Mannheim / Metropolregion Rhein-Neckar – Der „Kunstteppich für Mannheim“ – ein voller Erfolg!
Neugierig betrachtet eine Passantin, wie die Schülerinnen Melisa und Dasha mit Acrylfarben gerade eine blaue Weltkugel aufs Pflaster zaubern. „Das ist ja eine
tolle Aktion!“, ruft die ältere Dame begeistert aus. „Das sollte man in der ganzen Stadt machen!“
Melisa und Dasha sind zwei der insgesamt 50 Kinder und Jugendlichen, die seit dem 20. Juli eine Woche lang beim Kunst- und Hilfsprojekt „Kunstteppich für Mannheim“ mitmachen. Auf der Mannheimer Fressgasse haben sie, unter Anleitung von angehenden Kunstpädagogen, namentlich: Hamlet Al Kuti, Birkan Aydogdu, Jasmin Bachert, Bernd Claus, Cagdas Saso und Jörn Heimann von der Freien Kunstakademie Mannheim, das wohl längste Straßenbild der Stadt angefertigt. Der konzeptuelle Aspekt der Kunstaktion, für den die FKA mit Werner Degreif verantwortlich ist, wurde im Vorfeld in einem einwöchigen Workshop zusammen mit den Kinder und Jugendlichen erarbeitet.
„Wir kommen ständig mit den Menschen ins Gespräch. Viele fragen interessiert danach, was wir hier machen und worin der Sinn unserer Aktion besteht. Das ist wirklich schön!“, freut sich Melisa.
Eine Aussage, die Thomas Mück, Vorsitzender des Vereins „Pro Bono für Kunst und Kind“, nur unterstreichen kann. Von ihm stammt die Idee, auf dem alten Pflaster der Mannheimer Fressgasse noch einmal etwas Schönes entstehen zu lassen, bevor es aufgrund von Bauarbeiten im Herbst abgerissen und erneuert wird.
„Die Kinder und Jugendliche sind mit Feuereifer dabei, total konzentriert, gönnen sich trotz großer Hitze oft gar keine Pause. Warum? Weil sie hier mit ihrer Meinung, ihren ureigenen Ideen, ernst genommen werden. Hier stehen ihre Gedanken im Mittelpunkt. Die Fressgasse ist jetzt ganz allein ihre Bühne und sie genießen die Anerkennung für ihre künstlerischen Ideen“, erzählt er.
Und die Ideen der Kinder und Jugendlichen stehen auch tatsächlich im Zentrum dieser Kunst- und Hilfsaktion. Vor allem den Zukunftswünschen der Nachwuchskünstler soll Gehör verschafft werden.
„Ich wünsche mir eine bessere Ausstattung der Schulen“, steht da etwa auf der„Wünschetafel“ des dafür extra aufgestellten Bauwagens. „Viel weniger Beton, und dafür mehr Grün und Blumen in der Stadt!“, fordert ein anderes Kind und malt mit Feuereifer eine Blumenlandschaft auf die Straße. „Ein besseres Miteinander aller Nationen und eine bessere Integration von Menschen mit ausländischer Herkunft“ , lautet der Wunsch von Melisa, die ihrer Forderung mit der gemalten albanischen Flagge Ausdruck auf dem Pflaster verschafft. Ein verständlicher und berechtigter Wunsch! Machen doch Kinder und Jugendliche aus 19 verschiedenen Nationen beim Kunst- und Hilfsprojekt mit. Sie sind entweder Schüler der Johannes-Keppler-Werkrealschule und in diesem Fall dank einer direkten Kooperation mit der FKA Mannheim dabei oder sie sind bei „Freezone“, dem Hilfsprojekt für obdachlose Kinder und Jugendliche aus Mannheim. Den „Freezone“-Kindern kommt der Erlös des Hilfsprojektes dann auch hauptsächlich zu
Gute. „Freezone“ bietet den obdachlosen Kindern und Jugendlichen Schlafplätze, eine Straßenschule, eine Möglichkeit, sich täglich eine warme Mahlzeit zubereiten zu können sowie Kleidung und andere Dinge des täglichen Bedarfs.
Außerdem erhalten die Kinder und Jugendlichen eine Sozialberatung und psychologische Unterstützung. Diese wertvolle Arbeit ist nur über Spendengelder möglich.
