Ludwigshafen /Metropolregion Rhein Neckar – Kevin Klier steht bei der TSG Ludwigshafen-Friesenheim seit 2007 unter Vertrag und ist, neben Kapitän Philipp Grimm, der dienstälteste Akteur in den Reihen der Rothemden. Der Keeper, der im August 30 Jahre alt wird, wurde von den Trainern und den Managern der 2. Handball-Bundesliga zum besten Torwart der Spielzeit 2013/14 gewählt – und das, obwohl Meistertrainer Thomas König auf ihn wegen einer Knieverletzung in den letzten fünf Saisonspielen verzichten musste. Kurz vor seinem Trip auf die Antilleninsel Kuba sprach Kevin Klier unter anderem über den ersten TSG-Aufstieg 2010, stellt einen Vergleich zum zweiten her und wagt einen Ausblick auf die zweite Erstligasaion der Eulen.
Glückwunsch zum zweifachen Aufstieg – zunächst als Meister mit der TSG Ludwigshafen-Friesenheim und dann als Fan des künftigen Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98. Und letztlich auch zur Wahl des besten Torwarts in der vergangenen Runde. Da gab´s ´ne Menge zu feiern im Monat Mai?
Kevin Klier: Vielen Dank. Das stimmt, über beide Aufstiege habe ich mich sehr gefreut. Mit dem Aufstieg der TSG konnte man im Saisonverlauf aber wohl eher rechnen als mit dem des SV 98.
Was bedeutet die Auszeichnung “Torhüter der Saison 2013/14” für Dich?
Klier: Das ist schon eine Ehre und eine tolle Geschichte, gerade in einer Mannschaftssportart. Ich gebe die Auszeichnung gerne an die Mannschaft weiter, denn ohne sie wäre das nicht möglich gewesen.
Als 2010 der TSG der erste Aufstieg gelang, gab es noch die zweigeteilte 2. Handball-Bundesliga. Und ihr hattet ein Jahr zuvor eine riesengroße Enttäuschung zu verkraften, da Hannover-Burgdorf in den beiden Relegationsspielen denkbar knapp die Oberhand behalten hatte. Was war für Dich ausschlaggebend, dass der Sprung in die erste Liga klappte?
Klier: Die Relegation gegen Hannover-Burgdorf war der Startschuss für eine erfolgreiche Zeit. Es gab damals noch zwei 2. Ligen, wobei nur der Erste direkt aufgestiegen ist. Über die Relegation aufzusteigen, war ungleich schwieriger als heute bei der eingleisigen. Wir hatten nach einer überragenden Rückrunde den zweiten Platz in der Südstaffel erreicht und den Zuschauerschnitt auf 1000 hochgeschraubt. Die TSG hatte sich von einer grauen Maus zu einem Fastaufsteiger entwickelt. Die Mannschaft ist danach im Prinzip gleich geblieben und spielte eine überzeugende Runde. Es entwickelte sich im Fanbereich eine regelrechte Euphorie, und dass es mit dem Aufstieg schließlich klappte, hatte niemand erwartet. Verbunden war das bei uns Spielern mit einer wahnsinnigen Emotion.
Euch war, trotz einer starken Hinrunde, nur ein einjähriges Intermezzo in der so genannten “stärksten Liga der Welt” gegönnt. Nach dem Abstieg 2011 kam es innerhalb des Teams zu einem großen Umbruch und der Aufbau einer neuen Mannschaft begann. Hinzu kam eine neue Klasse, die einteilige zweite Handball-Bundesliga. Wie beschreibst Du die damalige Situation aus heutiger Sicht?
Klier: Thomas König musste nach dem Abstieg eine neue Mannschaft formen. Er hatte die Änderung der Vereinsphilosophie, künftig auf jüngere Spieler zu setzen, mitgetragen und durch seine Kontakte eine Mannschaft zusammengestellt, die auch den Aufstieg schaffte. Nach dem Abstieg sind einige Spieler in der ersten Liga geblieben und hatten so die TSG als Sprungbrett nutzen können. Jüngere konnten sich nun beweisen und hier sei stellvertretend Christian Klimek genannt.
