Worms /Metropolregion Rhein-Neckar – Lesung von Miriam Pressler im Rathaus
Fast vierzig Jahre alt war Mirjam Pressler, als sie 1980 beim Weinheimer Verlag Beltz und Gelberg ihr erstes Jugendbuch „Bitterschokolade“ veröffentlichte. Seither hat sie ein herausragendes kinder- und jugendliterarisches Werk geschaffen und avancierte zu einer der renommiertesten deutschsprachigen Autorinnen. Im letzten Jahrzehnt überschritt sie mit einer Reihe von Romanen die Grenze von der Jugendliteratur zur Literatur für Erwachsene. Bemerkenswert ist vor allem ihre Doppelbegabung als Erzählerin und Übersetzerin. Sie ist inzwischen eine der gefragtesten Übersetzerinnen niederländischer, englischer und insbesondere hebräischer und jiddischer Literatur. Für die Verbreitung der hebräischen Literatur in Deutschland engagiert sie sich auch als Herausgeberin.
Angefangen zu schreiben hat Mirjam Pressler nachts, neben Beruf, Familie und Haushalt. Eine Motivation dafür bestand darin, dass sie Geschichten für Kinder im Alter ihrer eigenen Kinder schreiben wollte, und zwar solche, die sie selbst gern als Kind gelesen hätte: realistische Bücher, die Kindern helfen, ihre Welt und ihre Mitmenschen zu verstehen. Der Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg, den sie für ihr erstes Buch erhielt, und die Ermutigungen ihrer ersten Lektorin haben sie darin bestätigt, das Schreiben zum Beruf zu machen.
In den ersten Büchern von Mirjam Pressler steckt viel von ihrer eigenen Kindheit. Jedes Schreiben, sagte sie einmal, ist irgendwie auch autobiographisches Schreiben. Und ihre eigene Kindheit war alles andere als leicht. Zunächst wuchs sie an der Bergstraße bei Pflegeeltern auf, bis sie im Alter von elf Jahren in ein Internat kam. Prägend für ihre Entwicklung in jenen Jahren war die Begegnung mit einer Nonne, die ihr Interesse für Kunst und Literatur, für jüdische Kultur und Religion weckte. Heute ist Mirjam Pressler ihre Identität als Jüdin ebenso wichtig wie die als Frau.
Nach der Schule studierte Mirjam Pressler Bildende Kunst und Sprachen. Sie lebte für ein Jahr in einem Kibbuz, bekam drei Töchter, die sie nach ihrer Scheidung alleine großzog.
Wiederkehrende Motive in den literarischen Arbeiten Mirjam Presslers sind das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Verhältnissen, und dies sowohl in der Gegenwart wie in der Vergangenheit. Zentral in ihrem Werk ist die jüdische Thematik, einschließlich der Shoa. Sie hat Anne Franks Tagebuch neu übersetzt und die Anne-Frank-Biographie Ich sehne mich so geschrieben oder die Geschichte von Malka Mai erzählt, zu der Dokumente aus Yad Vashem und Erinnerungen der echten Malka Mai den Stoff lieferten. In mehreren ihrer großen historischen Romane – Shylocks Tochter, Golem stiller Bruder und zuletzt in diesem Jahr Nathan und seine Kinder – gewinnt sie Stoffen der Weltliteratur neue Facetten ab.
Das umfangreiche und vielfältige literarische Werk Mirjam Presslers – über dreißig eigene Texte und mehr als dreihundert Übersetzungen – wurde mit zahlreichen Preisen bedacht, darunter dem Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur Volkach für ihr Gesamtwerk und dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin.
1995 wurde ihr großartiger, autobiographisch durchwirkter Kinderroman Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet, für Malka Mai erhielt sie 2002 den ersten Deutschen Bücherpreis, und ein Jahr zuvor die Carl-Zuckmayer-Medaille für ihre Verdienste um die deutsche Sprache.
In Worms liest sie am Montag, 14. September 2009 um 20 Uhr im Rathaus, Ratssaal der Stadt aus den Romanen „Golem stiller Bruder (2007) und „Nathan und seine Kinder“ (2009). Die Lesung ist Programmteil der „Jüdischen Kulturtage Worms“ wie der „Literaturinitiative Worms“. Am Vormittag des nächsten Tages liest die in Landshut lebende Schriftstellerin in der Diesterweg-Grundschule, der Diesterweg-Hauptschule und in der Karmeliter-Realschule.
Der Eintritt beträgt 6 Euro (nur Abendkasse; Anmeldung unter Telefon: 06241/853-1053 oder per E-mail an sabine.neubecker@worms.de).