Mannheim/ Metropolregion Rhein-Neckar – Die Wirtschaft aus dem Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar zeigt im Herbst 2016 eine stabile Tendenz. Das Lageurteil der Unternehmen liegt weiterhin über dem langfristigen Durchschnitt, die Geschäftserwartungen sind trotz aller sichtbaren Risiken nach wie vor erfreulich positiv. Leichten Abschwächungen bei den Exporterwartungen steht eine spürbar starke Binnenkonjunktur gegenüber. Der ausgewogene Branchenmix der Unternehmen aus dem IHK-Bezirk wirkt als wichtige Stütze für die Gesamtwirtschaft. Die internationalen Risiken stellen Unwägbarkeiten dar, die am aktuellen Rand nur wenig Niederschlag in den Konjunkturergebnissen gefunden haben. Dazu zählen die kriegerischen Auseinander-setzungen im Nahen Osten und die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA, die wegen befürchteter protektionistischer Maßnahmen und den weiteren politischen Auswirkungen für Verunsicherung sorgt. Auch die ungelöste europäische Finanz- und Staatsschuldenkrise und die daraus resultierenden Unsicherheiten im europäischen Bankensektor schweben weiterhin als Unsicherheitsfaktoren in der Luft. So fasst IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Axel Nitschke die zentralen Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen, an der sich rund 530 Unternehmen der Region beteiligt haben.
Der IHK-Konjunkturklimaindex, der sich aus den Beurteilungen der Geschäftslage und den Erwartungen berechnet, liegt im Herbst bei 127 Punkten und damit einen Punkt unter dem Wert vom Frühsommer. Grund für den minimalen Rückgang sind die etwas schwächeren Geschäftserwartungen der Unternehmen aus dem Handel. Mit Blick auf die einzelnen Wirtschaftszweige erreicht der Konjunkturklimaindex bei der aktuellen Umfrage in der Industrie den höchsten Wert.
Die Geschäftslage wird von der Wirtschaft als gut bezeichnet. Der Saldo liegt unverändert zu den beiden Vorumfragen bei +38 Punkten und damit über dem langfristigen Durchschnitt von +29 Punkten. Bezogen auf die Gesamtwirtschaft bezeichnen 47 Prozent der Unternehmen die wirtschaftliche Situation als gut. 44 Prozent der Betriebe melden eine zufriedenstellende und 9 Prozent eine schlechte Geschäftslage. Allen konjunkturellen und politischen Risiken zum Trotz ist die Industrie im Herbst im Aufwind, die Lage hat sich deutlich verbessert. „Nach einer ersten Verunsicherung hat das Brexit-Votum Großbritanniens vom Juni dieses Jahres bislang zu keiner spürbaren Stimmungseintrübung bei den Industriebetrieben geführt“, berichtet Nitschke. Bei den Bauunternehmen der Region laufen die Geschäfte rund. Im Dienstleistungsgewerbe und im Einzelhandel ist bei der aktuellen Umfrage eine leichte Abschwächung zu beobachten, die wirtschaftliche Situation bleibt insgesamt in beiden Wirtschaftszweigen aber gut. „Die Binnennachfrage ist derzeit eine wichtige Stütze für die konjunkturelle Entwicklung der Unternehmen aus unserem IHK-Bezirk. Die Rahmenbedingungen sind durch die stabile Arbeitsmarktentwicklung, das niedrige Zinsniveau und die geringe Inflation nach wie vor günstig“, erklärt Nitschke. Aus diesem Grund rechnen die Unternehmen auch für die nächsten Monate mit einer insgesamt guten wirtschaftlichen Entwicklung.
Die Geschäftserwartungen der Wirtschaft aus dem IHK-Bezirk haben im Herbst zwar im Vergleich zur Vorumfrage etwas nachgegeben, sie bleiben in der Tendenz aber erfreulich positiv. Bezogen auf die Gesamtwirtschaft gehen 27 Prozent der Unternehmen von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation aus. 63 Prozent der Betriebe erwarten eine gleichbleibende und 10 Prozent eine schlechtere Entwicklung. Der Saldo der Geschäfts-erwartungen liegt mit +17 Punkten knapp über dem langfristigen Durchschnitt von +16 Punkten. In der Industrie und im Dienstleistungsgewerbe sind die Geschäftserwartungen stabil, im Handel haben sie sich zuletzt etwas abgeschwächt.
