Neckar-Odenwald-Kreis / Metropolregion Rhein-Neckar – Waldspaziergänger werden es schon bemerkt haben: Stellenweise biegen sich derzeit die Äste der Buchen unter der Last ihrer Früchte. Die mannbaren – also mindestens rund 60 Jahre alten – Buchen sind über und mit den stacheligen Fruchthüllen überzogen, die sich im Sommer auch vom Boden aus gut an ihrer rotbraunen Farbe erkennen lassen. Sind die Früchte – zwischen Ende September und Anfang Oktober – voll ausgereift, fallen zuerst die Bucheckern, dann die stacheligen Fruchtkapseln zu Boden. Ein solches Ereignis, das Fachleute als „Vollmast“ bezeichnen, tritt nur alle acht bis zehn Jahre auf. Eine derart üppige Mast, wie sie sich jetzt im Bauland abzeichnet, gab es allerdings seit rund 20 Jahren nicht mehr.
Der Ausdruck „Mast“ kommt von Mästen und erinnert an die Zeiten, als die Bauern ihre Schweine noch zum Füttern in den Wald trieben. Bucheckern bestehen nämlich zu 45 Prozent aus Fett und zu 25 Prozent aus Eiweiß. In guten „Mastjahren“ konnten die Schweine also ordentlich Fleisch und Fett ansetzen. Was vor allem in Notzeiten wichtig war. Im Mittelalter wurde der Wert eines Waldes demnach nicht nach dem Holzvorrat, sondern nach der Zahl der Schweine beurteilt, die sich darin ernähren konnten. Für den Eintrieb der Schweine mussten die Bauern Pacht, das „Dechelgeld“, bezahlen. Diese Schweinemast war so wichtig, dass sie in allen Einzelheiten geregelt und ihre Durchführung einem „magister porcariorum“, dem Schweinemeister, übertragen war.
Heute profitieren vor allem die Wildtiere von der Mast. Für Wildschweine, Mäuse und verschiedene Vogelarten wie beispielsweise Bergfinken ist ab Ende September der Tisch reichlich gedeckt: Pro Hektar Waldfläche können in Buchenbeständen bis zu einer Tonne der nährstoffreichen Früchte anfallen. Bei den Wildschweinen wird dadurch die Wintersterblichkeit verringert und die Vermehrungsrate erhöht. Masten können deshalb in den Folgejahren indirekt zu erhöhten Wildschäden in der Landwirtschaft führen. Einer solchen Entwicklung muss durch konsequente Bejagung der Wildschweine entgegen gesteuert werden. Die Beliebtheit der Bucheckern bei den Wildtieren erklärt auch die Unregelmäßigkeit der Buchenmasten. Eine regelmäßige, aber mäßige Fruchtbildung hätte zur Folge, dass Jahr für Jahr die allermeisten Früchte gefressen würden. Was gut wäre für die Tiere, aber schlecht für die Vermehrung der Rotbuche. Deren Strategie sieht deshalb anders aus: In unregelmäßigen Abständen werden die Früchte in solchen Mengen produziert, dass die Tiere den Segen gar nicht vollständig verwerten können. Ein großer Teil übersteht den Winter und kann im Frühjahr keimen. Diese periodische Anstrengung kostet die Bäume allerdings viel Kraft und funktioniert nur zulasten des Holzzuwachses, der in Mastjahren um über 40 Prozent zurückgeht. Auch für Menschen sind die Bucheckern genießbar. Rohe Früchte sollte man aber nicht in größeren Mengen zu sich nehmen, denn die häutige Samenschale enthält das Gift Fagin, die Frucht selber hat viel Oxalsäure. Diese Gifte können durch Rösten abgebaut werden, was außerdem das Aroma der Nüsse verbessert. Werden die Bucheckern in Ölmühlen gepresst, gewinnt man ein für den menschlichen Verzehr gut geeignetes Öl.