Ludwigshafen/Metropolregion Rhein-Neckar -Interview mit Martin Röhrig, der bei der TSG Friesenheim für die Nachwuchsarbeit verantwortlich ist.
Martin Röhrig: “Für uns ist am wichtigsten, Spieler auszubilden und zu entwickeln”
Die Jugendmannschaften des Aufsteigers TSG Ludwigshafen-Friesenheim feierten in den letzten drei Spielzeiten glänzende Erfolge, der größte davon war die Endspielteilnahme der A-Jugend im Juni 2010. Zuvor erreichte die B-Jugend das Final Four, nämlich 2008, und ein Jahr darauf auch die A-Jugend. Beide Teams gewannen ihre Spiele im sogenannten “kleinen Finale”. Verantwortlich für die Nachwuchsarbeit bei den Eulen ist Martin Röhrig, dem ein kompetentes Trainerteam zur Seite steht. Der 45-Jährige ist zudem Landestrainer des Pfälzer Handball-Verbands und der ARGE Rheinland-Pfalz. Im Interview erläutert Martin Röhrig, Lehrer am Max-Planck-Gymnasium und seit 2000 im Besitz der Trainer-A-Lizenz, unter anderem die Entwicklung der Jugendarbeit beim Bundesliganeuling, welche Ziele verfolgt werden, und dass es sich auszahlen kann, in Friesenheim ausgebildet zu werden.
Martin, Du bist seit über sieben Jahren Jugendtrainer und Jugendkoordinator bei der TSG Friesenheim. Was reizte Dich an der Aufgabe besonders?
Martin Röhrig: Bei der damaligen Anfrage ging es ursprünglich nur um das Training einer Mannschaft. Ich fand es jedoch deutlich sinnvoller, das Ganze zu sehen und ein Konzept zu entwickeln und mit Leben zu füllen, dass es Talenten erlaubt, sich kontinuierlich zu verbessern und im Idealfall ganz oben in der Bundesliga anzukommen. So wie Chris Dissinger, der von Anfang an bei mir mittrainiert hat.
Setzt Du heute andere Schwerpunkte im Vergleich zu Deinem Beginn oder sind diese in etwa gleich geblieben?
Röhrig: Meine Handball-Philosophie basiert auf aktiver Deckung, Tempospiel sowie einem technisch guten strukturierten Angriffsspiel, in dem v.a. viel über den Kreis gespielt wird. Daran hat sich in den Jahren auch nichts geändert. Wesentlich wichtiger als zu Beginn ist der athletische Bereich geworden, wo wir seit dieser Saison z.B. mit Langhanteltraining arbeiten.
Was hat sich seit Deinen Anfängen bis heute am erfreulichsten entwickelt?
Martin Röhrig: Es hat sich unglaublich viel verändert und alles zum Positiven hin. Die TSG Friesenheim ist bis vor wenigen Jahren noch als Verein mit einer guten ersten Mannschaft wahrgenommen worden, die Jugend und die Jugendarbeit im Verein hingegen überhaupt nicht. Das ist heute anders. Die Rahmenbedingungen, unter denen Jugendarbeit bei der TSG geleistet wird, haben sich gut entwickelt, dabei denke ich besonders an die vereinseigene Halle. Wesentlich besser geworden ist die Qualität der Jugendmannschaften. Und es gibt mittlerweile ein durchgängiges Konzept, das von der Jugend über die Zweite bis hin zur Ersten greift.
Was macht Dich in Bezug auf die Jugendarbeit bei der TSG ganz besonders stolz?
Röhrig: In dieser Hinsicht sind insbesondere drei Dinge zu nennen. In der Nachwuchsarbeit kann die TSG Friesenheim mit den besten Jugendmannschaften Deutschlands mithalten. Die zwei dritten Plätze beim Final Four 2008 und 2009 sowie die Deutsche Vizemeisterschaft der A-Jugend in diesem Jahr waren verdient und unterstreichen das. Zudem stehen mit Chris Dissinger bei den Junioren und Jörn Christmann in der Jugend zwei Spieler im Kader der jeweiligen Nationalmannschaft und haben es im Sommer bei der Europameisterschaft unter die letzten vier geschafft. Als dritter Punkt ist anzuführen, dass die TSG Friesenheim in der ganzen Region als Verein erkannt wird, in dem qualifizierte Jugendarbeit gemacht wird. Der Respekt vor dieser Arbeit ist da.
Was ist das Geheimnis dieses Erfolges?
Röhrig: Es gibt kein Geheimnis, sondern nur konsequente Arbeit. Unsere Spieler sind hoch motiviert, weil sie später mal in die Fußstapfen von Kevin Klier, Benni Matschke und Co. treten und eben auch mal in Kiel vor 10.000 Zuschauern spielen möchten.
Was ist das oberste Ziel der Jugendarbeit in Friesenheim?
Röhrig: Für uns ist am wichtigsten, Spieler auszubilden und zu entwickeln, die es mittelfristig in den Kader der Bundesligamannschaft schaffen und sich dort auch durchsetzen können.