Sind die Belastungen in der ersten Liga und der zweiten einteiligen für ein Team wie die TSG verschieden?
Klier: Die Belastung in der einteiligen 2. Liga war ungleich höher als in der ersten. Hier waren nicht nur mehr Spiele zu bestreiten, sondern aufgrund der Ausgeglichenheit gab es viel mehr enge Spiele, die Kraft gekostet haben. In den ersten beiden Spielzeiten in der einteiligen 2. Liga hatten wir ohne Zweifel einen schweren Stand. In der 1. Liga hast du 12 bis 14 Spiele, in denen realistisch Punkte geholt werden können.
Es gab in den ersten beiden Spielzeiten der einteiligen zweiten Liga schließlich Platzierungen im zweiten Drittel, zweimal liefen die Eulen als Elfter durchs Ziel. Wie kam es, dass die TSG in ihrer dritten Runde in der einteiligen Liga einen derartigen Leistungsschub bekommen konnte?
Klier: Unser Kader konnte vor der Runde im Großen und Ganzen zusammengehalten werden. Es war uns allen klar, dass wir einen qualitativ gut besetzten Kader haben. Wir wussten auch, dass in der Liga ein Ausnahmeteam fehlte und sie sehr ausgeglichen sein würde. Wir wussten aber auch, dass wir mit Dietrich und Lex Qualität hinzugewonnen hatten. Eine große Stärke des Teams war, dass es sehr konstant gepunktet hat, 25 Zähler in der Hinserie und 26 in Rückrunde belegen das. Unsere Abwehr wurde wesentlich stabiler, wir sind größtenteils verletzungsfrei geblieben und viele junge Spieler haben sich weiterentwickelt. Auch das Mannschaftsgefüge stimmte und passte. Ein Punkt ist stets das Thema Verletzungen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit dem TV Hochdorf. Es gab einige Trainingseinheiten, die wir zusammen absolviert haben, und so war im Training auch hier ein gutes Niveau gewährleistet. Auswärts haben wir uns keine Blöße gegeben. Entscheidend war, dass wir gegen Mannschaften aus dem Mittelfeld und der Abstiegszone am stärksten aufgetrumpft haben.
Anhand der Zahl an Gegentoren lässt sich diese überaus positive Entwicklung bestens festmachen. Wurden die Abwehr und die Torhüter in der jüngsten Spielzeit zum Meistermacher?
Klier: Ein Torwart benötigt eine gute Abwehr, um selbst glänzen zu können. Wir haben in der Abwehr sehr stabil gestanden und achtzig Gegentore weniger bekommen als in der vorangegangenen Runde. So waren die Partien gegen Bittenfeld und Erlangen, hier vor allem das Rückspiel, absolute Highlights. Als Meistermacher würde ich das nicht sehen, aber ihren Anteil am Aufstieg hatten die Torhüter und die Abwehr klarerweise.
Welchen Anteil haben die vor der Saison verpflichteten Gunnar Dietrich und Stefan Lex am Aufstieg?
Klier: “Günnes” hatte mit seinem Nasenbeinbruch ausgesprochenes Pech und fehlte uns ausgerechnet am Saisonstart. In der Abwehr ist er zu dem Stabilisator geworden, den wir uns alle erhofft hatten, und auch im Angriff spielte er gerade gegen Ende hin eine sehr gute Rolle. Stefan hat unser Angriffsspiel belebt und passt super in die Mannschaft. Beide Spieler sind ein Riesengewinn für das Team und haben ihr Soll absolut erfüllt.
Was bestimmt eine Trainingsqualität, die im ersten Erstligajahr große Unterschiede aufwies? War die in der letzten Runde gegeben?
