Neustadt/Metropolregion Rhein-Neckar – DER SPIELER am Donnerstag, 16. Januar 2014, 20 Uhr im Saalbau Neustadt an der Weinstraße
„Ich kenne das Geheimnis, wie man gewinnt und nicht verliert; es ist schrecklich dumm und einfach und besteht darin, sich in jeder Minute ungeachtet aller Höhen und Tiefen des Spiels zu beherrschen und nicht in Leidenschaft zu geraten. Das ist alles, damit kann man einfach nicht verlieren, sondern nur gewinnen.“ Diese erstaunlichen Zeilen schrieb der spielsüchtige Fjodor Dostojewskij 1863 an seine Schwägerin.
Wie der Autor Dostojewskij verfällt auch die Figur Alexej in dem 1866 erschienenen, auto-biografisch geprägten Roman „Der Spieler“ der rasenden Lust am Spiel, in dem der Moment der fallenden Roulettekugel über Alles oder Nichts entscheidet. Dabei muss der Hauslehrer Alexej schmerzlich erkennen, dass alle anderen Leidenschaften – auch die für Polina, die Stieftochter seines Arbeitgebers – gegen seine wachsende Roulette-Besessenheit, gegen die „Poesie des Spiels“ letztlich chancenlos sind.
Dostojewskijs Bekenntnisse eines passionierten Spielers und Liebhabers hat Volker Hesse in einer eigenen Dramatisierung auf die Bühne gebracht. Am 16. Januar 2014 um 20 Uhr ist „Der Spieler“ in dieser Bühnenadaption im Saalbau zu sehen, wozu die Kulturabteilung der Stadt Neustadt einlädt. Unter Volker Hesses Regie spielen Daniel Rohr und Charlotte Schwab sowie die Violonistin Bettina Boller. Eine Besonderheit dieser Inszenierung besteht darin, dass neben den Schauspielern und der Musikerin mehrere von der Ausstatterin Tina Carstens entworfene und von den Schauspielern zum Leben erweckte Puppen, den Handlungsort, das fiktive deutsche Roulettenburg, bevölkern.
„Die Menschenkenntnis und die Wortgewalt des Romans sind packend und gegenwärtig. Wie kaum ein anderer vermag Dostojewskij die Spielsucht, die selbst zerstörerische Lust am Risiko zu beschwören“, sagt Volker Hesse, den neben der hochaktuellen Psychologie der Gier in seiner Inszenierung auch die dunklen Liebesverwirrungen der Dostojewkij’schen Vorlage faszinieren.
Mit großem Spielwitz und Sinn für Abgründiges spielt dieser Theaterabend mit epischen, dramatischen, pantomimischen und musikalischen Genregrenzen und unterhält die Zuschauer mit sinnlich-poetischem Schauspiel.
Über den Autor Fjodor Dostojewskij
„Vier Jahre lang umgrenzen fünfzehnhundert eichene Pfähle seinen ganzen Horizont. An ihnen zählt er mit Kerben und mit Tränen Tag und Tag die viermal dreihundert¬fünfund¬sechzig Tage ab. Seine Genossen sind Verbrecher, Diebe und Mörder, seine Arbeit Alabasterschleifen, Ziegeltragen Schneeschaufeln. Vier Jahre ist er ein Schatten zwischen Schatten, namenlos und vergessen. Als sie ihm dann die Kette von den wunden Füßen abschmieden, ist er ein anderer: seine Gesundheit zerstört, sein Ruhm zerstäubt, seine Existenz vernichtet.“ (Stefan Zweig: Baumeister der Welt. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1951, S. 77.)
Vier Jahre zuvor, 1884, brach Dostojewskijs Welt zusammen: Der 1821 als Sohn eines Militärarztes aus verarmter Adelsfamilie geborene Fjodor Dostojewskij war durch seinen ersten Roman „Arme Leute“ schlagartig berühmt geworden und hatte gerade den Roman „Weiße (Helle) Nächte“ veröffentlicht, da wurde er als Mitglied eines oppositionellen Zirkels verhaftet und zum Tode verurteilt. Erst während der Scheinexekution – ein Schockerlebnis, das vermutlich seine bis dahin schlummernde Epilepsie auslöste – wurde er von Zar Nikolaus I. zu vierjähriger Zwangsarbeit in Sibirien begnadigt.
1859 durfte er nach St. Petersburg, dem Hauptschauplatz seiner berühmtesten Romane, zurückkehren. Doch kaum der Hölle Sibiriens entkommen, schaffte er sich ein neues Inferno. Jetzt wurden die Spielcasinos in Europa sein Ort der Verdammnis. Und so wie er in den „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ über seine Verbannung berichtete, beschrieb er in „Der Spieler“ den Leidensweg seiner verhängnisvollen Spielsucht, die von 1863-1871 sein Leben bestimmte. Auch das Auf und Ab seiner Hassliebe zu der jungen Studentin und Schriftstellerin Appolinaria Suslowa, die ihn letztendlich verließ – wie im Roman Polina Alexej – fand Eingang in „Der Spieler“ und andere Werke. Im gleichen Jahr – 1866 – schrieb er auch „Schuld und Sühne“ („Verbrechen und Strafe“), die erste seiner großen Roman-Tragödien. Später folgten noch „Der Idiot“ und „Die Brüder Karamasow“. Nach längeren Aufenthalten im Ausland starb Dostojewskij 1881 in Petersburg. Zu seinem Begräbnis kamen 60.000 Menschen.
