Mannheim / Metropolregion Rhein Neckar – Auf Einladung der staatlichen deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) nahm am Wochenende eine dreiköpfige Delegation aus Mannheim unter Leitung von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz an einer internationalen Konferenz im palästinensischen Ramallah teil. Die Konferenz befasste sich mit der Bedeutung der Kommunen für den Aufbau demokratischer staatlicher Strukturen in den palästinensischen Autonomiegebieten. Oberbürgermeister Dr. Kurz hielt vor den rund 300 Konferenzteilnehmern aus zahlreichen Ländern einen Vortrag über lokale Wirtschaftspolitik und stellte dabei Strategie und Praxis der Stadt Mannheim im Bereich Wirtschaftsförderung und Existenzgründerunterstützung vor. Auch berichtete er – wie sein Amtskollege Prof. Daoud Zatari – über die Erfahrungen aus der seit Ende 2013 aufgenommenen Zusammenarbeit mit Hebron. Eine anschließende Arbeitssitzung befasste sich mit der Frage, wie die Mannheimer Ansätze übertragen werden können. Unter den Beteiligten herrschte Übereinstimmung, dass eine Förderung wirtschaftlicher Entwicklung den Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen stützt und ein Friedensbeitrag ist.
Protokollarischer Höhepunkt der Veranstaltung war eine Ansprache von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas, in der er vor dem Hintergrund des jüngsten Terroranschlags in Jerusalem jede Form von Gewalt gegen Zivilisten, unabhängig von Staatsangehörigkeit oder religiöser Zugehörigkeit verurteilte. Er wies zugleich, wie auch der ebenfalls anwesende UN-Beauftragte für den Nahen Osten, Robert Serry, darauf hin, dass in der aktuell sehr angespannten Situation nicht der Fehler gemacht werden dürfe, einen politischen Konflikt in einen religiösen zu transformieren, da jede Aussicht auf Verständigung dann noch weiter erschwert werde. Zugleich betonte Abbas die Bedeutung der Kommunen für die Schaffung eines demokratischen Staates Palästina und räumte ein, dass dieser Aspekt in der Vergangenheit vernachlässigt wurde. Ebenfalls unterstrich er in seiner Rede, wie wichtig es sei, den Anteil von Frauen auf allen Ebenen von Politik und Verwaltung zu erhöhen.
In einem rund zehnminütigen Vieraugengespräch auf Vermittlung des Hebroner Oberbürgermeisters tauschte sich Präsident Abbas mit Mannheims Oberbürgermeister Dr. Kurz über die Beziehungen der Quadratestadt in den Nahen Osten sowie die Motive für dieses Engagement aus. „Präsident Mahmoud Abbas zeigte sich zum einen sehr interessiert an unserer Zusammenarbeit mit Hebron, der größten Stadt im Westjordanland. Zum anderen war es aber auch ein wichtiges politisches Signal, dass er sehr positiv auf unsere langjährige Städtepartnerschaft mit Haifa in Israel reagierte und seine Wahrnehmung von Haifa als einer offenen und toleranten Stadt, in der verschiedene Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben, unterstrich“, so Oberbürgermeister Dr. Kurz über sein Gespräch mit dem Präsidenten.
Abgerundet wurde die Konferenz von einer von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt und „Engagement Global“ veranstalten Podiumsdiskussion palästinensischer und deutscher Oberbürgermeister. Im Rahmen der teilweise kontrovers geführten Debatte machten die palästinensischen Bürgermeister deutlich, dass sie sich künftig deutlich mehr als die bereits existierenden sechs deutsch-palästinensischen Partnerschaften wünschen. Der Präsident des palästinensischen Städtetags (APLA – Association of Palestinian Local Authorities) Ghassan Shakaa, der zugleich Oberbürgermeister von Nablus ist, betonte aber auch, dass hierdurch keineswegs die vielen aktiven Städtepartnerschaften zwischen deutschen und israelischen Städten relativiert werden sollten. Die palästinensischen Städte hätten ausdrücklich ein Interesse an engen Beziehungen zwischen deutschen und israelischen Kommunen und erhofften sich eine Vermittlung ihrer Situation.
Die Stadt Mannheim ist eine von nur drei deutschen Großstädten, die sowohl zu einer israelischen als auch zu einer palästinensischen Stadt aktive Beziehungen unterhält. Mit diesem Engagement will die Stadt einen Beitrag auf lokaler Ebene zur Förderung von Dialog und Verständigung leisten. Zugleich ist der Nahostkonflikt selbst auch Gegenstand von Diskussionen und Auseinandersetzungen in Mannheim selbst, so dass dieses Anliegen der Stadt von vielen Bürgerinnen und Bürger Mannheims, nicht zuletzt aus den muslimischen und jüdischen Religionsgemeinschaften, geteilt wird.
Der Aufenthalt wurde zugleich genutzt um die Themen der Zusammenarbeit zwischen Mannheim und Hebron zu vertiefen. Die Stadt Mannheim kooperiert aktuell auf zwei Feldern mit Hebron. Zum einen findet eine Zusammenarbeit im Bereich der Existenzgründerförderung statt. In diesem Zusammenhang wird im Januar 2015 ein einwöchiges Training palästinensischer Wirtschaftsförderer in Mannheim stattfinden. Des Weiteren berät der Eigenbetrieb Stadtentwässerung die Stadt Hebron beim Bau einer energieeffizienten Kläranlage. Weitere mögliche Kooperationsfelder, die im Rahmen der Konferenz besprochen wurden, sind die umweltfreundliche Energiegewinnung sowie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrssystems in der 300.000 Einwohner-Stadt Hebron.
Oberbürgermeister Dr. Kurz resümierte die Ergebnisse der Konferenz: „Die Veranstaltung fand in einem aktuell besonders schwierigen politischen Kontext statt. Daher ist es umso erfreulicher, dass konkrete kommunale Anliegen im Fokus standen. Zudem konnten nicht nur die konkreten Kooperationsbeziehungen zwischen Mannheim und Hebron thematisiert und vertieft werden. Zugleich sind Grundlagen gelegt worden, die künftige trilaterale Kontakte zwischen Mannheim, Haifa und Hebron möglich erscheinen lassen.“