Fast 20 000 Euro werden durch den „Kunstteppich für Mannheim“ zusammen kommen.
Möglich wurde die stolze Summe durch Paten, die jeweils für 100 Euro einen Meter „Kunst auf der Gass‘ “ unterstützen konnten.
Privatpersonen, Geschäfte, Institutionen haben gerne mitgemacht und meterweise Kunst gekauft. Zudem wird der Verkauf eines Leporellos, der das Kunstwerk für immer festhalten wird, für zusätzliche Einnahmen sorgen.
Neben „Freezone“ wird mit dem Erlös zudem die Freie Kunstakademie Mannheim unterstützt, die wiederum kostenlose Kunstkurse für benachteiligte Kinder anbieten wird.
Alles in allem eine rundum gelungene Kunst-und Hilfsaktion, bei der nicht nur Künstler und Kinder gehört, sondern eine ganze Stadt mit eingebunden wurde. Denn ein jeder Passant konnte ebenso seinen Zukunftswunsch für Mannheim formulieren.
Fünf Wünsche werden heute, Montag den 27. Juli, symbolisch der Stadt Mannheim übergeben, auf dass der Oberbürgermeister der Stadt sie in seiner neuen Amtszeit in seinem Herzen bewegen kann.
„Die Kunstszene zu bereichern und zugleich Kindern in Not zu helfen, das ist die Hauptmotivation unseres Vereins „Pro Bono bono – für Kunst und Kind e.V.“.
Mit dem „Kunstteppich für Mannheim“ haben wir unsere Ziele in Reinform miteinander vereinen können. Und wir hoffen natürlich zugleich, jetzt ganz viele neue Förderer gefunden zu haben. Denn unsere Arbeit geht schließlich weiter! Auch nach dem Mannheimer Kunstteppich!“, erklärt Vereinsvorsitzender Thomas Mück.
Ich male mir meine Welt…
Kinder bringen Mannheims Zukunft in Acryl aufs Pflaster – Aus Beton sprießen Blumen, Blätter sprengen das Pflaster, Ranken klettern den Gehsteig entlang.
„Viel mehr Grün in der Stadt“, das wünscht sich die 14-Jährige Melisa. Zusammen mit 41 anderen Kindern und Jugendlichen der Johannes-Keppler-Werkrealschule und von der
Hilfsorganisation „Freezone“ besucht sie den vorbereitenden Workshop zum Kunst- und Hilfsprojekt „Kunstteppich für Mannheim“ vom Verein „Probono – für Kunst und Kind e.V.“.
Sechs angehende Kunstpädagogen der Freien Kunstakademie Mannheim stehen den Kindern dabei zur Seite. Welche Farben werden den größten Effekt erzielen auf der Mannheimer Fressgasse? Muss jedes Bild zwangsläufig bunt und grell sein – oder erreicht man nicht auch eine wunderbare Wirkung durch einfarbige Bilder? Wie male ich eigentlich einen Kopfhörer korrekt?
Die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren sollen nicht nur ihre persönlichen Wünsche für ein schöneres Mannheim bildlich umsetzen, sondern auch MalTechniken erlernen und etwas über Bildkompositionen erfahren. Der Künstler Werner Degreif, der die künstlerische Leitung über das Projekt hat, wünscht sich schon, dass seine Schützlinge nicht wild improvisieren, sondern ernsthaft am Gesamtkunstwerk arbeiten. Von den Kunststudenten vorgefertigte Schablonen und Entwürfe helfen dabei. Nicht jedes Bild muss eine detaillierte Landschaft zeigen. Der „Kunstteppich für Mannheim“ arbeitet auch viel mit Symbolen und Piktogrammen.
„Mehr Musik für Mannheim“, wünscht sich die 15-Jährige Jasmin. „Es gibt immer noch zu wenig Möglichkeiten, Live-Musik in der Stadt zu genießen“, findet die Schülerin der JohannesKeppler-Werkrealschule. Eine Hand, die einen riesigen, bunten Kopfhörer hält, soll ihren Wunsch plastisch machen.
Bevor die Kinder und Jugendlichen sich daran machen, Entwürfe zu malen für das Kunstwerk auf der „Gass‘ “, haben sie ganz viele Wünsche und Bildideen gesammelt.