Bei der aktuellen Konjunkturumfrage wurden die Unternehmen auch nach den Risiken für ihre wirtschaftliche Entwicklung gefragt. Die Inlandsnachfrage ist der nach wie vor am häufigsten genannte Risikofaktor. Dass der Fachkräftemangel ein echtes Konjunktur- und Wachstumsrisiko darstellt, wird im Zeitablauf deutlich. Vor drei Jahren nannten ihn 32 Prozent der Unternehmen als Risiko, drei Jahre später ist er mit 45 Prozent der am zweithäufigsten genannte Risikofaktor. Rund jeder Dritte sieht bei der aktuellen Umfrage in den Arbeitskosten eine Gefahr. Der Anteil derer, die in der Wirtschaftspolitik eine Schwierigkeit für die Konjunktur sehen, hat im Vergleich zur Frühsommer-Umfrage etwas zugenommen. Diese Zunahme ist insbesondere vor dem Hintergrund der Geschehnisse im internationalen Umfeld zu sehen. Mehr als jeder Vierte nennt die Energie- und Rohstoffpreise als Hemmnis für seine wirtschaftliche Entwicklung. Aufgrund des niedrigen Ölpreises wurde dieser Risikofaktor im Vergleich zu Umfragen aus den Vorjahren kurzfristig weniger häufig genannt. Die Ende September von der OPEC angekündigte Begrenzung der Ölfördermenge könnte den Ölpreis jedoch wieder steigen lassen.
Die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft aus dem Bezirk der IHK Rhein-Neckar hat sich, nach einer deutlichen Verbesserung bei der Vorumfrage, aktuell leicht abgeschwächt. Das Investitionsklima bleibt insgesamt aber gut. Der Saldo der Investitionsabsichten liegt mit +14 Punkten über dem langfristigen Durchschnitt von +9 Punkten. Der Ersatzbedarf ist das nach wie vor am häufigsten genannte Investitionsmotiv, gefolgt von Investitionen in Produkt- und Verfahrensinnovationen.
Ähnlich wie die Investitionsabsichten haben sich auch die Beschäftigungspläne der Wirtschaft aus dem IHK-Bezirk im Herbst etwas abgeschwächt. Derzeit berichten 21 Prozent der Unternehmen, dass sie ihre Mitarbeiterzahl in den nächsten Monaten erhöhen möchten. 64 Prozent der Betriebe erwarten eine gleichbleibende und 15 Prozent eine rückläufige Beschäftigtenzahl. Die meisten neuen Stellen dürften auch in den nächsten Monaten im Dienstleistungsgewerbe entstehen. „Die Beschäftigungspläne einiger Industrieunternehmen bereiten uns hingegen weiterhin Sorgen“, so Nitschke mit Blick auf die Ankündigungen einiger Betriebe aus der Region, ihre Mitarbeiterzahl am Standort Rhein-Neckar zu verringern.
Im Rahmen einer ergänzenden Sonderumfrage wurden die IHK-Mitgliedsbetriebe zu den Themen „Fachkräftesicherung“ und „Beschäftigung von Flüchtlingen“ befragt. 43 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie derzeit offene Stellen nicht besetzen können, da sie keine geeigneten Fachkräfte finden.
Gesucht werden laut den Angaben der Unternehmen sowohl nichtakademische Fachkräfte mit einer Berufsbildung oder einem Weiterbildungsabschluss als auch Fachkräfte mit (Fach-)Hochschulabschluss. Besonders gefragt sind Fachkräfte technischer Berufe, gefolgt von IT-Berufen. Auf bereits bestehende oder erwartete Fachkräfteengpässe reagieren die Betriebe insbesondere durch verstärkte Aus- und Weiterbildungsaktivitäten.
Die Unternehmen wurden auch gefragt, ob sie momentan Flüchtlinge beschäftigen. Unerheblich ist dabei, ob die Personen als Praktikanten, Einstiegsqualifikanten, Auszubildende oder Beschäftigte im Betrieb tätig sind. Rund jeder zehnte Teilnehmer der Befragung gibt an, dass er derzeit Flüchtlinge beschäftigt. Weitere 12 Prozent der Umfrageteilnehmer berichten, dass sie zwar derzeit keine Flüchtlinge beschäftigen, dies aber für die kommenden zwei Jahre planen. Aus Sicht der IHK stellt insbesondere die duale Berufsausbildung eine Möglichkeit dar, die vielen jungen Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wir als IHK investieren viel Zeit in die Information der Flüchtlinge zum Thema Ausbildung. In anderen Ländern ist die duale Ausbildung nicht bekannt. Ihr Stellenwert muss den Flüchtlingen aber vermittelt werden, wenn sie bei uns eine gute
Berufs- und Aufstiegschance haben wollen“, erläutert Nitschke.