Dostojewskijs Roman „Der Spieler“, lange Jahre von Literaturkritik und Publikum unterschätzt, erlangt in unserer heutigen Gesellschaft, die Spielsucht mit allen ihren Symptomen als Krankheit definiert und wahrnimmt, erstaunliche Aktualität.
Der Regisseur
Volker Hesse, Sohn des Opernregisseurs Rudolf Hesse, studierte in Köln und Wien Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie und promovierte 1972 zum Dr. phil. Nach Schauspielunterricht bei Will Quadflieg assistierte er so berühmten Regisseuren wie Leopold Lindtberg und Hans Hollmann. Erste Inszenierungen erfolgten am Wiener Cafétheater, an der Rampe in Bern und mit der freien Gruppe „Die Claque“ in Baden bei Zürich. Mitte der 1970er Jahre war er bereits in die erste Theaterliga aufgestiegen und inszenierte unter anderem am Stadttheater Bern und an den Münchner Kammerspielen. 1979 wurde Hesse Mitglied des Leitungsteams des Düsseldorfer Schauspielhauses. Dort führte er unter anderem bei Grasers „Witwenverbrennung“, Lessings „Nathan der Weise“ und Dorsts „Heinrich oder die Schmerzen der Fantasie“ Regie. Mit Schnitzlers „Professor Bernardi“ wurde Hesse 1985 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nach 1985 wirkte er als freier Regisseur, so beispielsweise am Bayerischen Staatsschauspiel und am Berliner Maxim Gorki Theater, das er später von 2001 bis 2006 als Intendant leiteten sollte.
1993 übernahm er dann das Theater am Neumarkt in Zürich, das unter seiner Intendanz (1993-1999) aus dem Stand zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bühnen wurde. Hesses dortige Uraufführungen „In Sekten“ (1995) und „Top Dogs“ (1997) waren ebenfalls zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Mittlerweile ist Volker Hesse auch für seine monumentalen Schweizer Freilichtaufführungen bekannt, so zum Beispiel für seine Inszenierungen des Einsiedler Welttheaters oder der Tellspiele in Altdorf UR. 2008 eröffnete sogar das Luzerner Kulturhaus Südpol mit Hesses Inszenierung von Hürlimanns „Stichtag“.
2010 wurde Volker Hesse für seine vielseitigen Inszenierungen und seine Leistungen als Theaterleiter mit dem renommierten Hans Reinhard-Ring ausgezeichnet.
Alle drei seiner für das EURO-STUDIO Landgraf inszenierten Produktionen wurden mit INTHEGA-Preisen ausgezeichnet: 1999 Urs Widmers „Top Dogs“, 2009 Neil LaButes Stück „Fettes Schwein“ und auch als neuestes „Licht im Dunkel“; William Gibsons berührendes Schauspiel erhielt den 3. INTHEGA-Preis „Neuberin“ 2012.
Bühne, Kostüme und Puppen
Die Bühnen- und Kostümbildnerin Tina Carstens arbeitet seit Jahren sowohl als freischaffende Künstlerin als auch in verantwortlichen Positionen für verschiedene Festivals. Nach ihrem Studium bei dem bedeutenden Bühnenbildner und Regisseur Prof. Herbert Kapplmüller assistierte sie unter anderem bei so bekannten Größen wie Achim Freyer, Jörg Immendorf und Christian Boltanski. Seit 1996 schuf sie zahlreiche Bühnenbilder, unter anderem in Nürnberg, München, Berlin, Wien und Biel/Solothurn. Produktionsleitungen für Ausstattung führten sie nach Tokio, Florenz, Lyon, Amsterdam und Madrid.
Eine besondere Zusammenarbeit verbindet sie mit der Ruhrtriennale, wo sie mit Regisseuren wie Andrea Breth und Markus Dietze arbeitete; dort ist sie auch seit 2008 Produktionsleiterin für Kostüm und Maske. Mit Daniel Rohr am Theater Rigiblick entwickelte sich eine intensive künstlerische Auseinandersetzung bei spartenübergreifenden Sterntheater-Produktionen wie „Faust“, „Azurro“, „To the Dark Side of the Moon“, „Miles und die Pendeluhr von Montreux“, „Loriot, der Theaterabend“ oder auch den Silvesterproduktionen des Theater Rigiblick.
Eine Einführung ins Stück gibt es ab 19:15 Uhr im Beethovensaal.
Karten
Karten (10 bis 20 € und Ermäßigungen) erhältlich bei der Kulturabteilung, Friedrichstraße 1, Telefon 06321 855-404. Montag – Freitag 9:30 – 12:30 Uhr, Montag – Mittwoch 14:00 – 16:00 Uhr und Donnerstag 14:00 – 17:00 Uhr.
Am Veranstaltungstag an der Abendkasse eine Stunde vor Beginn der Vorstellung. –
Online-Ticketing: www.ticket-regional.de
Bild:Charlotte Schwab-Fotografie Toni SutterT+T Fotografie