Jetzt hängen sie an einer Pinnwand. Und nun gilt es, diese Ideen in Zeichnungen, Symbole, Graphiken, Reliefs umzuwandeln. Mit diesen Zeichnungen geht es dann am 20. Juli auf die Straße, um Mannheims größtes Straßenbild zu kreieren.
Die Schüler der Johannes-Keppler-Werkrealschule werden im Rahmen ihrer Projekttage dafür eine Woche Zeit bekommen. Die Jugendlichen von „Freezone“ haben zum Teil gar die Möglichkeit, ihre künstlerischen Fähigkeiten in einem einjährigen Workshop, direkt an der freien Kunstakademie Mannheim, zu vertiefen.
Begabt, kreativ, voller Zuversicht für die Zukunft sind die Kinder allemal jetzt schon. Die 16-Jährige Amal aus dem Libanon malt eine wunderschöne, geradezu zauberhafte orientalische Frau. „Ich wünsche mir, dass die vielen Menschen aus den unterschiedlichen Kulturen hier noch besser zusammen leben und jeder seinen Platz hat“, erklärt sie ihren gemalten Zukunftswunsch.
Im Kunstteppich für Mannheim kann sie ihren Wunsch, mehr als deutlich zum Ausdruck bringen.Sie und die anderen Kinder und Jugendlichen. Die Paten, die den Kunstteppich finanziell möglich machen. Und eigentlich alle Mannheimer Bürger, die ab dem 20. Juli die Möglichkeit haben, ihren persönlichen Zukunftswunsch in den „Kunstteppich für Mannheim“ einzuweben.
Denn jeder Passant kann ab dem 20. Juli an einem eigens dafür aufgestellten Bauwagen seinen persönlichen Zukunftswunsch äußern. Und wer weiß, vielleicht findet dieser Wunsch auch Eingang in den Kunstteppich. Der Teppich, der Wünsche erfüllt, nicht nur die von Kindern…
Mehr Informationen auch unter: www.probono-kuk.de
Neues Leben – dank Kunst
Das Kunst- und Hilfsprojekt-Projekt „Der Mannheimer Kunstteppich“ als Zukunftschance „Was für ein schönes Gesicht!“, ist das erste, was ich denke, als ich auf Jara treffe. Mit schwarzem Kajal dick umrahmte, große, braune Augen, ein lachender Mund, schwarzes, zusammengebundenes Haar mir provokativen grünen Strähnchen drin. Zurückhaltend sitzt sie da, aber nicht schüchtern. Die Hände halten sich oft an einer Zigarette fest. Diese scheint ihr Halt zu geben.
Wir treffen uns bei Freezone, dem Mannheimer Hilfsprojekt für obdachlose Kinder und Jugendliche. Jara ist kein Straßenkind mehr, sie hat es geschafft. Für Freezone-Leiterin Andrea Schulz ist sie eine Vorzeige-Jugendliche. Sie ist der lebendige Beweis dafür, dass die intensive Betreuung obdachlos gewordener Jugendlicher durch Freezone mehr als sinnvoll ist. Jara war vor ihrer Zeit bei Freezone ohne einen Schulabschluss. Und jetzt? „Jara hat gerade mit Unterstützung unserer hauseigenen Straßenschule sehr erfolgreich den Realschulabschluss absolviert“, erzählt Andrea Schulz voller Stolz. So reden normalerweise Mütter über ihre Kinder. Aber irgendwie ist Andrea Schulz auch Mutter. Mutter vieler von der Gesellschaft, von Familien und von Schulsystemen aufgegebener Kids.
Andrea Schulz sieht nur das Potential dieser Jugendlichen. Sie sieht, was die jungen Leute sein könnten, wenn man ihnen nur mit Respekt und Anerkennung begegnen würde. Wenn man sie fordert und fördert, an sie glaubt und sie bestärkt. An Jara hat sie geglaubt, von der ersten Minute an. „Unsere Jara, die schafft das, die ist etwas Besonderes!“, wusste Andrea Schulz sofort. Jara lächelt nur sanft. Erzählen will sie nicht von ihrem früheren Leben.