Welche Unterziele sind dabei besonders relevant?
Röhrig: Die TSG ist bestrebt, mit ihren Jugendteams in der jeweiligen höchsten Klasse zu spielen und dort eine führende Rolle einzunehmen. Eine einschneidende Wandlung gibt es bei der Oberligamannschaft, die ihr Gesicht in den letzten Jahren sehr verändert hat. Aus der Zweiten ist im Prinzip ein Junior-Farm-Team geworden. Grundsätzlich spielen A-Jugendliche des jüngeren Jahrgangs schon in der vierthöchsten Klasse, und übernehmen dort auch Verantwortung. Jörn Christmann, Kai Diehl, René Fischer und Niklas Schwenzer waren das in der vergangenen Runde, Steffen Christmann und Christopher Klee sind es regelmäßig in der laufenden.
In welchen Bereichen siehst Du in der Jugendarbeit noch Potenzial?
Röhrig: Noch besser arbeiten müssen wir im Athletikbereich, konkret im Bereich Krafttraining. Neu ist, dass wir seit dieser Saison auch Hanteltraining machen. Zur Unterstützung wäre ein eigener Kraftraum fraglos von Vorteil. So müssen wir uns überlegen, wie wir diesen Nachteil kompensieren können. Potenzial sehe ich auch im Trainerbereich, dort können wir uns noch breiter aufstellen.
Wie rekrutiert die TSG Friesenheim Talente für die C-, B- und A-Jugend?
Röhrig: In den letzten Jahren mussten wir im Prinzip nicht mehr aktiv werden, weil viele Spieler zur TSG kommen wollen. Unter Umständen gehen wir künftig gezielt auf den einen oder anderen Spieler aktiv zu, wenn wir der Ansicht sind, dass uns auf der einen oder anderen Position ein weiterer Akteur weiterhelfen kann.
Was traust Du diesen Mannschaften in der laufenden Runde zu?
Röhrig: Die C-Jugend hat leider verletzungsbedingt schon zwei Spiele verloren, ich bin aber überzeugt, dass sie bis zum Ende ganz oben mitspielen werden. Die B- und A-Jugend sind bisher ungeschlagen und stehen in der Spitzengruppe der Regionalliga. Beide Teams möchten Platz 1 oder 2 belegen, der zur Teilnahme an den weiterführenden Spielen berechtigen würde.
Worin besteht überhaupt die Hauptunterschied im Training mit Jugendlichen und Erwachsenen?
Röhrig: Das Erwachsenentraining ist ergebnisorientiert, das mit Jugendlichen ausbildungsorientiert. Das Hauptziel im Jugendtraining ist, die Spieler weiterzubringen.
Was braucht ein jugendliches Handballtalent, um später auch im Seniorenbereich erfolgreich zu sein?
Röhrig: An erster Stelle braucht das Talent Wille, Wille, um sich mehr zu quälen als andere. Zudem muss der Jugendliche in der Lage sein, sich vernünftig selbst zu organisieren. Schafft er das nicht, dann leiden sowohl die Schule als auch der Sport darunter. Und irgendwann verliert er schließlich die Lust. Den betriebenen Aufwand sollte man nicht unterschätzen.
Wie kommen Jugendspieler mit der Doppelbelastung Leistungshandball und schulische Ausbildung zurecht? Welchen Einfluss nimmst Du dabei?
Röhrig: Die jugendliche Talente brauchen neben der Schule und dem Handball noch Freiräume für die Privatsphäre. Dafür muss Platz sein. Ganz wichtig: die Schule muss vernünftig laufen. Man kann nicht oft genug betonen, wie wichtig Schule ist. Bei unseren drei Internatsschülern achte ich darauf und halte mich auf dem Laufenden, und gegebenenfalls greife ich korrigierend ein.
Welche Rolle spielt der rheinland-pfälzische Nachwuchs im bundesweiten Vergleich?
Röhrig: Beim Länderpokal haben wir im Januar 2010 mit dem Jahrgang 93 ganz knapp die Endrunde verpasst. Uns fehlte nur ein einziges Tor. So nah´ dran waren wir noch nie. Insgesamt bewegen wir uns im Mittelfeld und sind dabei, uns kontinuierlich nach vorne zu arbeiten.
Welche Rolle spielt das Verhältnis zu TSG-Cheftrainer Thomas König und dessen Philosophie vom Handball?
Röhrig: Das spielt ein ganz große Rolle. Thomas und ich kannten uns bereits, als er noch nicht das Traineramt bei der TSG innehatte. Wichtig für die Jugendspieler ist, dass Thomas den Jungen bei der Ersten tatsächlich auch eine Chance gibt, sie also Spielanteile erhalten. Er zeigt ihnen auf diese Weise, dass es sich für Jugendspieler auszahlen kann, diesen Weg in Friesenheim zu gehen.
Das Gespräch führte Gerold Kuttler