Der regionale Arbeitsmarkt ist im Herbst in einer sehr guten Verfassung. Im Bezirk der IHK Rhein-Neckar lag die Arbeitslosenquote im September 2016 bei
4,6 Prozent. Zuletzt waren bei den Agenturen für Arbeit rund 27.600 Arbeitslose gemeldet. Damit ist die Zahl der Personen ohne Arbeit gegenüber dem Vorjahresmonat weiter zurückgegangen. Die Zahl der gemeldeten Arbeitsstellen lag im September 2016 bei etwa 9.800. Dies entspricht einem Anstieg um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
In der Industrie wird die Lage, nach leichten Rückgängen bei den vergangenen drei Befragungen, aktuell deutlich besser bewertet. Der Saldo steigt im Herbst auf +38 Punkte und liegt damit deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von +28 Punkten. Von besseren Geschäften berichten insbesondere die Investitionsgüterproduzenten sowie die Ge- und Verbrauchsgüterproduzenten. Bei den inländischen Umsätzen konnten die Industriebetriebe eine leichte Zunahme gegenüber dem Vorjahresquartal verzeichnen. Die Exportumsätze haben sich laut den Angaben der Unternehmen stabil entwickelt. Bei den derzeitigen Auftragseingängen melden die Betriebe eine leichte Abschwächung gegenüber der Vorumfrage. Dies gilt sowohl für die inländischen als auch für die ausländischen Bestel-lungen.
Mit Blick auf die Exportregionen erwarten die Industriebetriebe von den asiatischen Märkten, der Eurozone sowie Nordamerika die größten Impulse.
Die Exporte nach Russland dürften auch in den kommenden Monaten rückläufig sein. Die Geschäftserwartungen der Unternehmen kann dieser Rückgang jedoch nicht trüben, sie sind weiterhin günstig. Die Investitionsbereitschaft bleibt in der Industrie hoch. Hauptmotiv für Investitionen ist der Ersatzbedarf. Die Beschäftigungspläne der Industrieunternehmen geben derweil aufgrund des von manchen Betrieben angekündigten Personalabbaus wenig Grund zur Freude.
Im Handel sind die Lagebeurteilungen im Herbst nicht mehr ganz so günstig wie bei der Vorumfrage. Der Saldo geht von hohen +31 Punkten im Frühsommer auf nunmehr +25 Punkte zurück. Damit liegt er jedoch nach wie vor über dem langfristigen Durchschnitt von +15 Punkten. Die etwas schwächere Lagebeurteilung der Händler ist auf einen Rückgang der Bewertungen aus dem Einzelhandel zurückzuführen. Im Großhandel ist die wirtschaftliche Situation unverändert günstig. Die Geschäftserwartungen haben sich sowohl im Einzelhandel als auch im Großhandel aktuell etwas abgeschwächt. Die Investitionsabsichten bleiben weiterhin expansiv ausgerichtet. Die Zahl der Beschäftigten dürfte im Großhandel in den nächsten Monaten konstant bleiben, im Einzelhandel sogar leicht steigen. Darauf deuten die Angaben der Unternehmen zu den Beschäftigungsplänen hin. „Im Einzelhandel ist jedoch eine mögliche saisonale Komponente zu berücksichtigen. In einigen Bereichen des Einzelhandels nimmt die Zahl der Beschäftigten durch das anstehende Weihnachtsgeschäft temporär zu, ohne dass sich daraus längerfristige Beschäftigungs-verhältnisse ergeben“, erläutert Nitschke.
Im Dienstleistungsgewerbe laufen die Geschäfte weiterhin gut, der Konjunkturmotor dreht sich in manchen Branchen jedoch nicht mehr ganz so schnell wie in den vergangenen Monaten. Der Saldo liegt mit +37 Punkten zwar über dem langfristigen Durchschnitt, bleibt insgesamt aber etwas hinter den Werten der Vorumfragen zurück. Die Bewertungen der Unternehmen aus der IT-Branche, der Immobilienwirtschaft, der Zeitarbeitsbranche sowie den PR- und Unternehmensberatungen fallen bei der aktuellen Umfrage, ausgehend von einem hohen Niveau, etwas schwächer aus. Von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation berichten derzeit insbesondere die Architektur- und Ingenieurbüros, die Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft und aus dem Gastgewerbe. Die Geschäftserwartungen sind im Dienstleistungsgewerbe stabil. Die Tendenz bei den Auftragseingängen ist momentan etwas besser als bei der Vorumfrage. Entsprechend günstig sind auch die Umsatzerwartungen. Per saldo erwartet jeder Fünfte steigende Umsätze in den nächsten Monaten. Die Betriebe haben ihre Investitionsplanungen leicht zurückgenommen, insgesamt bleibt das Investitionsklima aber expansiv ausgerichtet. Gleiches gilt auch für die Beschäftigungsabsichten. Die Zahl der Beschäftigten dürfte in den kommenden Monaten im Dienstleistungsgewerbe weiter steigen, wenn auch mit einer geringeren Dynamik als in den letzten Monaten. „Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Unternehmen die Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt finden.
Schließlich wird der Fachkräftemangel von jedem zweiten Dienstleister als Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung genannt“, so Nitschke abschließend.
Der aktuelle IHK-Konjunkturbericht ist abrufbar unter www.rhein-neckar.ihk24.de, Suchbegriff/Nummer 6998.