Vom Leben auf Mannheims Straßen. Viel lieber schaut sie nach vorne. Sie zieht gerade in eine eigene Wohnung, was sie mit Stolz erfüllt. Und jetzt steht erst einmal das Projekt „Kunstteppich für Mannheim“ an. Das aktuelle Kunst- und Hilfsprojekt des Vereins „Pro bono – für Kunst und Kind.“ „Ich habe schon immer gerne gezeichnet, ich interessiere mich sehr für Kunst, deshalb finde ich es toll, mitmachen zu dürfen“, erzählt die 18-Jährige.
Noch weiß sie nicht genau, was sie auf „ihren“ 50 Metern Kunst auf der Fressgasse aufs Pflaster bringen will, ein bisschen will sie sich auch vom Ort inspirieren lassen und von der Interaktion mit den anderen Künstlern, aber sie kann es kaum erwarten, dass es los geht.
Vielleicht bekommt sie auch erste Ideen beim vorbereitenden Workshop. Alle Kinder und Jugendlichen, die den Mannheimer Kunstteppich mit Leben erfüllen werden, müssen daran teilnehmen. An der freien Kunstakademie Mannheim lernen die 50 Jugendlichen etwas über Farbenlehre, Farbsymbolik, Malen im öffentlichen Raum, dreidimensionales Gestalten, plastisches Zeichnen.
Begeistert schaut Jara auf den Entwurf, den einer der insgesamt sechs Kunstpädagogen erstellt und zu Freezone mitgebracht hat. Zwischen dem Kunstpädagogen Bernd Claus und der 18-Jährigen entsteht über den Entwurf sofort eine Verbindung. „Wow, ist das genial, da würde ich sofort mitmachen!“, zeigt Jara sich begeistert.
Auf Bernd Claus Zeichnung reißt eine Riesenschlange ihren Rachen auf, sie wirkt furchteinflößend und trotzdem kraftvoll, mächtig. Ihr langer Körper wird immer wieder
unterbrochen – durch Mannheimer Wahrzeichen. Zu sehen sind u.a. das Mannheimer Schloss, der Wasserturm, der Fernmeldeturm, die Plastik „die große Mannheimerin“ –
und dazwischen immer wieder der kraftvolle, grüne Schlangenkörper. Mannheim – eine starke Stadt voller Symbolkraft? Aber auch furchteinflößend, manchmal unbarmherzig,
unbarmherzig jenen gegenüber, die die Erwartungen der Gesellschaft nicht auf Knopfdruck erfüllen können – oder wollen, Seitenwege einschlagen, stolpern, auch abstürzen.
Aber beim Kunstteppich für Mannheim gehts ums Aufbegehren und Aufstehen gleichermaßen. Das weiß auch Jara. Den Realschulabschluss hat sie jetzt dank Freezone in der Tasche. Nach dem Kunstprojekt auf der Fressgasse geht‘s für sie auf die Freie Kunstakademie Mannheim. Für ein ganzes Jahr. Auch das macht der Verein Pro bono
möglich. Denn mit den Erlösen aus dem Projekt „Kunstteppich für Mannheim“ wird nicht nur Freezone unterstützt, sondern auch die Freie Kunstakademie Mannheim, die hierdurch Jugendlichen wie Jara eine Chance auf eine ganz neue Zukunft gibt. Jara kann sich an der Akademie ein Jahr lang mit ihrer Leidenschaft, der Kunst, auseinandersetzen. Und wer weiß, vielleicht hat sie dann Lust sogar das Abitur nachzuholen und Kunst zu studieren. Alles scheint nun möglich. „Ich glaube schon, dass der Kunstteppich den Jugendlichen ganz viel geben wird. Sie sind ein Teil eines Gesamtkunstwerkes. Das wird ihnen Selbstbewusstsein geben. Sie werden sagen: Schaut, das ist mein Teil am Kunstteppich!“ Jara ist überzeugt vom neusten Kunst und Hilfsprojekt von Pro bono. Ein Projekt, das wirklich ganz und gar der Satzung des jungen Vereins entspricht. Die Kunstszene in Mannheim und in der Region zu beleben und zugleich Kinder und Jugendliche in Not zu unterstützen. Mit Kunst etwas bewegen – Gutes tun – nicht immer nur spinnerte Utopie. Sondern manchmal wunderbare Realität. Jara ist ein Teil davon.
Mehr Informationen auch unter www.probono-kuk.de