Klier: Die Trainingsqualität steht und fällt mit der Zahl an verletzten Spielern. Im der Hinrunde der Saison 2010/11 blieben wir davon noch größtenteils verschont. Als nacheinander viele Stammspieler langfristig ausfielen, wurden diese teilweise durch Neuzugänge ersetzt. Die wiederum mussten erst ins Gefüge eingebaut werden, was insgesamt nicht vorteilhaft war, weil man dafür einfach eine bestimmte Zeit benötigt. Richtig übel wurde es dann in beiden Spielzeiten nach dem Abstieg, wo phasenweise nicht einmal mehr zehn Spieler des Kaders trainieren konnten. Um den Trainingsbetrieb aufrecht zu erhalten, war Trainer Thomas König daher gezwungen, auf Akteure der Zweiten und der Jugend zurückzugreifen. Es ist schön, dass das machbar ist, aber die Qualität ist einfach eine andere. In der letzten Runde hatten wir vergleichsweise wenige verletzte und kranke Spieler, deren Fehlen konnte aber kompensiert werden. Zum Beispiel hat das Erik Schmidt klasse gemacht, als Christian Klimek nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. Somit war im Training richtig gute Qualität da und eine Spielsimulation war gegeben.
Was ist in der kommenden Erstligarunde für die Eulen möglich?
Klier: In der ersten Liga haben wir nicht nur weniger Spiele, sondern müssen unser Hauptaugenmerk auf Gegner richten, die mit uns um den Klassenverbleib kämpfen werden. Gegen die Großen wird nichts zu erben sein. In diesen Begegnungen können dann alle ihre Einsatzzeiten bekommen und wertvolle Erfahrungen sammeln. Vielleicht ist zu Hause auch mal eine Überraschung drin, so wie in unserer ersten Erstligasaison gegen den TV Großwallstadt. Solche Punkte gegen Teams aus dem Mittelfeld der Liga werden schwer zu holen zu sein, aber unmöglich wird das an einem Tag, an dem alles passt, nicht sein.
Worauf freust Du Dich am meisten, wenn es in der ersten Liga wieder weitergeht?
Klier: Vor allem auf die Auswärtsspiele bei den Großen, wie zum Beispiel beim THW Kiel. Diese Spiele sind einfach Erlebnisse, das ist mit kleineren Hallen nicht zu vergleichen. Sich mit den Besten zu messen, ist ebenfalls eine tolle Sache und sportlich sehr reizvoll für mich. Zudem hat man in den Medien eine größere Beachtung, das ist schon ein großer Unterschied zur 2. Liga. Man denke dabei nur einmal an bundesweite Live-Übertragungen. Das ist für uns schon etwas Besonderes.
Was erhoffst Du Dir von Nico Büdel, Bogdan Andrei Criciotoiu und Oliver Tesch, den Neuen?
Klier: Von Nico erwarte ich, dass er in unserer Abwehr eine gute Rolle spielt und vorne viele Tore macht. Oliver, der mein Jahrgang ist, kenne ich schon länger, mit ihm habe ich in der Jugend- und Junioren-Nationalmannschaft gespielt. Wir müssen es schaffen, ihn schnell zu integrieren. Er wird uns weiterhelfen können und müssen. Bogdan ist bis dato für mich noch ein unbeschriebenes Blatt, auch ihn gilt es so schnell wie möglich in die Mannschaftsprozesse und -abläufe einzubinden.
Als Fußball-Fan wirst Du sicher die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien verfolgen. Was kann die Auswahl von Jogi Löw erreichen? Und wer wird Weltmeister?
Klier: Die deutsche Nationalmannschaft hat es durch die vielen, verletzungsbedingten Ausfälle bei dieser WM verdammt schwer. Für mich heißen die Favoriten auf den Titel Niederlande, Italien, Argentinien und natürlich der Gastgeber Brasilien.
Das Gespräch führte TSG-Pressesprecher Gerold Kuttler