Weinheim / Metropolregion Rhein-Neckar – Gemeinderat wächst auf 43 Mitglieder an – Sieben Fraktionen und Gruppen sind vertreten – OB Bernhard: „Lösungen suchen und keine Konflikte“
Weinheim. Die Weinheimerinnen und Weinheimer haben sich bei der Gemeinderatswahl am 7. Juni für die größtmögliche Pluralität am Ratstisch entschieden. Im nächsten Gemeinderat der Stadt, der sich im September konstituiert, werden 43 Stadträtinnen und Stadträte aus sieben Fraktionen und Gruppen sitzen – diese Größe entsteht durch elf Überhang- und Ausgleichsmandate, die in Weinheim wegen der vielen Ortsteile nötig werden. Das Wahlverfahren der so genannten „Unechten Teilortswahl“ soll garantieren, dass alle Ortsteile und die Kernstadt im gesamten Weinheimer Stadtgebiet gerecht repräsentiert sind. Von den knapp 33 000 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern sind exakt 16 999 zur Urne gegangen – das entspricht einer Wahlbeteiligung von 51,52 Prozent. „Ein Gemeinderat in der Größe von 43 Mitgliedern war von uns nicht gewollt. Aber wir müssen und werden nun damit arbeiten“, so reagierte Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard in einer ersten Stellungnahme. Die künftige Arbeit im Gemeinderat sei eine große Herausforderung. Der OB forderte die Fraktionen auf, „auch künftig nach Lösungen zu suchen und nicht nach Konflikten“. Wie es dem allgemeinen Trend entspricht, haben auch in Weinheim die beiden großen Parteien bei der Wahl Verluste hinnehmen müssen. Die CDU bleibt aber mit zwölf Sitzen und 26,67 Prozent der Stimmen stärkste Fraktion am Ratstisch. Knapp auf dem zweiten Platz liegen nun die Freien Wähler, die 20,76 Prozent der Stimmen verbuchen konnten. Die FW verfügt im neuen Weinheimer Gemeinderat über ebenso viele Sitze wie die SPD, die 20,45 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Beide Fraktionen bestehen künftig aus neun Gemeinderatsmitgliedern. Leicht zugelegt und einen Sitz gewonnen haben die Grünen, die mit sechs Vertretern ins Gremium einziehen (14,83 Prozent). Die Zahl ihrer Sitze im angewachsenen Gremium verdoppeln konnte die FDP – von zwei auf vier. 8,95 Prozent der Stimmen entfielen auf die Weinheimer Liberalen. Auch die beiden neuen Listen konnten auf Anhieb ins Rathaus einziehen: Die Liste „Weinheim Plus“ mit zwei Vertretern und die „Linke“ mit einem Stadtrat.
„Lösungen suchen und keine Konflikte“
Oberbürgermeister Heiner Bernhard zum Ausgang der Gemeinderatswahl – „Herausforderung annehmen“
„Es wird künftig mehr Menschen geben, die unseren Wahlmodus kritisch bewerten. Das kann ich verstehen. Ein Gemeinderat mit 43 Mitgliedern war von uns nicht gewollt. Er übersteigt die für die Größe unserer Stadt als in der Regel festgelegte Zahl um elf Mandate. Aber wir müssen und werden damit arbeiten. Weinheim liegt ganz klar im allgemeinen Trend, bei dem die großen und etablierten Parteien Stimmen an die kleineren Parteien und Listen abgeben. Das ist in Zeiten von Großen Koalitionen im Bund auch auf kommunaler Ebene erklärbar. Dieser Trend ist in Weinheim auch deshalb deutlich, weil zwei neue Listen angetreten sind, die in der Vergangenheit selbst keine politische Verantwortung zu tragen hatten. Da war es relativ leicht, Gegenpositionen zur politischen Mehrheit und zur Verwaltung aufzubauen. Es gibt wahrscheinlich in den letzten 20 Jahren gerade in Weinheim wenige Legislaturperioden, die für einen Gemeinderat schwieriger waren als diese letzte. Die Zeiten sind vorbei, in denen Kommunalpolitiker mit Versprechungen auf Stimmenfang gehen können. Stattdessen gilt es heute und in Zukunft noch mehr, den Bürgerinnen und Bürgern im konkreten Alltag zu erklären, dass es immer mehr Dinge gibt, die aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sind. Damit macht man sich nicht immer beliebt, denn Enttäuschungen sind dabei meist nicht zu vermeiden. Das geht einem Oberbürgermeister genauso. Ich meine, gerade die großen Fraktionen, die in den letzten Jahren die Weinheimer Kommunalpolitik prägten, haben gute Arbeit geleistet. Dennoch, in der aktuellen Gemengelage an Stimmungen und Entwicklungen muss man Verständnis dafür haben, wenn die Wählerinnen und Wähler nach Alternativen suchen und nach Köpfen, die versprechen, alles anders zu machen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, ob und wie konstruktiv sich die neuen politischen Kräfte in der Stadt im Tagesgeschäft einbringen, wenn sie verantwortliche Entscheidungen zu treffen haben. Sie müssen sich in der Praxis beweisen. Ich kann an alle Gemeinderatsmitglieder nur appellieren, gemeinsam Lösungen zu suchen und keine Konflikte. Bürgernähe und Pragmatismus müssen wichtiger sein als Parteidenken und Ideologie. Vor allem die Größe des neuen Gremiums, aber auch die für Weinheim größtmögliche Pluralität ist nicht nur für den Oberbürgermeister als Sitzungsleiter, sondern für alle Mitglieder des Gremiums eine Herausforderung. Ob wir es gut finden oder nicht: Der Wähler hat uns beauftragt, sie anzunehmen. Die Verwaltung und ich sind offen genug für neue Impulse, sofern sie darauf abzielen, der Stadt Weinheim, und damit meine ich allen Bürgerinnen und Bürgern, zu helfen. Wir steuern noch härteren Zeiten entgegen als bisher. Ein Zusammenrücken ist deshalb wichtiger denn je, ebenso ein fairer und zielorientierter Umgang miteinander. Wir können uns dabei auch keine Zeitvergeudung durch politische Machtspiele leisten. Dafür hätte der Bürger kein Verständnis. Es muss weiterhin um die besten Entscheidungen für Weinheim gehen. Dies ist meine Bitte – mein dringender Appell an alle Beteiligten. Abschließend beklage ich erneut, dass nicht mehr Menschen an der Wahl teilgenommen haben. Dafür gibt es keine Rechtfertigung, auch nicht die angebliche Politikverdrossenheit. Umso mehr gilt mein Dank den Wählerinnen und Wählern des vergangenen Sonntags.“