrer zum Abschluss vortrug. Sein Fazit: Zur Zeit der ersten Nazi-Prozesse in der Bundesrepublik hatte man junge Menschen noch vor ihren Gedanken und Taten gewarnt, aus denen Gesetze werden könnten. Heute aber sei es an der Zeit, unsere Verfassung als Chance zu sehen: „Aus guten Gesetzen können gute Taten werden, aus guten Taten gute Worte und aus guten Worten gute Gedanken.“
Die Zuhörer dankten den Mitwirkenden mit langem Beifall. Bürgermeister Göck schloss sich an und belohnte alle Vorleserinnen mit einem Buchgutschein als Ansporn zum Weiterlesen.
Wer die vorgetragenen Texte nachlesen möchte, findet sie unter
www.bruehler-aktion-60-plus.de im Kapitel „Ethik“.
Foto:Stolperstein Strasse/Die Verlegung fand Interesse nicht nur bei etlichen Werkrealschülerinnen (links), sondern auch bei Bürgern, Gemeinderäten und Gästen(Quelle Bürgermeisteramt Brühl)